[647] Miniaturmalerei. Unter Miniatur versteht man die Ausschmückung geschriebener, nicht gedruckter Bücher, durch Bilder, Randzeichnungen, Zierbuchstaben. Die Miniatur steht deshalb im engsten Zusammenhange mit der Kalligraphie. Der Ausdruck »miniatur« stammt von minium (ahd. minig), einer roten Farbe, welche die mittelalterlichen Maler meist aus Bleiglätte herstellten und zur Verzierung der grossen Buchstaben oder zur Bezeichnung[647] von Wangen und Lippen oder auch der Gewänder der menschlichen Gestalten anwandten. Die Technik der Miniaturmalerei ist je nach der Zeit verschieden. Die ältesten bekannten Miniaturen scheinen in der Wachsmalerei ausgeführt zu sein, wobei die Farben, mit einer zusammengeschmolzenen Mischung von Wachs, Lauge und Leim versetzt, heiss aufgetragen und nachträglich geglättet wurden. Später wurden die Farben in der Regel mit Eiweiss, Eigelb oder Leim angemacht. Das Gold wurde bald als Blattgold, bald mit dem Pinsel aufgetragen. Im ersteren Falle bildet es in der Regel den Grund der Malerei. Man schrieb und malte auf Pergament oder Baumwollenpapier. Ersteres bereiteten die Mönche selbst aus Schafs- oder Kalbshaut, letzteres (pergamena graeca, carta bambagnia) wurde aus dem Orient bezogen. Die Vorbereitungen zum Malen waren mannigfach. Vorerst wurde das Pergament mit dem Staub von Tintenfischknochen grundiert, dann mit einem Zahnrade die Abstände der Schriftlinien festgestellt. Zum Entwerfen der Zeichnung bediente man sich eines Silberstiftes oder einer Mischung aus zwei Teilen Blei und einem Teil Zinn. Mit Kielfeder und Tinte, einer Mischung von Lampenruss und Gummi, zog man die Umrisse nach, mit dem Pinsel von Eichhörnchenhaaren und verdünnter Tinte wurden die Schatten angelegt. Den Grund, sofern er nicht weiss gelassen wurde, färbte man oft purpurrot, seltener grün oder blau. War die Schrift und Malerei fertig aufgetragen, so glättete man die Fläche mit dem Brunierstein oder Brunierzahn (Zähne von fleischfressenden Tieren oder Edelsteine: »je edler, desto besser«). Den Schreibern (scriptores et pictores) war im Kloster ein eigener abgetrennter Raum, das Scriptorium, vorbehalten; entweder lag ihnen ein Original vor oder der Armarius diktierte. Was geschrieben werden sollte, bestimmte der Abt.
Dass schon bei den Alten das Illustrieren von Handschriften durch bildliche Darstellungen vorgekommen ist, wissen wir aus der Erzählung des Plinius von den griechischen Ärzten Cratenas, Dionysius und Metrodorus, welche ihren Abhandlungen über die Eigenschaften der Pflanzen deren Abbildungen beifügten. Ähnlich begann man früh schon die heiligen Schriften der Christen, vornehmlich die des alten Testaments auszuschmücken; ähnliche Werke byzantinischen Stiles aus dem ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung sind zahlreich vorhanden.
Während im byzantischen Reiche die Miniatur ursprünglich Gemälde, den Büchern eingefügt, war und erst im Laufe der Zeit die Ornamentation der Schriftzüge selbst hinzukam, nahm die Sache im Abendlande den umgekehrten Verlauf. Den Mönchen kam es vor allem darauf an, durch Abschreiben ihre Klöster in den Besitz der heiligen Bücher zu bringen. Nach und nach erst kamen die Schreibkünstler dazu, durch grössere, verzierte Anfangsbuchstaben ihre Schrift auszuzeichnen. Kunstwerke früherer Epochen standen ihnen nicht zu Gebote, deshalb mussten die Tier- und Pflanzenformen ihrer unmittelbaren Umgebung ihnen die Vorbilder liefern. Aus der Kalligraphie ging aber zugleich eine streng ornamentale Malerei hervor. Die Zeichner hatten kaum die Absicht, die Vögel, Fische, Schlangen, Blätter und Blütenzweige naturgetreu wiederzugeben, selbst die menschliche Gestalt musste sich die freieste Behandlung und die Umwandlung zum Ornament gefallen lassen.
