[554] Kupferstechkunst.
Beinahe zur gleichen Zeit, als der Holzschnitt in deutschen Landen aufkam und anfing, die grössten Künstler zu beschäftigen, erstand auch sein zarterer Zwillingsbruder, der Kupferstich, welcher gleich jenem berufen war, der zeichnenden Kunst zu jener Verbreitung und Popularität zu verhelfen, deren dieselbe sich seit Beginn des 15. Jahrhunderts zu erfreuen anfing. Den Holzschnitt sehen wir aus rohen, unbeholfenen Anfängen entstehen und können ihn als ein wahres Kind des Volkes betrachten, welches seinen, anfangs bloss durch Umrisslinien hergestellten kindlichnaiven Zeichnungen durch buntfarbige Übermalung zu Hilfe zu kommen sucht. Nicht so der Kupferstich. Aus einer bereits entwickelten Kunst ging er als ein Nebenprodukt, als ein ursprünglich gar nicht beabsichtigtes Resultat hervor. Es war die Goldschmiedekunst, welche uns mit der höchsten unter den reproduzierenden zeichnenden Künsten beschenkte. Schon durch verschiedene ihren Zwecken dienende Arten der Technik, wie Email und Niello war dieselbe in nahe Beziehung zur Malerei getreten, und zahlreiche Bildhauer und Maler, darunter solche mit stolzen Namen, waren aus der Goldschmiedewerkstätte hervorgegangen. Seit den ältesten Zeiten hatte die Goldschmiedekunst Zeichnungen in Metallplatten graviert und die eingegrabenen Linien zu deutlicherer Betonung mit einem schwarzen Schmelzfuss, dem sog. Nigellum ausgefüllt. Nach langer Vergessenheit war diese Technik im 15. Jahrhundert wieder sehr in Aufschwung gekommen. Es lag aber nun nahe, dass die Goldschmiede, welche dergleichen Niellen anfertigten, sich vor Aufschmelzen des Niello eine Vorstellung der fertigen Zeichnung zu machen wünschten. Das führte auf den Gedanken, vor Einlassen des Nigellum von der gravierten Platte Abdrücke auf Papier zu nehmen. Damit war der Kupferstich in seinen Grundzügen erfunden.
Der Unterschied, welcher zwischen Holzschnitt und Kupferstich liegt, erhellt daraus klar. Während dort die abzudruckende Zeichnung erhaben stehen bleibt, zeigt die Kupferplatte die Zeichnung vertieft. Die Farbe muss hier in die Vertiefungen eingreifen und von diesen aus auf das Papier übertragen werden, nachdem von der, ohnehin blank polierten und somit für die Annahme der fettigen Farbe ungeeigneten, nicht vertieften Oberfläche jede Spur von Schwärze entfernt worden ist.
Zum Eingraben der Zeichnung bediente sich der Kupferstecher entweder allein seiner Werkzeuge (Nadel, Stichel u.s.w.) eigentlicher Kupferstich oder ausser denselben auch eines chemischen Mittels, des Ätzwassers Radierung. Der eigentliche Kupferstich ist die ältere Methode; dieselbe wird entweder als Kartonstich so ausgeführt, dass der Unterschied zwischen starken und schwachen Schatten durch die grössere oder geringere Breite der Linien erreicht wird, oder als farbiger Stich, so dass die Schattierung durch Kreuzlagen der Striche erreicht wird, wobei man sich nicht auf zwei Strichlagen beschränkt, auch wohl die Zwischenräume mit Punkten ausfüllt oder stellenweise ganz mit Punkten arbeitet, Mittel, durch deren grössere Mannigfaltigkeit eine farbige Wirkung hervorgebracht werden kann.
Viel häufiger als den Stich haben die Maler von jeher die Radierung geübt. Hierbei überzieht man die ganze zu bearbeitende Platte mit dem sog. Ätzgrunde, welcher, da er vom Ätzwasser nicht angegriffen wird, die Oberfläche der Platte schützt, und nimmt diesen Grund[554] darauf mittelst der Radiernadel, des Schabeisens u.s.w. da wieder fort, wo die Zeichnung erscheinen und das Ätzwasser einwirken soll. Eine Abart des Kupferstiches ist die »schwarze Kunst« oder die Schabmanier, bei welcher aus dem mit dem sogenannten Granierstahl aufgerauhten Grunde der Platte die mehr oder weniger lichten Partien herausgeschabt werden; eine Abart des Ätzverfahrens sind die verschiedenen Aquatintamanieren, bei welchen die Grundlage Schatten ist, aus dem das Licht herausgearbeitet werden muss, und der Kreidestich, welcher eine Zeichnung hervorbringt, die der Kreidezeichnung ähnlich ist.
