Krönungsinsignien

[549] Krönungsinsignien. Bei den Franken war zur Zeit der Merowinger die Lanze das Zeichen königlicher Würde. Das eigentliche[549] Königs- und Kaiserornat ist eine Aneignung weströmischer Tracht, später auch die Nachahmung des griechischen Kaiserornates. Ein solches gewinnt aber auf deutschem Boden eine wirklich gemeingültige, feststehende Form erst mit dem 12. und 13. Jahrhundert, und zwar kann hiermit weniger der Schmuck des Königs, als der eigentliche Krönungsornat gemeint sein; die Krönungsinsignien, wie sie Jahrhunderte lang in Anwendung kamen und heute in der Schatzkammer der Hofburg zu Wien gezeigt werden, können in ihrer Vollständigkeit wohl kaum vor der Krönung Ludwig IV. (um 1328), vielleicht zum erstenmal bei Sigismund (1414) gebraucht worden sein. So fand man noch bei der Eröffnung des Grabes Friedrich's II. in Palermo den Kaiser im vollen Ornate, sogar mit Krone und Reichsapfel eingesargt, während nach einer Verordnung die Gegenstände nach vollzogener Weihe abgelegt und der Sakristei der Marienkirche in Aachen als Geschenk verbleiben sollten. Dieser Verordnung scheint überhaupt bis auf genannte Zeit nicht nachgelebt worden zu sein, denn noch 1273 ergreift Rudolf statt des vorgeschriebenen Zepters (da ein solches fehlt) ein Kruzifix.

Die einzelnen Krönungsinsignien, wie sie später bei der Einsetzung jedes neuen Herrschers gebraucht wurden, stammen zum grösseren Teile aus dem 12. Jahrhundert und sind fast durchweg fremden Ursprungs. In ihrer bestimmten und für die Folgezeit massgebenden Zusammensetzung werden sie zum erstenmal 1519 genannt, bei der Krönung Karl's V. Sie mögen jedoch in gleicher Weise schon seit Sigismund gebraucht worden sein. Zu diesen Insignien zählen mit Ausschluss etlicher nicht mehr benutzten Einzelheiten und ausgeschiedenen Reliquien wesentlich noch folgende:

1. Die Strümpfe, Tibialien, lat. caligae, tibialia. Sie wurden im 12. Jahrhundert in Sizilien angefertigt aus karmoisinroter Seide mit Gold durchstrickt, in Form von Laubwerk. Sie reichen bis über die Kniee und tragen am oberen Rand arabische Lettern.

2. Die Schuhe, Sandalen, lat. calceamenta, sandalia, socculi, gleichen Ursprungs wie die Strümpfe und ähnlich den römischen Sandalen von rotem Atlas, vorn abgerundet, mit Perlenstickerei in Greifen und Sirenen verziert, vermittelst schmaler Bandstreifen über dem Fussgelenke zu befestigen. Es waren davon mehrere Paare vorhanden und zwar in verschiedener Grösse; gegenwärtig ist nur noch ein Paar zu sehen, ein auffallend kleines.

3. Das Untergewand, Dalmatica, lat. tunica, talaris, von dunkelviolettem Seidenzeug. Es erstreckt sich bis unter die Knie, ist vorn geschlossen, langärmelig. Am Hals ist es weit ausgeschnitten, mit goldenem Saum und einer Zugschnur versehen. Der Ärmelrand sowie der untere Saum des Rockes ist mit Gold- und Perlenstickerei nebst dazwischen geordneten kunstvoll emaillierten Goldblättchen versehen.

4. Das Oberkleid, die Alba oder camisia, ein weites, herabfallendes Gewand von weissem Seidentaffet, an den Rändern ebenfalls reich verziert. Auch die Ärmel sind nach ihrer Länge mit reicher Goldborte versehen und die Brust bedeckt dementsprechend ein mit allem Zierat ausgestattetes viereckiges Feld. Die Einfassung an dem unteren Rand ist von beträchtlicher Breite, mit Seide, Gold und Perlen gestickt. In diesen Rändern findet sich eine Inschrift eingestickt, welche besagt, dass dieses Gewand durch maurische Künstler in Palermo unter der Herrschaft Wilhelm I. (1181) angefertigt worden.

5. Der Gürtel (zona, cingulum), eine breite Goldborte, mit Tiergestalten[550] verziert und silbervergoldeten Schliessen versehen, dienend zur Gürtung der Alba. Es ist noch ein zweiter Gürtel vorhanden aus dichtem, starkem Seidengewebe, geschmückt mit Filigranarbeit, und ferner wurde eines dritten, nun abhandengekommenen erwähnt, dessen »Zeddel« von kirschroter Seide, der »Einschlag« von goldübersponnenen Seidenfäden gebildet war. Welcher von allen dreien zum eigentlichen Krönungsornate zählte, lässt sich nicht mehr ermitteln.