Irland ist die Heimat dieser frühesten abendländischen Malerei, und es ist wahrscheinlich, dass der Stil und die Malertechnik von[648] Alexandria aus nach Irland durch Einwandern ägyptischer Mönche gekommen und von der keltischen Bevölkerung später eigentümlich fortgebildet worden ist. Von den irischen Klöstern ist diese Ornamentation zuförderst auf englische übergegangen. Ein charakteristischer Zug der irischen Manuskripte besteht darin, dass die Buchstaben der ersten Zeile eines Abschnittes viel grösseres Format haben als die übrigen. Zudem überragt der eigentliche Initiale seine Nebenmänner um ein bedeutendes. Auf die erste Zeile pflegen sich auch die Zierraten zu beschränken. Säume von roten Tupfen um die Initialen sind die ersten schlichten Versuche, malerischen Schmuck anzubringen. Dann wird der Körper der mit schwarzer Tusche ausgeführten Buchstaben mit einem verschlungenen Linienornament in weisser Farbe ausgestattet, die einzelnen. Balken der Buchstaben erhalten Köpfe von Vögeln oder Reptilien; in den Winkeln und sonstigen Zwischenräumen siedeln sich Vögel, Schlangen, Drachen u. dgl. an, umgeben von oder verflochten mit dem auf das sinnreichste geführten Band- oder Riemenwerk. Die Farben sind mit starken Bindemitteln angemacht und dadurch vor dem Verblassen geschützt. Als Boten des Christentums bereisten diese Irländer nachmals das ganze Europa; mit ihnen zog zugleich ihre Schreib- und Illuminierkunst in die Welt hinaus. Die umfassendste Arbeit über die Miniaturen dieser Schule hat J.O. Westwood in seinem Werke: Facsimiles of the miniatures and ornaments of Anglo Saxon and Irish manuscripts geliefert, auf welches Werk verwiesen sei. Einen grossen Schatz altirischer Manuskripte besitzt die Bibliothek des ehemaligen Klosters zu St. Gallen (siehe Rahn: Das Psalterium Aureum von St. Gallen 1878). In den noch zahlreich erhaltenen Werken der späteren Zeit zeigt sich oft eine sonderbare Verschmelzung des irischen Stils mit dem byzantinischen, so im Evangeliarium der Trierer Dombibliothek und in demjenigen der Bibliothek zu Boulogne. Die Zeichnung der Figuren ist durchgängig besser, das Ornament dagegen weniger zierlich; die spezifischen Elemente desselben, die Kombination von Linien, Winkeln, Spiralen, Riemen u.s.w. verschwinden nach und nach gänzlich. Fig. 96.
Von den Bewohnern des Festlandes scheinen besonders die aus Tieren zusammengesetzten Buchstaben mit Begier aufgegriffen worden zu sein. Zeugnisse hierfür besitzen die Bibliotheken zu Laon, Stuttgart, München, St. Gallen und Paris. In den Ländern Nordeuropas datieren die ältesten Denkmäler aus der Zeit Karls des Grossen. Altchristliche, noch von antiker Tradition lebende und byzantinische Vorbilder und häufig auch der Einfluss, der aus Irland gekommenen Mönche lassen sich in den noch höchst unbeholfenen Zeichnungen erkennen.
