[896] Schild. Unter den Schutzwaffen der Germanen ist die am allermeisten verbreitete und älteste unzweifelhaft der Schild (ahd. skilt, ags. scild, got. skildus, nord. skyla, angels. scildan). Die Schilde der germanischen Völker, wie sie in Beschreibungen und Originaldenkmälern erhalten sind, zerfallen schon in den ältesten Zeiten in zwei ganz von einander verschiedene Arten, in die wandartigen und mit grellen Farben bemalten Gestelle und die bronzenen Rundschilde. Die ersteren waren starke Holzrahmen, ausgefüllt mit festem Flechtwerk, auf der Rückseite mit einer Handhabe versehen und sonstiger Vorrichtung zur Befestigung am linken Vorderarm. Diese Schilde waren von mächtigem Umfange und wahrscheinlich mit Tierhäuten überzogen. Auf ihnen schiffte man sogar über Ströme. Die Bronzeschilde waren kleiner, meist rund[896] oder oval, nach aussen etwas ausgebaucht und geschmückt, mit einer Spitze auf der Mitte; auf der Innenseite ist wieder das nötige Riemenwerk für Hand und Arm. Statt der Spitze kommt nicht selten auch eine Höhlung in der Mitte vor, die nach aussen als Buckel hervortritt, innen aber für die Hand Raum lässt und mit der Handhabe überspannt ist. Ringsherum geht ein starker Bronzereif. Dergleichen Schilde finden sich vornehmlich bei den nordischen Völkern, was in dem Metallreichtum ihres Landes seine Erklärung findet. Aber auch von dem trefflichen Schutz der Gestelle weiss Cäsars Bericht über die Schlacht gegen Ariovist zu melden. Hier deckte sich die Masse mit 6 Fuss hohen, vier Fuss breiten Schilden derart, dass die vordern Glieder den Schild vor sich, die innere Masse dagegen denselben über sich hielt, daher die römischen Pfeilschützen ihnen nichts anhaben konnten, bis die kühnsten auf das Schilddach sprangen und es durchbrachen. Da solche Schilde ausserordentlich schwer zu führen waren, kamen allmählich kleinere in Gebrauch von drei bis vier Fuss Höhe und 11/22 Fuss Breite, die entweder aus Wurzeln geflochten und mit Leder überspannt, oder aus Brettern geschnitten waren; am liebsten scheint man das weiche und leichte Lindenholz dafür verwendet zu haben, weswegen der Schild auch geradezu Linde genannt wird (Hildebrandslied). Die Schilde waren bemalt, daher schiltaere, schilteraere, Schildmaler, Schildmacher. Wahrscheinlich gab es bereits Stammesfarben; wenigstens erwähnt Tacitus von dem Stamme der Arier ausdrücklich, dass er an seinen schwarzen Schilden kenntlich gewesen sei. Die altfriesischen Gesetze sprechen von braunen Schilden als den eigenen und von roten sächsischen. Die fränkischen Schilde beschreibt Apollinarius im 5. Jahrhundert als in der Mitte goldgelb, nach dem Rande zu weiss bemalt. Im Norden galt der rote Schild als Zeichen des Krieges, der weisse als ein solches des Friedens.
Eiserne Schildbuckel hatten nur die Schilde der Vornehmen. Die grösste Zahl derselben hat sich in den Gräbern des Rheinlandes gefunden. Die Buckel (umbo), auch Nabel genannt, waren mit starken eisernen Nägeln und Spangen an den Schild befestigt. Der Schildbeschlag reicher Edler und Fürsten war vergoldet und oft mit Edelsteinen besetzt. Diese hatten zudem ihre Schildträger, da sie für den Notfall mehrere Schilde mit sich führten.