Über die Priorität der Erfindung des Kupferstiches ist viel gestritten worden; nachdem dieselbe zuerst den Italienern zugesprochen worden war, wo der Goldschmied Maso Finiguerra nach Vasaris Bericht um 1460 zuerst Abdrücke solcher Art gemacht haben soll, hat sich durch weitere Forschungen herausgestellt, dass die grössere Wahrscheinlichkeit für Deutschland spricht. Abgesehen von deutschen Niellen (Metallplatten), die in der Zeichnung ganz deutlich den Charakter der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zeigen, besitzt man einen Abdruck eines oberdeutschen Meisters mit der Jahrzahl mcccclvl (1446), die Geisselung Christi darstellend. Diesem Kupferstecher ist ein anderer Meister mit dem Monogramm P, dessen von vier Engelchören umgebene Virgo immaculata vom Jahre 1451 datiert ist, schon bedeutend in Technik und Zeichnung überlegen. Aus dem Jahre 1457 besitzen wir eine aus 27 Blättern bestehende Passion. Auf der Darstellung des Abendmahls findet sich die Jahresangabe im »LVII Jor.« Im 7. Jahrzehnt sehen wir bereits zwei Schulen sich bilden, eine niederländische und eine oberdeutsche. Die erstere gruppiert sich um den (in Ermangelung seines Namens mit der Jahrzahl benannten) Meister von 1464, den man auch nach den bei ihm häufig vorkommenden Spruchbändern le maître aux banderolles genannt hat. Seine Kompositionen sind voll Phantasie, deren Entfaltung nur durch die mangelhafte Technik gehemmt ist, und zeigen starke Umrisse und bereits feine Schraffierung in Kreuzlage. Die andere Schule hat in dem Meister ES von 1466, von dem man nebst vielen anderen Stichen eine Darstellung der »engelwiche zu unserer lieben frouwen zu den einsiedlen« besitzt, ihr Haupt. Der Meister ES scheint eine grosse Zahl von Schülern gehabt zu haben, deren bedeutendste der Meister von der tiburtinischen Sibylle und der Meister vom Kartenspiel sind. Dem Charakter der Zeichnung nach zu schliessen, standen die bisherigen Kupferstecher kaum in unmittelbarer Beziehung zur Malerei, die Mehrzahl waren Goldschmiede. Nunmehr tritt aber ein Künstler der Kupferstechkunst auf, der zugleich ein bedeutender Maler war: Martin Schongauer. Er führt den Stichel schon mit vollendeter freier Meisterschaft. Von Arbeiten seiner Hand oder aus seiner Werkstatt kennt man 139, darunter verschiedene Wiederholungen in Silber graviert. Dazu Fig. 83 Christus am Kreuz, von Martin Schongauer (Kunsthist. Bilderbogen). Zu Schongauers Schule gehören: Der Meister B S (Barthel Schön), Albrecht Glockendon, Wolf Hammer, Wenzel von Olmütz und Uras Gemberlein. Neben Schongauer waren gegen. Ende des 15. Jahrhunderts noch in Oberdeutschland thätig der berühmte Bildhauer Veit Stoss und der geschickte Kupferstecher Nicolaus Alexander Mair von Landshut, welcher besonders dadurch merkwürdig ist, dass er mitunter Abdrücke von seinen Platten auf bräunlichem und grünlichgrauem Papier nahm und die Lichter mit Weiss[556] oder mit Gelb höhte. Wahrscheinlich gab Mair durch diese Behandlung des Kupferstiches den ersten Anstoss zu dem in der Holzschneidekunst, nachweisbar seit 1506 so oft zur Anwendung gekommenen Chiaroscuro. Um dieselbe Zeit finden wir in Westfalen den geschickten Kupferstecher Franz von Bocholt und »Israhel von Meckenen, Goldsmit«, wie er sich selbst bezeichnet und dessen zahlreiche Arbeiten meist Nachstiche nach anderen Meistern, namentlich nach Schongauer sind.