Die Farben selbst gewinnen eine feste symbolische Bedeutung. Bei ihrer Verteilung leitet mehr ein allgemeines Gesetz der Harmonie als die Rücksicht auf die Natur, und es ist nicht selten, dass Haare und Bart grün oder blau gefärbt[649] sind, wenn es gerade passt. Als das älteste Werk der karolingischen Epoche gilt das Evangelistarium des Godeslac, welches auf Befehl Karls des Grossen angefertigt wurde. Mit dem grössten Luxus ausgestattet, erscheint die Schrift in Gold und Silber auf purpurfarbigem Pergament. Fig. 97. Zu grosser Selbständigkeit erheben sich die Miniaturen des 9. Jahrhunderts. Bisher bewegten sich die Künstler innerhalb eines sehr engen Kreises der Darstellungen, nun aber unternehmen sie es, die im Text erzählten Vorgänge bildlich wiederzugeben, anfänglich in kleinen Zeichnungen, welchen die Initialen als Rahmen dienten, nach her als freie Komposition in grossen Bildern. Auch die Farbengebung wird weniger hart; der Maler bemüht sich zu modellieren, zum Teil nach dem Vorbild der Byzantiner mit grünlichen Schatten, zum Teil aber auch nach der Natur mit eigentümlicher Anwendung goldener Lichter in den Gewändern. Hierher gehört nebst anderen die Wessobrunner Handschrift (Hofbibliothek München), das Evangeliarium Lothars und die Bibel Karls des Kahlen, das reichste aller dieser Werke.
Auch in der Folgezeit, der romanischen, verleugnet die Miniaturmalerei keineswegs die Anlehnung an die Antike, wie sie durch die altchristliche Kunst überliefert war. Indessen geht die Pflege der Kunst mit dem Erlöschen der karolingischen Herrschaft von Frankreich auf Deutschland über. Die Künstler sind nach wie vor Klostergeistliche, aber Auge und Hand der deutschen Maler erweist sich noch als ungeübter und ungelenker, und das Bestreben, mit der Tradition die Anschauung der Natur zu verbinden, Bewegung und Ausdruck in die Zeichnung zu legen, verleiten dieselben zu Übertreibungen und Verzerrungen. Die Gesichter erhalten eine fahle, selbst grünliche Farbe, die im Verein mit dem Hageren, Eingefallenen, den langgestreckten Gestalten und den leblos schematischen Gewändern diesen Arbeiten einen bei aller Farbenpracht doch tristen, abschrekkenden Ausdruck geben. Unter den Werken des 10. Jahrhunderts hat das Evangeliarium des Bischofs Egbert von Trier in der dortigen städtischen Bibliothek grosse Bedeutung. Die Evangelisten erscheinen auf violettem, goldverziertem Teppichgrund, grossartig feierlich in Haltung und Ausdruck. Der byzantinisierende Stil ist besonders ausgedrückt in den Miniaturen, welche Heinrich II. für das Domstift Bamberg anfertigen liess. Die Zeichnung ist konventionell, halbverstandenen Vorbildern ohne Rücksicht auf die Natur nachgeahmt. Im weiteren Verlauf des 11. Jahrhunderts bemächtigt sich eine manieristische Entartung des Stiles, die in seltsam verschrobenen Körperformen, wirren Gewandmotiven und oft in abstossender Hässlichkeit sich geltend macht[650] und den tiefsten Verfall der Kunst verrät. Fig. 98 (Kunsthist. Bilderbogen).
