Cluniacenser Kongregation

[112] Cluniacenser Kongregation heisst diejenige Abart des Benediktinerordens, die sich im 10. Jahrh. vom Kloster Clugny aus verbreitete. Der ältere Benediktinerorden war mit der Zeit zu einer Vereinigung von Mönchen geworden, die in geschlossenen Vereinigungen den christlichen Unterricht, die christliche Wissenschaft und Kunst handhabten, doch wurde die Pflege nationaler und weltlicher Beziehungen der Religion zuliebe nicht hintangesetzt und als Muster allgemein die klassischen Autoren des Altertums benützt; der Orden war jedoch nach einem hohen geistigen Aufschwung unter den Karolingern allmählich verweltlicht, was um so leichter geschehen konnte, als diese monarchischen Institutionen bei ihrem stetig wachsenden Reichtum und Grundbesitz nachgerade zu einem wichtigen Glied der Reichsorganisation erwachsen waren. Als sich nun im 10. Jahrh. auf den Gebieten der Kirchenverfassung, der Poesie, der Kunst, der Religion, des Staatslebens schnell derjenige Geist entwickelte, den man den Geist der Romantik nennt, und der sich im Rittertum, im Minnedienst, in der romanischen Baukunst, im Papsttum und in dem erbitterten Kampfe desselben mit dem Kaisertum, in gesteigerter Vorliebe für Ascese, für religiöse Gemütsinnerlichkeit kundgab, da trat dieser Geist auch an die Klöster heran, die damals alle der Benediktinerregel huldigten, und suchte das bestehende, wie man meinte verweltlichte, Mönchsleben geistlich zu reformieren. Das dem Studium des klassischen Altertums, der nationalen Bildung, der weltlichen Bildung überhaupt feindliche Prinzip war zwar schon seit langem vorhanden; als geschlossene Macht trat es erst im 10. Jahrh. an verschiedenen Orten, z.B. in Lothringen, meist durch religiös gesinnte Männer auf, am kräftigsten aber in Clugny, Cluniacum. Hier, in Burgund, einige Meilen von Mâcon, stiftete im Jahre 910 Herzog Wilhelm von Aquitanien ein Kloster, das ein Muster des reformierten Klosters werden sollte. An die Spitze berief er den Abt des Klosters Beaume, Berno. Das neue Kloster wurde von Anfang an unmittelbar dem päpstlichen Stuhl unterstellt. Bernos Nachfolger, wurde Odo, Abt 927–941. Er ist der eigentliche Reformator des Mönchwesens. Seine consuetudines Cluniacenses, durch welche die Regeln Benedikts verschärft wurden, wurden bald in anderen älteren Klöstern eingeführt, und neue Klöster entstanden nach der erneuten Regel. Was diese reformierte Benediktinerregel kennzeichnet, ist die Umgehung der bischöflichen und die einzige Betonung der päpstlichen Gewalt und sodann die Konzentration sämtlicher dieser Regel angehörigen Stiftungen unter eine Centralleitung; die alten selbständigen Abteien wurden, wenn sie der Reformation beitraten, als Priorate behandelt, Clugny war das Archimonasterium, sein Abt der Archiabbas; die Vorsteher sollten jährlich zu einer beratenden Versammlung in Clugny zusammenkommen. Gregor VII., Urban II. und Paschalis II. waren Cluniacenser. Die Kirchen der Kongregation glänzten durch die Pracht ihrer Ausstattung. Zahlreiche weltliche Fürsten, darunter auch französische und deutsche Könige, waren der Reform geneigt. Wie stark aber an manchen Orten der Widerstand gegen die Neuerer, die Schismatiker, die Welschen war, und wie man ihre kirchliche Strenge unter Umständen als[112] Heuchelei erklärte, geht aus den St. Gallischen Kasus Ekkeharts IV. hervor; diese an Beispielen aus der ältern, frischen, natürlichen Klosterzeit so reiche Chronik ist eben zu dem Zwecke abgefasst worden, um als Parteischrift gegen die Neuerungen eines dem Kloster aufgedrungenen cluniacensischen Abtes zu dienen und den Beweis zu geben, wie viel Schönes und Herrliches unter der ältern freiern Richtung geleistet worden sei. Siehe die Einleitungen zu der lateinischen und deutschen Ausgabe durch Meyer von Knonau. Die Cluniacenser Reformation hat sich in Deutschland zuerst in den Klöstern des Schwarzwaldes festgesetzt: »Hier verkehrten die Legaten und Gegenkönige, hier feierten sie ihre Feste, hier suchten sie und ihre Anhänger Zuflucht in den Zeiten der Not. Die Mönche von Ebersheim im Elsass haben Rudolf von Rheinfelden sogar seine Krone geschmiedet. Es war nicht wie bei den Sachsen eine zufällige Übereinstimmung in der Opposition gegen das Reich, welche diese Mönche mit Gregor zusammenführte, sondern der reine dogmatische Eifer. Sie lebten in der Vorstellung von der päpstlichen Allgewalt und konnten einen andern Standpunkt gar nicht begreifen.«