So wird im 16. Jahrhundert der Kupferstich eine selbständige Kunst und erreicht unter der Führung der grössten Maler der Zeit eine hohe Stufe der Vollendung, um noch im selben Jahrhundert einerseits einem gewissen Virtuosentum und der Manieriertheit anheimzufallen, andererseits durch Kleinmeister und Ornamentisten wieder in nahe Beziehung zur Goldschmiedekunst und anderer Kunsthandwerke zu treten. Vor allen anderen Städten war es jetzt Nürnberg, welches für die Entwicklung der Kupferstechkunst der kommenden Jahrzehnte das entscheidende Wort zu sprechen begann. Es war die geniale Künstlernatur des Albrecht Dürer, welche die aufgekeimte Blüte zur Frucht entfalten sollte. Nirgends erscheint Dürer gerade in seinen malerischen Eigenschaften so vollkommen, wie in den Kupferstichblättern, in welchen er das von früheren Meistern, namentlich von Schongauer Begonnene zur höchsten Vollendung bringt. Wenn auch nach Seite der formalen Schönheit Schongauer von ihm keineswegs überragt wird, so bestehen doch die Werke keines früheren Meisters neben den seinigen in der Kraft der Charakteristik, der Wahrheit des Ausdrucks und der strengen Zeichnung. Mit Freiheit und Sicherheit führt er den Grabstichel wie die Radiernadel, und versteht es, durch die Zartheit feiner Strichlagen, durch eine künstlerische Vollendung der Linienmanier und eine meisterhafte Behandlung des Übergangs von Hell ins Dunkle seinen Werken eine echt malerische Wirkung zu verleihen. Aus der reichen Zahl seiner Arbeiten mögen hervorgehoben werden: die vier Hexen, Adam und Eva, der heilige Hieronymus, der heilige Eustachius, die Eifersucht, die Nemesis, die Porträts von Albrecht von Brandenburg und Erasmus.
Auch sein Lehrer, Michael Wohlgemuth, hat zahlreiche Stiche hinterlassen, welche zwar von anderen, da das Monogramm W beide Deutungen zulässt, dem Wenzel von Olmütz zugeteilt werden.
Unter den Zeitgenossen Dürers finden wir den Goldschmied Kunz und den Jacob Walch, von dem Dürer die Anregung zum Studium der Proportionslehre empfing, den Sebald Lautensack und den ungewöhnlich vielseitigen Augustin Hirschvogel, der Ansichten von Österreich, Ungarn und Siebenbürgen radierte.
In Augsburg zeichnen sich Hans Burgkmair, Heinrich Vogtheer, Alexander Mair u.s.w. aus, in Regensburg namentlich der ungemein fruchtbare Albrecht Altdorfer, welchen die Franzosen den kleinen Albrecht Dürer, den »petit Albert« nannten. Seine Stiche sind besonders beachtenswert wegen der künstlerischen Behandlung des Landschaftlichen und der Architektur.
Unter den Künstlern Oberdeutschlands scheint das Ätzen nicht weniger Anklang gefunden zu haben. Wir begegnen dort Hans Baldung Grien, Christoph Stimmer, Abel Stymer, Urs Graf u.s.w. Namentlich nützte Jost Ammann, geb. 1539 in Zürich, sein ungewöhnlich reiches und bewegliches Talent durch übermässige und rasche Produktion für den Tagesbedarf aus. Es sind von ihm noch 340 Radierungen erhalten.[557]
Der Hauptmeister der fränkisch-sächsischen Schule, Lucas Cranach, brachte es in der Kupferstechkunst nicht so weit, wie im Holzschnitt. Seine Stiche, meist Porträts, sind flüchtig und unrein.
Stichel und Radiernadel mussten aber namentlich den sogenannten Kleinmeistern, welche sich den grossen Aufgaben der Kunst nicht gewachsen fühlten, während ihr Reichtum an Phantasie sie fortwährend zum Produzieren antrieb, willkommene Werkzeuge sein.
Unter dieselben gehören eine Reihe Schüler Dürer's, wie Barthel und Sebald Beham, von ihm Fig. 84 Tanzende Bauern (Kunsthist. Bilderbogen), Aldegrever, Pencz, ferner eine Gruppe von Nürnberger Künstlern, welchen wir eine Fülle von interessanten figuralen Darstellungen und namentlich auch von Entwürfen für alle Zweige der ornamentalen Kunst verdanken: eine unerschöpfliche Fundgrube für die Industrie unserer Zeit.
