[29] Aberglaube (Afterglaube, lat. Superstitio), ein Vertrauen auf übernatürliche Vorgänge, wie es nicht oder nichtmehr dem herrschenden Glauben der Mehrheit entspricht oder über denselben hinausgeht. Vielfach handelt es sich dabei um Phantasievorstellungen, die einer niedern Kulturstufe überhaupt entsprechen und daher in den verschiedenen Weltteilen mannigfache Übereinstimmungen zeigen, bei fortgeschrittenen Völkern vielfach um Überlebsel aus einer ältern, durch neuere Formen ersetzten Religion (Heidentum) oder aus früher herrschenden Anschauungen (Hexenglaube). Psychologisch betrachtet, ergibt sich als Urquell für den meisten Aberglauben das Personifizierungsbedürfnis des menschlichen Intellekts, das hinter allen ihm unerklärlichen Naturvorgängen handelnde Persönlichkeiten sucht, mit denen man Verbindungen anknüpfen und unterhandeln kann. Furcht und Eigennutz sind die hauptsächlichen Ursachen für abergläubische Neigungen, doch spielen auch aus dem Traumleben abgeleitete Vorstellungen eine bedeutende Rolle. Der theoretische A. begnügt sich meist mit Vorstellungen religiöser Natur (religiöser A.); er leistet der Abgötterei, Reliquienverehrung, dem Glauben an die magische Kraft gewisser Zeremonien, durch welche die vorausgesetzten übernatürlichen Mächte zu Hilfsleistungen bewogen werden sollen (s. Magie), dem Gespensterglauben und Spiritismus Vorschub. Der praktische A. hofft von der Wirkung geheimer Zeichen und Zeremonien Beistand für materielle Zwecke und hat unter anderm den Glauben an Astrologie, Chiromantie und Zauberei gefördert. Hierher gehört auch der A. an Wunderdoktoren, Amulette, Beschwörungen, Besprechungen u. dgl. Geschichtlich unterscheidet man natürlichen und philosophischen oder gelehrten Aberglauben. Jener ist bei rohen, ungebildeten Völkern heimisch, dieser wirft dem rohen Irrwahn ein scheinbar wissenschaftliches Gewand um. Abergläubische Meinungen sind oft harmlos, oft aber gefährlich. Sie machen furchtsam, unduldsam, bisweilen fanatisch. Das sicherste Mittel dagegen ist guter Volksunterricht. Vgl. Schindler, Der A. des Mittelalters (Bresl. 1858); A. Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart (3. Bearbeitung von E. H. Meyer, Berl. 1900); Pfleiderer, Die Theorie des Aberglaubens (das. 1872); Mannhardt, Die praktischen Folgen des Aberglaubens (das. 1878); Lippert, Christentum, Volksglaube und Volksbrauch (das. 1882); C. Meyer, Der A. des Mittelalters (Basel 1884); Brunnhofer, Die Quelle des Aberglaubens (in »Kulturwandel und Völkerverkehr«, Leipz. 1891); Lehmann, A. und Zauberei von den ältesten Zeiten bis in die Gegenwart (a. d. Dän., Stuttg. 1898).