[636] Markgraf. Karl der Grosse war[636] es, der denjenigen Grenzbezirken des Reiches, welche ursprünglich nicht zum Reiche gehörten, sondern den Nachbarn abgenommen waren, zur Wahrnehmung feindlicher oder friedlicher Beziehungen zu jenen, eine besondere Organisation gab; der Vorsteher dieser bald grösseren, bald kleineren Bezirke oder Marken hiess Graf, oder zur Unterscheidung von den übrigen Gauvorstehern, vor denen er durch Ansehen und Bedeutung hervorragte, Markgraf, marchio, comes marchae. Unter Karl und seinen nächsten Nachfolgern werden erwähnt die Hispanische, Britannische, Sächsische oder Dänische, Sorbische, Avarische oder Pannonische und die Friaulische Mark, alles Gebiete, die sich an die grossen Stammgebiete Bayern, Thüringen und Sachsen angeschlossen. Seit dem 11. Jahrhundert nahmen auch solche Fürstenhäuser den Markgrafentitel an, welche bloss in der Verwandtschaft wirklicher Markgrafen standen. Wie die Grafen überhaupt, so benannten sich auch die Markgrafen später gern nach ihren Besitzungen oder Schlössern, die zum Teil gar nicht in ihrer Mark lagen. Mit der eigentlichen Mark war regelmässig eine oder die andere Grafschaft in einem Grenzgau verbunden. Im ganzen besassen die Markgrafen dieselben Rechte und waren denselben Verpflichtungen wie die Grafen unterworfen; doch entwickelten sie sich zum Teil für die territoriale Landeshoheit günstiger als jene. »Es waren«, sagt Waitz, Verf.-Gesch., VII., S. 93, »ausgedehntere Gebiete, an Umfang den gewöhnlichen Grafschaften weit überlegen; als neu gewonnene Lande mit einer zum Teil von Anfang an abhängigen Bevölkerung der Gewalt der Markgrafen völliger unterworfen; die sich bildende Ritterschaft überwiegend aus Ministerialen hervorgehend und so auch zu stärkerem Dienst verpflichtet; die geistlichen Stifter, selbst die hier begründeten Bistümer, wie Meissen, Brandenburg, Havelberg, nicht mit so ausgedehnten Privilegien ausgestattet, wie andere im Reich, sie und ihre Güter nicht ganz der Einwirkung der Markgrafen entzogen; die Städte meist von diesen begründet und mit Freiheiten bedacht. Daher kam es hier nicht zu einer solchen Auflösung des Amtsgebiets, wie sie sich in den alten Provinzen des Reichs geltend gemacht hat. Die Gewalt der Markgrafen, fester begründet und zusammengehalten als die der meisten andern Würdenträger des Reichs, gab den im erblichen Besitz bleibenden Häusern eine Bedeutung, die nur wuchs, je mehr auch die alten Herzogtümer der Auflösung anheimfielen. Das erklärt, warum die Marken, vor allem Österreich, Meissen und, wie später die Nordmark hiess, Brandenburg, unter den deutschen Fürstentümern eine so hervorragende Stellung gewannen, unter den territorialen Bildungen fast den ersten Platz einnahmen.«