In den zwei folgenden Jahrhunderten, im 17. und 18., fanden die talentvollen Kupferstecher in der Heimat, welche, der Kriegsschauplatz für ganz Europa geworden verwüstet und verarmt war, keinen Boden für ihre Thätigkeit; sie zogen ausser Landes nach Italien, Frankreich und England.
Die Zahl der in dieser Zeit produzierten Kupferstiche ist zwar immerhin noch bedeutend, allein die Radierung wurde meist von untergeordneten Stechern oder Ornamentisten gepflegt.
Von den Künstlern des 18. Jahrhunderts finden wir die zwei berühmtesten in Paris, den Friedrich Schmidt und den Joh. Wille, welche allerdings ihre Virtuosität auf Kosten der Wahrheit leuchten liessen. Eine der interessantesten Erscheinungen dieser Zeit ist Daniel Nik. Chodowieki, geb. 1726 zu Danzig, welcher sich vorzugsweise dem Radieren kleiner Kompositionen, wie Vignetten, Illustrationen u.s.w., widmete, deren er über 3000 geliefert hat.
Der Idyllendichter Gessner aus Zürich (173082) hat sich als Radierer von romantischen Landschaften und Vignetten zu seinen Dichtungen einen dauernderen Namen erworben als durch letztere selbst.[558] Mehrere Kupferstecher lieferte die seit Mitte des 17. Jahrhunderts in Nürnberg angesiedelte Künstlerfamilie Preissler.
In den Niederlanden steht an der Spitze der Kupferstecher des 16. Jahrhunderts Lucas van Leyden, welcher sich, anfangs beeinflusst von der van Eyk'schen Schule, während der zweiten Periode seines kurzen Lebens in der Komposition dem nationalen Hang zur realistischen Auffassung und Darstellung völlig hingiebt und gleichzeitig die Stecherkunst durch Einführung der Luftperspektive (kräftigere Behandlung der Vordergründe, leichtere der entfernten Gegenstände) einen bedeutenden Schritt vorwärts bringt. Schüler im eigentlichsten Sinne scheint Lucas van Leyden keine gehabt zu haben, doch ist sein Einfluss auf eine grosse Zahl von niederländischen Kupferstechern des 16. Jahrhunderts nicht zu verkennen.
Die von vielen niederländischen Künstlern angestrebte Vermittelung zwischen italienischem und niederländischem Kunstcharakter glücklich in der Technik des Stiches zustande gebracht zu haben, ist das Verdienst des Cornelius Cort, geb. 1533. Er that den ersten Schritt zur verschiedenartigen Charakteristik der Stoffe und der Farben. In seiner Schule wurzelt die Entwickelung des Kupferstichs des folgenden Jahrhunderts. Am energischsten ging auf dem von Cort gewiesenen Wege Hendrick Goltzius aus Mülbrack vorwärts, z.B. in den sogenannten sechs »Meisterwerken«, Nachbildungen nach Rafael, Dürer, Lucas van Leyden u.s.w. Zugleich bereitete er aber mit dem Verzichten auf schöpferische Thätigkeit und Sichanschmiegen an Maler die letzte Phase des Kupferstichs, nämlich die der lediglich reproduzierenden Kunst, vor. An Groltzius reihen sich eine grosse Menge Kupferstecher, hauptsächlich Ornamentisten an. Die Nachblüte der Renaissance in den Niederlanden brachte auch die Kunst des Kupferstichs wieder zu neuem Glanze. In Flandern und Brabant um Rubens, in Holland um Rembrandt gruppieren sich zahlreiche Künstler, welche mit Stichel und Nadel völlige Farbenwirkung erzielen. Vor allem gelangte die Radierung zu einer bis dahin nicht geahnten Bedeutung. Unter den Landschaftern und Tiermalern sind besonders Paulus Potter, Philip Wouwermann, Jacob Ruysdal, namentlich aber Antoni Waterloo hervorzuheben. Einer der fruchtbarsten Stecher des 17. Jahrhunderts war Roman Hooghe aus dem Haag, der als entschiedener Anhänger der oranischen Partei dieser in den bürgerlichen Wirren mit seiner Radiernadel diente. Zu gleicher Zeit entspann sich ein reger künstlerischer Verkehr mit Frankreich. Verschiedene Stecher siedelten nach Paris über. In den Niederlanden aber entartete der Kupferstich im 18. Jahrhundertrasch zur geschickten Fabrikarbeit.