6. Ein über sechs Zoll breites Band in Gestalt der geistlichen Stola, von gelb geblümtem Stoff, mit dem heraldischen Bild des Reichsadlers geziert. Es wurde dem Kaiser über den Hals und kreuzweis über die Brust gelegt, auch etwa mit einem zweiten Gürtel überbunden.

7. Die Handschuhe, lat. chirothecae, aus rot- und purpurfarbenem Seidenstoff zusammengenäht, aussen mit Laubwerk in Gold- und Perlenstickerei, sowie mit emaillierten Goldblechen, innen mit Goldzieraten romanischen Stils bedeckt.

8. Krönungsmantel, lat. pluviale, pallium imperiale, paludamentum, tegumen, ist ein Meisterwerk des 12. Jahrhunderts, halbkreisförmig geschnitten, bildet einen auf der Brust zu befestigenden Rückenmantel von 5 Fuss Länge und 16 Fuss Breite, ist ein festes, dunkelrotes, durchweg gemustertes Seidengewebe mit goldgefasstem Halsausschnitt, edelsteingezierter Brustspange und daranschliessenden Brustschilden von prachtvoll emailliertem Goldblech. Über die Rückenmitte geht eine Stabverzierung von Goldstickerei und Perlenbesatz, die sich oben jederseits in drei mehr horizontal geschwungene blätterartige Stäbchen verzweigt. Jede der beiden Mantelhälften ist mit einer durchaus von Gold gewirkten und mit Perlen bestickten Darstellung eines Löwen nebst einem unter ihm liegenden Kamele fast ausgefüllt. Ringsherum ist er reich bordiert, längs seines vorderen Randes mit zwei dichten Perlenreihen und dazwischenlaufendem Besatz von Goldstickereien mit fortlaufendem vierkleeblattförmigem Perlzierat, längs des unteren Randes mit perlengefasster arabischer Schrift in goldenen »kufischen« Buchstaben geschmückt. Ihr zufolge war der Mantel für den sizilischen Normannenkönig Robert Guiscard angefertigt im Jahre der Flucht des Propheten um 528 (1133 n. Chr. G.) in der »glücklichen Stadt Palermo«, woraus man zugleich geschlossen hat, dass er höchst wahrscheinlich erst unter den letzten Hohenstaufen zu den Reichskleinodien gekommen ist.

9. Die sogenannte Krone Karl's des Grossen. (S. den Artikel Krone.)

10. Das Zepter, lat. sceptrum, virga. Das ursprüngliche Reichszepter ging schon frühzeitig verloren. Von den noch vorhandenen bildet das ältere, wahrscheinlich aus dem 14. oder Ende des 13. Jahrhunderts stammend, einen hohlen Stab von zwei Fuss Länge, aus vergoldetem Silberblech bestehend, an drei Stellen durch vergoldete Ringe und Knäufe unterbrochen, an seiner Spitze eine Eichel mit vier Eichenblättern tragend. Ein zweites Zepter ist einfach von Silber, glatt, hohl und rund, ein drittes, das spätere eigentliche Reichszepter, ist wahrscheinlich eine nürnbergische Goldschmiedearbeit aus dem 16. Jahrhundert.

11. Der Reichsapfel, lat. pomum, globus, datiert voraussichtlich ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert. Er ist eine aus Goldblech künstlich getriebene Kugel von 33/4 Zoll Durchmesser, mit harziger Masse angefüllt, von zwei sich kreuzenden Reifen umspannt, auf deren oberem Kreuzungspunkt sich ein goldenes Kreuz erhebt, das, wie auch der obere Teil der Reife, mit farbigen Edelsteinen[551] geschmückt ist. Ein an gelbem Saphir befindliches Monogramm ist nicht zu deuten. Die einen halten es für ein himmlisches Zeichen – Sonne, Mond, Stier, Widder, Fische, – die anderen wollen einen Namen herauslesen und zwar Cuonrad oder XPICTOC. Zwei andere vorhandene Reichsäpfel, rings mit Edelsteinen bedeckt, zählten wohl nie mit zum Krönungsornat.