Von der Mitte des 12. Jahrhunderts an nimmt die Bildung eines selbständigen germanischen Stiles ihren Ausgang. Eine Kunst, welche in so inniger Beziehung zur Litteratur stand wie die Miniaturmalerei, konnte ja von dem Aufschwunge, welchen die Poesie in Deutschland nahm, nicht unberührt bleiben. Die heiligen Schriften gaben der Malerei nicht mehr allein Stoff und Anregung; Legenden, Heldengedichte, poetische Erzählungen, Tiersagen und Minnelieder eröffnen dem Künstler ganz neue Welten. Und mit den Gegenständen geht auch die Ausübung der Kunst aus dem ausschliesslichen Besitz der Geistlichen in Laienhände über. Die Tracht der Zeit spiegelt sich deutlich in den Malereien wieder; in Gesicht und Körperbildung weicht der byzantinische Typus mehr und mehr einem nationalen. Starke schwarze Umrisse werden auch jetzt noch beibehalten, wie auch die phantastischen Verschlingungen an irische Initialen erinnern; die Motive aber werden der Pflanzen- und Tierwelt entlehnt, und in den Zügen der grossen Buchstaben zeigt sich Sinn für Schwung der Linien. Eines der vorzüglichsten Werke dieser Epoche besass die Bibliothek zu Strassburg in dem »Hortus deliciarum«, welchen die Äbtissin Herrad von Landsberg 1175 geschrieben und mit zahlreichen Abbildungen versehen hat, denen ein vielfaches Eingehen auf Natur und Leben einen naiven Reiz verlieh. Von der freien, schwungvollen Phantastik, die in den Randverzierungen und Initialen ihr heiteres Spiel treibt, geben drei Passionale aus dem Kloster Zwiefalten (Bibliothek in Stuttgart) mehrfach glänzende Beispiele. Die Gestalten sind in roten und schwarzen Federzeichnungen, zum Teil auf farbigem Grund abgebildet, dabei sind die nackten Teile stets in roten Umrissen gehalten. Für das Studium des Zeitkostüms namentlich wichtig sind die Miniaturen zu Heinrich von Veldecks »Eneit« in der Bibliothek zu Berlin, insgemein ohne Ausmalung. Dieselbe Bibliothek besitzt eine aus dem 13. Jahrhundert datierende, in neugotischen Minuskeln geschriebene Kopie des Lebens der Maria von Werinher von Tegernsee. Umgekehrt erscheinen hier die Gewänder in roten, die nackten Teile in schwarzen Umrissen, nur die Unterlippen sind durch einen roten Strich, die Wangen durch rote Punkte bezeichnet.
Die französische Miniaturmalerei stand in der romanischen Epoche unter überwiegendem Einfluss des irisch-angelsächsischen Stils. Indessen wirkt der gotische Stil, der in Frankreich seine Heimat hat, hier früher und entschiedener auf die[651] Miniaturmalerei ein als in anderen Ländern. In der Kunst des »Illuminierens« waren die Pariser Künstler weit berühmt.
Vorerst beschränkte man sich in der gotischen Zeit auf schlichte Umrisszeichnungen; indessen vollzieht sich der Übergang vom Byzantinismus und Romanismus zu natürlicheren Bewegungen und zur Individualisierung der Köpfe allmählich. Die Mittel zum Ausdruck der Empfindungen sind noch äusserst beschränkt: Herabziehen der Mundwinkel für Schmerz etc. Die farbigen Bilder sind anfangs noch wirkliche Federzeichnungen, mit ungebrochenen Farben illuminiert; erst allmählich gelangen die Künstler selbständig wieder auf die Stufe, welche sie mit dem Aufgeben der byzantinischen Technik verlassen hatten; sie gebrauchten Mitteltöne und Übergänge zwischen Licht und Schatten. Das Streben nach Zierlichkeit und Anmut führt zu eigentümlich gewundenen Stellungen und Verdrehungen des menschlichen Körpers. Eines der liebenswürdigsten Beispiele dieser Art sind die Handschriften des Parcival Wolframs von Eschenbach und des Tristan Gottfrieds von Strassburg in der Bibliothek zu München, schwarze Federzeichnungen auf farbigem Grunde. Noch entschiedener geht der Weingartner Minnesänger-Kodex (Königliche Bibliothek in Stuttgart) und der Manessische (Bibliothek in Paris) auf den charakteristischen Schwung des gotischen Stiles ein. Dazu Fig. 99. Alle diese Miniaturen zu Profandichtungen werden aber überragt von den auf Gold- oder Tapetengrund ausgeführten illuminierten Federzeichnungen zu Wolframs von Eschenbach Ritterroman Wilhelm von Oranse, in der Bibliothek zu Kassel. Oft ohne jede nähere Beziehung zum Texte sind die Randzeichnungen, wie wir sie in Bibeln, Psaltern oder Evangelienbüchern finden, abenteuerliche Ungestalten aus Menschen- und Tierleibern zusammengesetzt, voll originellen, mitunter derben Humors mit sicherer Hand gezeichnet, sich auf Ranken und dergleichen tummelnd. Reich in dieser Beziehung ist eine Vulgata der öffentlichen Bibliothek zu Stuttgart. Auch in Böhmen entwickelt sich im Lauf des 13. Jahrhunderts eine verwandte Richtung, von der eine Bilderbibel in der Bibliothek des Fürsten Lobtowiz zu Prag zahlreiche Beispiele voll Leben und Originalität bietet.