In Italien wurde der Kupferstich durch deutsche Arbeiter, oder, wie Vasari will, durch den Niellisten Maso Finiguerra angeregt. Die ersten nachweisbaren Stiche verfertigte Baccio Baldini. Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts beschäftigt der Kupferstich schon viele Hände in Florenz, wie Antonio del Pallajuolo, Andrea de Verachio, Filippo Lippi, Gherardo u.s.w. In Oberitalien bürgerte der grosse Meister der Schule von Padua: Andrea Montegna den Kupferstich ein. Seine Stechweise ist hart, die Umrisse treten stark hervor, die Schattenstriche sind kurz. Äusserst fein ausgeführt, Silberstiftzeichnungen gleichend, sind die Stiche, welche uns Martinio da Udine, genannt Pellegrino, hinterlassen hat. In Cremona, in Modena, in Bologna, in Padua, in Mailand, überall blühte die Kupferstechkunst auf, am letzten Ort als ersten Jünger den berühmten Bramante beschäftigend.[559] Von Bologna nahm der Begründer der römischen Stecherschule, Marc Antonio, seinen Ausgang, der nach Michelangelo, Dürer, besonders aber nach Raphael gestochen hat. Seine Meisterschaft in der Führung des Stichels versammelte um ihn zahlreiche Schüler, sogar aus Deutschland und Frankreich. Derjenige Schüler, der neben dem Meister am meisten zur Ausbreitung der römischen Schule beigetragen, ist Giulio Romano, um welchen sich in Mantua zahlreiche Stecher gruppieren. Auf die weitere Entwickelung der Kupferstechkunst hatte die Schule von Bologna einen um so unmittelbareren Einfluss, als eines der Häupter derselben, Agostino Caracci (1558 bis 1601), selbst in dieser Kunst sein Bestes leistete. Einer seiner Hauptschüler ist Guido Reni. Glänzende Vertreter der Ätzkunst hat Neapel in Ribera und Rosa. Das 18. Jahrhundert zeigt uns in Venedig einige in ihrem Genre hervorragende Künstler und in Rom einen grossen Kreis strebsamer und für ihre Zeit Bedeutendes leistender Stecher.
In Frankreich hat die Kupferstechkunst erst spät Wurzel geschlagen und ist von den Nachbarländern hineingetragen worden. Französische Stecher finden wir erst seit dem dritten Decennium des 16. Jahrhunderts und als ersten einen Noel Garnier, der Kopien nach deutschen und italienischen Meistern anfertigte. Dadurch, dass Franz I. sein Schloss Fontainebleau durch die italienischen Meister Rosso de Rossi und Primalicaro dekorieren liess, bildete sich dort eine italienische Schule, welche lange Zeit im Lande fortwirkte. Dem Zeitalter Ludwig's geben Vouet und Callot im Kupferstich die Signatur. Die Radierung brachte der geist- und phantasievolle Jacques Callot in Frankreich auf. Ludwig XV. befreite die Kupferstechkunst aus den Banden des Zunftzwanges. Dadurch nahm dieselbe aber gleich den anderen freien Künsten den Charakter des äusserlich Pomphaften und Pathetischen an; besonders aber nahm das Porträt die Thätigkeit der Stecher immer mehr in Anspruch. Ein Meister von erstaunlicher Vielseitigkeit aus dieser Zeit ist Jean le Poutre. Unter Ludwig XV. endlich eignete sich der Kupferstich den tändelnden, bald ausgelassenen, leichtfertigen, bald lüsternen Ton der Malerei an. Die Historie wurde zum Genre, an die Stelle des Pathos trat eine mehr oder weniger gemachte Naivität, der strengen folgte eine koquette, zierliche und weichliche Manier, und der Vignettenstich, welcher in der vorigen Periode begonnen hatte, bildete sich zu einem eigenen einflussreichen Kunstzweig aus.
In Spanien kommt der Kupferstich fast gar nicht vor, ebensowenig in Portugal. Gleich dem Formschnitt hat sich auch der Kupferstich in England erst spät so weit entwickelt, um Kunst genannt werden zu können, und es ist bezeichnend, dass die neueren Methoden, die Schabmanier und der Stahlstich, nirgends so beliebt gewesen sind als dort. Im eigentlichen Stich haben die Engländer wie in der Malerei ihr Bestes im Porträt geleistet, während seit Hollar und später Hogarth die Radierung vielfach und oft in origineller Weise geübt wurde. Nach Bruno Bucher, Geschichte der technischen Künste; Lübke, Grundriss zur Kunstgeschichte.
A. H.
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