[482] Karmeliter. Ein gewisser Berthold, der im 12. Jahrhundert aus Kalabrien auf einer Wallfahrt oder einem Kreuzzuge nach Palästina gekommen war, gründete auf dem Berge Karmel da, wohin die Sage den Wohnplatz des Elias verlegt, eine Niederlassung und Genossenschaft von Einsiedlern, wahrscheinlich eine Nachbildung der in Kalabrien heimisch gewordenen Kartäuser. Um das Jahr 1185 hat man den Berthold noch dort gesehen, und seine Gesellschaft ergänzte und vermehrte sich fortwährend aus abendländischen Pilgern und gestaltete sich ordensmässig. Brocard, der zweite Vorsteher, suchte um die kirchliche Bestätigung nach und erhielt vom Patriarchen von Jerusalem 1209 eine Regel. Sie besteht aus 16 Artikeln und schreibt Gehorsam gegen die Oberen, Wohnung in abgesonderten Zellen, Errichtung eines gemeinsamen Bethauses, Abhaltung bestimmter Gebete, Armut, Handarbeit und für bestimmte Zeiten Fasten und Schweigen vor. Im Jahre 1238 verliess die Gesellschaft den Berg Karmel, wanderte zuerst nach Cypern aus, dann nach Sicilien, 1240 erschienen sie in England, 1244 in Südfrankreich; ihr erstes Generalkapitel hielten sie 1265 in England. Ein von König Ludwig dem Heiligen 1259 in Paris errichtetes Karmeliterkloster trug namentlich zur Verbreitung des Ordens in Frankreich und Deutschland bei. Unterdessen hatte Innocenz IV. im Jahre. 1247 auf die Bitte des Ordens Änderungen in der Organisation vorgenommen, wodurch sich die Karmeliter den Bettelmönchen nähern sollten. Die Tracht hatte anfänglich aus weiss und schwarz (oder braun) gestreiften Mänteln, nach dem vorgeblichen Beispiele des Elias, bestanden; jetzt nahmen sie die Dominikanertracht an, nur dass sie Schwarz für den Rock, Weiss für den Mantel bestimmten. Dazu kam das aus zwei Streifen von grauem Tuch bestehende Skapulier, das Maria selbst vom Himmel herabgebracht haben und welches alle, die es hier im Leben tragen oder doch wenigstens darin sterben, selig[482] machen sollte, indem Maria alle Sonnabende in das Fegfeuer käme, um die Betreffenden daraus abzuholen. Infolge dieser 1287 aufgekommenen Erfindung machten die Karmeliter ihr Glück, und es entstand eine Skapulierbrüderschaft, welche ohne ein Ordensgelübde eine grosse Menge von Laien dem Karmeliterorden affilierte. Den Dominikanern machten die Karmeliter die Erfindung des Rosenkranzes streitig, sie setzten der Portiunkulakirche der Franziskaner das Haus der Maria zu Loretto entgegen und behaupteten, sie hätten in der Liebe zu Maria allen Mönchen den Vorrang abgelaufen. Die Verwilderung der Ordenszucht hatte im 15. Jahrhundert mannigfache Reformversuche zur Folge, dazu gehörte die 1452 erfolgte Stiftung von Frauenklöstern des Ordens und die 1476 durch Sixtus IV. geschehene Einrichtung von Tertiariern. Im 16. und 17. Jahrhundert hat der Orden namentlich in Spanien eine neue, von schwerster Askese und eigenttümlicher Mystik getragene Blüte erlebt und eine Art Mittelglied zwischen Jesuiten und Kapuzinern gebildet; ihr Übermut war so gross, dass sie sich des höchsten Alters unter allen Mönchsorden rühmten und eine ununterbrochene Erbfolge der Ordensgenerale wenigstens vom Propheten Elias an zu beweisen vermeinten. Vogel in Herzogs Real-Encykl.