Heiraten und Hochzeiten

[391] Heiraten und Hochzeiten. Es ist zwar schon im Artikel Ehe von Hochzeiten die Rede gewesen; hier mögen nach Kriegks Bürgertum II, Abschnitt XI einige besondere hierhergehörende Züge aus dem städtischen Leben des späteren Mittelalters[391] zusammengestellt werden. Offenbar galt die Feier der Hochzeit für den städtischen Bürger als ein eingreifenderes und wesentlicheres Lebensmoment, als es für die höfische Gesellschaft gewesen war; nicht bloss bewegte sich der ritterliche Frauendienst abseits von der Ehe, sondern der Geist des Rittertums bevorzugte überhaupt mehr solche Feste, welche mit der Stellung des Ritters als solchem zusammenhingen, ganz besonders die Schwertleite, den Hoftag, das Turnier u. dgl., Feste, welche eben die höfische Zeit unter dem Gesamtnamen hôchzît, hôchgezît zusammenfasste. Erst in den Städten hing dies Fest der Eheeingehung enge mit dem Lebensberufe des Bürgers zusammen und blieb für die Bezeichnung Hochzeit an dieser Feier haften. Heiraten waren in den Städten häufiger als jetzt, wie denn offenbar hier das Wort Hagestolz, das ursprünglich den Besitzer eines Nebengutes bedeutete, die Bezeichnung für einen Junggesellen geworden ist. Es gab Städte, wo Hagestolze weder Ratsherr werden, noch in der Zunft als Meister aufgenommen werden durften. Witwer und Witwen verheirateten sich schnell wieder, oft bevor das »Jahr der Klage und des Leides« abgelaufen war; ja zweite und dritte Verheiratungen scheinen in Deutschland sogar die Regel gewesen zu sein. Bis ins späte Mittelalter wurde nicht die kirchliche Trauung, sondern die Verlobung als Hauptakt der Eheschliessung angesehen. Immer noch bestand die Verlobung oder Vertrauung aus den drei Akten, 1. aus der Verabredung über Brautschatz und Mitgift, 2. aus der Konsenserklärung des Vaters und dem Eheversprechen von Seite des Freiers, und 3. aus der Handreichung, dem Handschlag, Handstreich oder dem Weinkauf, welches alles Namen für die eigentliche Verlobungs-Termine sind; sie fand inmitten der beiderseitigen Verwandten statt und bestand in der Bejahung der an Braut und Bräutigam gerichteten Frage, ob sie einander heiraten wollen, aus Umfahung und Brautkuss; von jetzt an hiessen die Verlobten Gemahle, später bis zur Hochzeit immer noch Braut und Bräutigam. Die beiden ersten Akte waren häufig mit der Abfassung einer schriftlichen Urkunde über die Ausstattung und den Brautschatz, mit der Ausstellung eines Ehebriefes und mit der Ceremonie verbunden, dass ein Verwandter oder Freund die Brautleute förmlich zusammengab. Das letztere geschah bald durch einen Laien, bald durch einen Geistlichen. Gesellige Festlichkeiten fanden nach der Verlobung im Hause der Braut, im Rathaus oder in einem Kloster statt und bestanden in Tänzen, Schmausereien und Trinkgelagen; Namen für dieses Fest sind Lautmerung, d.h. öffentliche Bekanntmachung, weil auch Uneingeladene beiwohnten, Uffenbarung und Vorgift, Vorgabe.

Die Kopulation, Einsegnung, Benediktion in der Kirche, Kirchgang, Solemnisierung der Ehe oder Inthronisation fand stets in der Kirche statt; das vorausgehende dreimalige kirchliche Aufgebot, schon zur römischen Kaiserzeit vorhanden, war seit dem 13. Jahrhundert ein Kirchengesetz. Die Kopulation wurde an einem beliebigen Tage in der Woche gehalten und zwar Vormittags nach der Messe. Mehrere Tage früher fand das Baden in einer Badstube statt, worauf eingeladene Verwandte und Freunde, auch Dienstboten des Hauses im Hause der Braut oder des Bräutigams bewirtet wurden. Der Brautkranz war nicht allgemein gebräuchlich; dagegen das Verteilen von Kränzen seitens der Braut an den Bräutigam, die Brautführer, die Tanzlader und die Spielleute, nicht aber an die wirklichen Gäste.[392]

Braut und Bräutigam gingen bei der Trauung nicht zusammen zur Kirche, sondern jedes von ihnen wurde durch zwei Brautführer dahin begleitet, wobei auch die Braut manchmal männliche Führer hatte. Beim Zuge in die Kirche wurde mit Glocken geläutet oder vom Turme herabgeblasen, was man das Anblasen der Braut nannte. Geiger, Lautenisten, Pfeifer, Trompeter oder Trommler gingen dem Zuge voran, an welchem nicht bloss die Verwandten und Freunde, sondern auch die männlichen und weiblichen Dienstboten teilnahmen. In Nürnberg gaben die Verlobten einander vor dem Eintritt in die Kirche den Mahelring, welcher an anderen Orten schon bei der Verlobung übergeben wurde.

