[1] Aberglaube, mhd. abergloube aus obergloube, wie aberâhte (Aberacht) aus oberâhte; erscheint erst gegen Ende des Mittelalters, in der lutherischen Bibelübersetzung bloss einmal, Apostelgesch. 25, 19, abergläubig ebenfalls einmal, Apostel gesch. 17, 22. Das Wort ist durch das lateinische Wort superstitio, superstitiosus hervorgerufen und ihm nachgebildet. Aberglaube ist sowohl Gegensatz dessen, was der rechte, wahre Glaube oder was man dafür hält, glaubt, als dessen, was die vernünftige Naturerkenntnis als wahr erkannt zu haben überzeugt ist.[1] Das Mittelalter mit seiner unwidersprochenen Gläubigkeit kannte den Aberglauben meist nur im ersteren Sinne und nannte ihn Zauberei oder Hexenglaube, je nachdem er mehr handelnd oder bloss meinend auftrat; erst die Reformationszeit, die ja zugleich einen kräftigen Aufschwung der natürlichen Weltauffassung bezeichnet, machte den Begriff des Aberglaubens allgemeiner; Luther zählt in der Auslegung der 10 Gebote einen ganzen Katalog abergläubiger Handlungen und Vorstellungen auf. Vadian, von dem Mönchsstand (Werke, I, 57, 5 ff.) schreibt: Item was allen pfarrern eingebonden, dass si iren befolhnen undertonen den heideschen altfränkeschen aberglauben zuo weren sich undernemen soltend, und namlich die selzamen opfer für die toten, item das lossen oder walsen (?), das etlich Franken oder Almenner anfangs einer jeden handlung im brauch hattend, das man bei unsern zeiten noch das lossbuochen oder buochlossen heisst, von welchem missbrauch mönch Annonius (Aimoinus, monachus Floriacencis, 1008, der eine historia Francorum schrieb, ist gemeint) hin und har ouch schreibt, item das warsagen, das vogelgsang und den vogelflug, das selzam segnen, zuo welchem si der heilgen martrer namen bruchtend, sam es christenlich geacht werden solte, und dass man keine zwangfür anrüsten und damit die misstäter an das liecht ze bringen underston sölte, wie bei unsrer väter zeiten noch vorhanden gewesen, da abergloübig leut und onholden vermeinen wellen, man könne über ein hell feuer weiss was henken und darzuo etliche wort sprechen und streich tuon, dadurch ein menseh etwas zuo tuon oder zuo lassen gezwungen werde. Die der Reformation folgenden Zustände waren nicht geeignet, dem Aberglauben psychologisch und historisch gerecht zu werden; die Hexenprozesse sind in katholischen wie in protestantischen Landen gleich verbreitet. Erst die Aufklärung nahm sich, indem sie gegen den Glauben eiferte, auf ihre Weise des Aberglaubens an; eine historische und psychologische Würdigung dieser Erscheinung war der neuen Zeit aufbehalten. Das beste Werk darüber ist: Wuttke, der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart, Berlin, 1869. Vgl. Grimm, Myth., Kap. 35. Schindler, der Aberglaube des Mittelalters. Breslau 1858.