12. Drei Schwerter von reicher Ausstattung. a) Das Schwert des heiligen Mauritius stammt ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert. Es ist ein Zeremonienschwert, welches dem Kaiser bei der Krönung vorangetragen wurde. Die über drei Fuss lange, oben abgerundete Klinge steckt in einer Scheide von dünnem Goldblech, die jederzeit durch Edelsteineinsatz in sieben Lagerfelder abgegrenzt die Bildnisse ebensovieler Könige im Krönungsornate tragen. Der Griff ist kreuzförmig, oben mit einem linsenförmigen Knopfe bedeckt. Derselbe trägt, auf der einen Seite einen Adler mit der Umschrift: »BENEDICTVS. DOS. DES«, auf der andern Seite einen geteilten Schild, dessen eine Hälfte mit einem halben Adler, die andere mit drei Löwen geziert ist, nebst den noch lesbaren Überresten der Worte »EVS GVI DOCET MANVS.« Auch die Parierstange trägt eine längere Inschrift. b) Das zweite Schwert ist ein altorientalischer Säbel von massiger Krümmung mit grünlicher Scheide und Goldblech- und Edelsteinverzierungen. Es soll nach der Tradition sich auf Karl den Grossen zurückführen lassen, der es von dem arabischen Fürsten Harun-al-Raschid geschenkt erhalten habe. c) Das dritte Schwert, das »Schwert Karls des Grossen« ist wohl das jüngste von allen, und erst durch Karl IV. den Insignien beigerechnet, also um die Mitte des 14. Jahrhunderts. Die zwei Fuss elf Zoll lange Klinge ist zweischneidig und längs ihrer Mitte etwas rundlich ausgeschliffen. Der vergoldete Silbergriff trägt einen scheibenförmigen, senkrechtgestellten goldenen Knopf, der in zwei dreieckigen Schilden als schmelzfarbene Wappenbilder den einköpfigen schwarzen Adler und den böhmischen Löwen zeigt. Die Scheide ist von Goldblech, mit Filigranarbeit, Perlenreifen und Schmelzzierat reich geschmückt.

13. Zu erwähnen sind ferner ein Reliquienkästchen, mit allegorischen Zenen der Jagd und des Fischfanges, übrigens mehrfach restauriert, in seiner ursprünglichen Gestalt wohl aus dem 7. Jahrhundert stammend, und endlich

14. das Evangelienbuch, Evangelistarium, das im Grabe Karls des Grossen gefunden worden sein soll. Das Buch mag der angegebenen Zeit entstammen, sein gegenwärtiger Einband jedoch gehört dem 15. Jahrhundert an.

Die Krönungsfeier selbst geschah nach J. Römer-Büchner (Wahl und Krönung der deutschen Kaiser) unter folgenden Massnahmen:

»Nachdem die Salbung vollzogen war, wurde der Kaiser von den Kurfürsten oder deren Stellvertretern in das Wahlkonklave geführt. Der Kurfürst von Mainz blieb beim Altar zurück. Hierbei trugen die Reichserzämter die Insignien vor dem Kaiser her. In der Kapelle angelangt, überreichten die Abgeordneten von Nürnberg die Strümpfe und Schuhe. Der kurbrandenburgische Gesandte legte ihm das lange Unterkleid, das Oberkleid und die Stola an, letztere so um den Hals ordnend, dass deren beide Hälften vorn, über der Brust, einander kreuzten, worauf ihm die nürnbergischen Gesandten die Strümpfe und Schuhe anzogen. So bekleidet schritt der Kaiser, begleitet von dem Wahlgefolge, wiederum in die Kirche[552] zurück, sich abermals vor den Altar begebend. Inzwischen der hier abgehaltenen Feier, und zwar zunächst nach mehrfachem Gebet, nahmen die Kurfürsten von Trier und Köln vom Altar das ›Schwert Karls des Grossen‹, entblössten es von seiner Scheide und übergaben es dem Kaiser. Sodann, als der Konsekrator die darauf bezüglichen Worte gesprochen, behändigte der Kaiser das Schwert dem kursächsichen Gesandten, welcher es in die Scheide steckte und nun im Verein mit dem kurböhmischen Gesandten den Kaiser damit umgürtete. Darnach nahm der Zeremoniarius von dem Altar einen kostbaren Ring, übergab diesen dem Konsekrator, der ihn, gleichfalls unter einer darauf bezüglichen Ansprache, dem Kaiser an den Finger steckte. Von derartigen Ansprachen begleitet empfing der Kaiser hierauf, zuvörderst durch Vermittelung von zwei Assistenten und des Zeremoniarius, abermals durch den Konsekrator, das Zepter und den Reichsapfel. Und nachdem er bald danach das Zepter dem kurbrandenburgischen, den Reichsapfel den kurpfälzischen Gesandten feierlichst eingehändigt hatte, ward ihm von dem kurbrandenburgischen Gesandten und den Abgeordneten von Nürnberg der kostbare Mantel umgehängt, sodann von dem Kurfürsten von Trier, unter Beistand des Konsekrators, die königliche Krone aufgesetzt, schliesslich ihm auf das Evangelienbuch der kaiserliche Eid abgenommen.« Nach Weiss, Kostümkunde.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 549-553.
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