[91] Buchdruckerkunst. Sie geht aus dem Gewerbe der Spielkartenverfertiger und Briefmaler (d.h. Bemaler von Pergament oder Papier mit Figuren, besonders Heiligenbildern, Buchstaben und Verzierungen) hervor, welche ihre Bilder vermittelst gestochener Holzplatten vervielfältigten und schon im Beginn des 15. Jahrhunderts zu Innungen zusammentraten. Von einzelnen Heiligenbildern ging man später zu ganzen Bilderreihen mit begleitendem Text über. Mit Holztafeldruck sind besonders in Holland lateinische Elementarbücher, zumal der Donat, gedruckt worden. Die Erfindung beweglicher Lettern, zuerst in Holz, dann in Metall, und deren Anwendung zum Buchdruck wurde schon im 15. Jahrh. allgemein dem Johannes Gutenberg aus Mainz zugeschrieben; doch ist sicher, dass auch an anderen Orten, in Haarlem Lorenz Coster, in Bamberg Albrecht Pfister gleichzeitig den Buchdruck entwickelten; die Verbreitung der Kunst jedoch über Deutschland und die übrigen Länder Europas geht sicher von Gutenberg aus. Johannes Gutenberg gilt als 1397 zu Mainz geboren; schon 1424 lebte er zu Strassburg, wo er alten Angaben zufolge, für welche aber ein sicherer Beweis nicht beizubringen ist, seine Kunst erfand und zuerst ausübte. Im Jahre 1444 oder 45 kehrte er nach Mainz zurück. Hier fand er nach vielen misslungenen Versuchen einen reichen aber eigennützigen Gesellschafter in Johann Fust oder Faust, mit dem er 1450 in ein Vertragsverhältnis trat. Gutenberg übte auch jetzt noch den Tafeldruck, arbeitete aber auch mit hölzernen Buchstaben. Als erste Drucke Gutenbergs in Mainz werden genannt Abc-bücher, Gebetbücher, Beichtspiegel, Donate. Ein weiterer Fortschritt war die Anwendung von Metalltypen, die aus freier Hand geschnitten waren, und der wichtigste Fortschritt der Guss der Schrifttypen. 1452 wurde der Druck der lateinischen Bibel begonnen und 1455 in zwei Folianten von 600 Blattern vollendet. Weitere Fortschritte stammen von Peter Schöffer aus Gernsheim, der in Paris als Illuminierer gearbeitet hatte und von Fust als Famulus angestellt wurde. Er ersetzte die noch sehr ungleich und unscharf gegossenen Buchstaben durch solche, die mittelst eines Stahlstempels in dünne Kupfer- und Messingplättchen eingeschlagen wurden. Nachdem Fust dem Schöffer seine Tochter zur Frau gegeben hatte, betrieb er 1455 einen Prozess gegen Gutenberg wegen Zurückbezahlung der geliehenen Kapitalien, und Gutenberg wurde verurteilt, die ganze Presse samt allem Material dem Fust zu überlassen. Durch Unterstützung eines geachteten Mainzers, Konrad Hummer, gelangte Gutenberg in den Besitz einer[91] neuen Druckerei, aus welcher 1460 das Katholikon, eine beliebte grammatisch-lexikalische Kompilation des Joh. de Balbis hervorging. Nachdem Gutenberg seine Druckerei nach Eltwyl im Rheingau versetzt hatte, starb er um Neujahr 1468. Aus der Fust-Schöfferschen Offizin ging 1457 das Psalterium hervor, das erste nach Drucker u. Druckort datierte Druckwerk, eins der schönsten Druckwerke bis heute, mit verzierten Initialen in blau und rot, 1460 erschien die lateinische Bibel. Im Jahre 1462 wurde Mainz infolge eines Streites zwischen dem Erzbischof und seinem Nachfolger nächtlich überfallen und zum Teil verbrannt; dabei ging auch die Werkstätte von Fust und Schöffer in Flammen auf, die Arbeiter, obwohl durch einen Eid an die Bewahrung des Geheimnisses gebunden, verstreuten sich und verbreiteten die Kunst an viele Orte. In Mainz erneuerte Schöffer sein Geschäft und druckte fort, seit 1503 von seinen Söhnen abgelöst. Die frühesten Buchdruckereien anderer deutscher Städte findet man in Köln, Augsburg, Nürnberg, Strassburg, Speier, Esslingen, Merseburg, Breslau, Lübeck, Pilsen, Prag, Eichstädt, Urach, Tübingen, Leipzig, Memmingen, Passau, Wien, München, Reutlingen, Erfurt, Magdeburg, Heidelberg, Regensburg, Hagenau, Hamburg, Freiburg, Frankfurt a. Main, Wittenberg, in der Schweiz Basel, Beromünster, Burgdorf, Zürich. Vgl. Van der Linde, Gutenberg, 1879; Franke, Handbuch d. Buchdr. Weimar 1867; Lorck, Handbuch der Geschichte d. Buchdruckerkunst. Leipzig 1882.
Die Zeitgenossen Gutenbergs und ihre Söhne und Enkel haben die Buchdruckerkunst stets als eine besondere Gabe und Gnade Gottes angeschaut. Sie hat die schneidendste Waffe gegen das romantische Empfindungsleben des mittleren Alters unserer Litteratur geschaffen und war berufen, auf den mannigfaltigsten Wegen von den verschiedensten Seiten her neues Bildungsmaterial zu beschaffen. Die Buchdruckerkunst hat einen ähnlichen Umschwung im ideellen Verkehr der Gedanken bewirkt, wie in unserem Jahrhundert der Dampf und die Telegraphie im Verkehre des Handels und der Industrie. Zumal bot diese Erfindung den auseinanderfallenden Ständen gegenüber ein ganz unerwartetes Mittel neuen Zusammenhangs, das denn auch bald, mit der Reformation, in grossartigstem Massstabe zur Anwendung kam.