Für die zweite Periode des gotischen Stiles ist charakteristisch, dass mehr und mehr an Stelle der kolorierten Federzeichnung die selbständige Malerei mit dem Pinsel tritt. Das Auge hatte sich geschärft in der Beobachtung der Natur; es fasste die Formen richtiger auf, und der Künstler fing an sich klar zu werden über die Bedingungen der körperlichen Erscheinung der Dinge. In der Zeichnung menschlicher Figuren verrät sich bereits ein genaues Studium der Köpfe und Hände, während es allerdings mit der Anatomie des übrigen Körpers noch übel bestellt ist. Der Faltenwurf der Kleider wird leichtfliessend, den Hintergrund bilden Architekturen oder sogar Landschaften, häufig indes Schachbrett- oder Teppichmuster.
Die französischen und burgundischen Fürsten besonders liessen sich die Pflege der Kalligraphie und Buchmalerei angelegen sein, und es waren namentlich niederländische Miniatoren die ausführenden Künstler. Für Deutschland kommt in dieser Periode ganz vorzüglich die böhmische Schule in Betracht. Wie Karl IV. war auch sein Sohn Wenzel wenigstens anfangs beflissen, die Kunst in Böhmen zu pflegen. Zahlreiche Handschriften, für die genannten Fürsten angefertigt, verraten[653] niederländischen oder französischen Einfluss. Als Werk eines böhmischen Künstlers und zwar des Leutpriesters von Landskron: Johannes von Troppau stellt sich ein Evangeliarium der Wiener Hofbibliothek dar. Für den König Wenzel angefertigt ist eine deutsche Bibelübersetzung, die Wenzelbibel, erhalten. Die fürstlich Lichtensteinische Bibliothek in Wien und das Stift Lilienfeld besitzen Exemplare einer Concordantia caritatis, welche erkennen lassen, dass an jedem Blatt fünf Künstlerhände beschäftigt gewesen sind, was auf eine gewisse fabrikmässige, eine grosse Nachfrage voraussetzende Produktion schliessen lässt.
Die englischen Miniaturen dieser Zeit pflegen sich von den französischen durch geringere Routine in der Zeichnung zu unterscheiden.