»In Verbindung mit Clugny standen diese Klöster wohl schon lange. Ein recht lebendiges und festes Band aber knüpfte sich erst durch Wilhelm von Hirschau. Dieser führte auf den Rat des bekannten päpstlichen Legaten Bernhard, Abts von St. Victor, der sich 1077 ein ganzes Jahr lang bei ihm aufhielt, die Cluniacenser Regel in seinem Kloster ein, und von hier aus verbreitete sich nun der Hirschauer Orden nach allen Seiten; neue Klöster wurden gestiftet und alte nach der neuen Weise reformiert. Hirschauer Mönche kamen nach Reichenbach und St. Georgen im Schwarzwald, nach Schaffhausen, Petershausen und Pfäfers, nach Weilheim (später nach St. Peter bei Freiburg verlegt) und Zwifalten, Blaubeuren und Isny, Wiblingen und Ochsenhausen, nach Komburg in Franken, nach Fischbachau und Scheiern, Prüfening und Ensdorf in Baiern, nach dem Petersberg bei Erfurt, Reinhardsbrunn, Gosek, Gasungen und Magdeburg, nach Admont in Steiermark, St. Paul in Kärnthen. Otto von Bamberg führte in allen seinen Klöstern die Hirschauer Regel ein. Derselben Richtung gehörte St. Blasien im Schwarzwalde an. Hier wurde Hartmann, früher Propst von St. Nicola bei Passau, des Gegenkönigs Rudolf Kaplan, Mönch und Prior; dann aber 1094 Abt von Götweih, wohin er eine Kolonie aus St. Blasien führte, und bald wurden ihm auch St. Lambert in Steiermark, Kempten, St. Ulrich und Afra in Augsburg anvertraut. Nach Kremsmünster kamen Mönche aus Gottesau, einer Hirschauer Kolonie im Sprengel von Speier. Bischof Burchard von Basel aber unterwarf 1105, eingedenk der alten Freundschaft und innigen Verbindung, das von ihm gestiftete Kloster St. Alban bei Basel unmittelbar dem Abte von Clugny.« Wattenbach, Geschichtsquellen IV, § 6.

Die Cluniacenser Mönche trennten sich nie völlig von den alten Benediktinern, behielten auch die schwarze Tracht. Abgesehen von den strengeren Regeln der Kongregation unterschieden sich ihre Stiftungen dadurch von den alten nichtreformierten, dass diese durch die nächstfolgenden Jahrhunderte ihre Selbständigkeit und ihre Bedeutung als Reichsstände bewahrten, die mächtigeren unter ihnen sogar zu Reichsfürsten wurden, während die reformierten Klöster dem Charakter der kirchlichen Genossenschaft treuer blieben. Mit den Cisterciensern, die auch Benediktiner sein wollten, aber das Prinzip des geistlichen Mönchstums[113] viel einseitiger darstellten, auch zur weissen Tracht übergingen, führten die Cluniacenser heftige Fehden, besonders Bernhard von Clairveaux als Cistercienser gegen den Abt von Clugny, Peter den Ehrwürdigen. Siehe Fink in Ersch und Gruber, Art. Cistercienser.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 112-114.
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