Das erste Beilager fand stets im Hause der Braut statt, meist in der auf die Trauung folgenden Nacht, manchmal aber erst mehrere Tage später. In Frankfurt führte dabei einer der Brautführer die junge Frau, auf deren Sammetschuhen Wappen, Namen u. dgl. mit Gold und Perlen eingestickt waren, in das Brautgemach und zog ihr daselbst den linken Schuh aus, welchen er einem oder mehreren der zur Hochzeit geladenen Junggesellen schenkte. Am Morgen nach dem Beilager überreichte der Eheherr seiner Gattin die Morgengabe, bestehend aus einem oder zwei silbernen Bechern oder einem anderen Kleinod; als Gegengeschenk kommt an manchen Orten ein Manns- oder Badehemd vor. Gewöhnlich an demselben Morgen wurde die junge Frau durch die Hochzeitsgäste feierlich zur Messe und in das Haus ihres Gatten geleitet, wenn nicht, was oft geschah, das junge Paar noch eine kürzere oder längere Zeit hindurch im Hause der Gattin wohnen blieb, wo ihm mit der Wohnung auch die Kost frei war.

Die Hochzeitsgeschenke der Verwandten und Freunde an das Brautpaar begannen schon bei der Verlobung, und zwar war dieses meist ein Schmuck, Bringat genannt, vom feierlichen Überbringen. Auf der Hochzeit pflegte jeder Eingeladene dem neuen Ehepaar sowohl als beiden Eltern, in deren Hause die Hochzeit gefeiert wurde, ein Geschenk zu machen, als Beitrag zu den Kosten des Festes, an manchen Orten war dagegen ein offenes Mahl und ein Freitanz gebräuchlich. Jene Art von Hochzeiten hiessen Schenkhochzeiten; bei Freihochzeiten, die erst später aufkommen, gaben die Gäste bloss einen mündlichen Dank. Gegen die kostbaren Geschenke oder Schenkinen wurden zahlreiche Verordnungen erlassen; die Geschenke selber bestanden in Schmuck, Hausgeräte, silbergestickten Kleidern, silbernen Trinkgeräten und barem Gelde. Das Brautpaar hatte für die ihm gereichten Brautgeschenke Trinkgelder zu geben, wozu an manchen Orten noch andere Geschenke kamen, besonders Speise und Trank für die Angehörigen der beim Feste beteiligten Leute. Überhaupt war der Aufwand, den man beim Hochzeitsfest entfaltete, meist sehr üppig; es gab bürgerliche Hochzeiten, die neun Tage dauerten, von adeligen und fürstlichen zu geschweigen, und überall sahen sich die Obrigkeiten genötigt, wiederholt einschränkende Verordnungen zu erlassen. Die Hochzeitsfeier wurde im Hause der Braut oder in der Trinkstube, die der Bräutigam zu besuchen pflegte, im Rathause oder in einem andern städtischen Gebäude, von Handwerkern auf ihrer Zunft gehalten. Gegen die Benützung des Rathauses sind aber ebenfalls Verbote erlassen worden. Die Einladung der Gäste geschah durch Hochzeitslader oder Tanzlader und war oft beritten und von einem kleinen Gefolge begleitet. Ein von Stadt wegen angestellter Sprecher, der Hängelein oder Hegelein[393] oder Vorhängelein, vom vorgehängten Amtsschild, auch Ehensprecher, Schlenkerlein, trug seine Anrede reimweis vor. Ähnlicher Natur waren die Lotter oder Lotterer, d.h. Lustigmacher. Für die Zahl der Gäste war meist ein obrigkeitliches Maximum aufgestellt. Ein Hauptteil der hochzeitlichen Vergnügungen war der Tanz; Höfe heissen Festmahle, die in den nächsten Monaten nach der Hochzeit zu Ehren der Neuvermählten abgehalten werden. Die erste Feier einer goldenen Hochzeit wird im Jahre 1661 erwähnt. Vgl. Kohl, Alte und neue Zeit, Abschn. 14. Bremen 1871.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 391-394.
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