Die realistische, individualisierende Richtung in der Malerei, von den Brüdern van Eyck und der altflandrischen Schule weit über die Nachbarländer hinaus zur Herrschaft gebracht, fand auf dem Gebiete der Miniaturmalerei einen vorzüglich günstigen Boden. Die porträtmässige Behandlung der Figuren, das Streben nach Naturwahrheit sind von nun an hervorstechende Züge in der Miniaturmalerei. In einzelnen Werken dieser Zeit glaubt man die Hand der berühmtesten Meister der flandrischen Schule zu erkennen, wie die Brüder van Eyck selbst, namentlich aber deren Schwester Margaretha. Daneben werden die Malereien der für Philipp den Guten geschriebenen Histoire du royaume de Jherusalem, die Miniaturen im Gebetbuch Karl des Kühnen und Philipp des Guten, die Bilder der Geschichte des Hennegaus, diejenigen aus dem Breviarum des Kardinals Grimani etc. Rogier van der Weyden, Memling und Direk Stuerbot zugeschrieben. Zu den reichsten und schönsten Büchern dieser Epoche gehört das Gebetbuch der Maria von Burgund in der Wiener Hofbibliothek. Ebendaselbst befindet sich eine prachtvoll ausgestattete deutsche Übersetzung des Hortulus animae von Seb. Brant. Die Initialen in den niederländischen Manuskripten werden mit Vorliebe mit konventionell behandeltem Blattwerk behandelt, deren Zwischenräume mit prächtigen Blumen oder Früchten ausgefüllt oder mit farbenreichen Vögeln oder Insekten bevölkert werden. Deutsche Miniaturen um die Mitte des 15. Jahrhunderts zeigen meist noch die Nachwirkungen früherer Kunstweisen. Die Weichheit der Modellierung erinnert oft an den letzten Vertreter der altkölnischen Schule: Stephan Lochner, während in der Schönheit der Farben sich bereits der Einfluss der van Eyckschen Schule bemerkbar macht.
Wie in allen Zweigen der Malerei erscheint auch in der Miniaturmalerei Dürer als Grossmeister. Hierher gehören die Randzeichnungen zum Gebetbuch Maximilians I. in Blau und Rot auf Pergament ausgeführt, voll Phantasie in den zierlichen Arabesken aus Pflanzenformen und Linienverschlingungen, oft gewürzt mit köstlichem Humor. Fig. 100.
Von den zahlreichen Illuministen, welche in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Nürnberg die Ausschmückung von Büchern gewerbsmässig betrieben, ist vornehmlich Georg Glockenton zu nennen, dessen Kinder und Enkel ihm auf der Bahn folgten, daneben Seb. Beham. Bayern barg eine grosse Menge Illuministen. Auch aus Böhmen sind in neuerer Zeit eine grosse Zahl Miniaturwerke bekannt geworden, wenn auch manches in den hussitischen Stürmen zu Grunde gegangen sein mag.
Frankreich hatte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts keine Musse für die Pflege der Künste: Bürgerkriege und der Krieg mit[655] England verwüsteten das Reich. Den Stil der Renaissance in die französische Miniaturmalerei eingeführt zu haben, ist das Verdienst Jehan Foucquets. Als vorzüglichste Arbeit seiner Schule erscheint das Gebetbuch des Königs René. Den dominierenden Einfluss der italienischen Malerei unter Franz I. verrät ein Exemplar der Chants royaux (Hof bibliothek in Wien). Von Geofroy Tory, dem ausgezeichneten Buchdrucker, Zeichner und Stecher, existieren zwei Miniaturwerke, welche unter dem Einflusse der Schule von Fontainebleau entstanden zu sein scheinen. Später kommen in Frankreich, wie anderswo, die Miniaturen in den Büchern nur noch vereinzelt vor.
Vom Entwicklungsgange der Miniaturmalerei im Norden wurde die italienische weniger oder gar nicht berührt. Die ältesten italienischen Miniaturen besitzt das Kloster Montecassino (6. Jahrh.) Im allgemeinen datiert die Befreiung der italienischen Miniatur aus byzantinischen Fesseln erst aus dem 13. Jahrhundert. Im 14. Jahrhundert erlangt die Schule von Siena hervorragende Bedeutung. In Florenz waren im 14. Jahrhundert die Kamaldulensermönche fleissige Miniatoren. Die Miniaturmalerei hielt sich in Italien bis ins 17. Jahrhundert.
Verdrängt wurde die Buchmalerei einesteils durch die Buchdruckerkunst, andernteils aber namentlich durch den Holzschnitt; indessen hinterlässt die Miniaturmalerei der Buchillustration ein reiches Erbe in Initialen, Vignetten, Zierleisten, Arabesken etc.
Nach Lübke, Grundriss der Kunstgeschichte; Bucher, Geschichte der technischen Künste. Vgl. Waagen, Handbuch der Malerschulen.
A. H.
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