Im 11. und 12. Jahrhundert herrscht der mandelförmige, nabellose Hochschild vor, der an der »Schildfessel« über den Schultern hing und den der Krieger, wenn er ihn nicht brauchte, auf dem Rücken trug. Genabelte Rundschilde trifft man nur bei leichtgerüsteten Fusskämpfern. Während des 12. Jahrhunderts nimmt bei fast allen europäischen Völkern die Grösse des Schildes allmählich ab. In Frankreich geht man sogar zu den kleinen Oval- und Kreisschilden über, während in Spanien der spitze Langschild seine höchste Entwicklung erreicht. Der kleine Dreispitz in Frankreich und der ebenfalls dreieckige rheinische Schild wurde an einem Hängebande an dem Hals getragen, damit der Reiter die linke Hand für den Zügel des Pferdes oder für das zweihändige Schwert frei habe, was bei der verbesserten Maschenrüstung, die sich bereits über den ganzen Körper ausdehnte, wohl ohne zu grosse Gefahr gewagt werden durfte.
In der Regel bildet eine Holztafel den Kern des Schildes. Der Überzug besteht beim gemeinen aus leimgetränkter Leinwand, bei schönen Exemplaren aus Leder oder Pergament;[897] auf erster en wurde das Wappenbild gemalt, auf letzteren ausgeschnitten, oder in kostbarem ausgeschnitztem Pelzwerk aufgenagelt. Aus Metall wurden die Schilde bei der Verbesserung der übrigen Ausrüstung und trotz derselben immer weniger gemacht, da sie nicht so schwer sein durften. Die Dichter berichten daher viel, dass Schilde in Splittern den Kampfplatz deckten, oder dass die Lanzen in denselben stecken blieben, bis der Schild für den Arm zu schwer geworden.
Die Armbrustschützen bedienten sich in der Folgezeit mit Vorliebe des Setzschildes, der Sturmwand, eines grossen, gerundeten oder nach der Mitte in eine senkrechte Kante verlaufenen Gerätes, das unten in einer geraden Linie abgeschnitten und mit schwachen Spitzen versehen war, die sich leicht in den Boden stecken liessen, so dass der Schild auf demselben feststand. Der Schütze trug den Schild auf dem Rücken an Ort und Stelle und benutzte ihn während des Kampfes als Schutzwall, indem er hinter demselben seinen Bogen spannte, was wenigstens eine Minute Zeit und seine ganze Aufmerksamkeit erforderte.
Der ritterliche Schild (écu) des 14. Jahrhunderts ist ziemlich klein, zumal in Frankreich. Im allgemeinen ist er dreieckig, im obern Rand bald geschweift, bald geradlinig, auch verschieden in der Stärke seiner Ausbiegung auf der Trutzseite. Schilde, welche von der dreieckigen Gestalt abweichen, werden jetzt Tartschen (targes) genannt, welches Wort von den einen aus dem arabischen tarcha oder dardy hergeleitet wird, als wäre dasselbe zur Zeit der Kreuzzüge entstanden; Diez aber weist nach, dass Tartsche deutschen Ursprungs ist und Schutzwehr heisst (angels. targe, altn. targa, ahd. zarga). Solche Tartschen häben oben rechts häufig einen Ausschnitt, um die eingelegte Lanze durchzulassen. Innen waren sie meist gepolstert und mit Schildfessel versehen. Pavese, franz. pavois, pavart; ital. pavese, palvese, nennt man die Tartsche des Fussvolkes im Unterschied zur Renntartsche. Erstere ist ein grosser Schild von ovaler oder rechteckiger Gestalt, insbesondere von Bogenschützen gebraucht seit Ende des 13. Jahrhunderts. Diese Schutzwaffe ist meist 1 m hoch und 0,490,60 m breit. In der Mitte hat sie eine tiefe Rinne, welche nach aussen als Rippe erscheint und dem Schild nicht nur eine grössere Festigkeit gibt, sondern es auch ermöglicht, ihn an einen in den Boden getriebenen Pfahl anzulehnen. Das Instrument gleicht in der Art seines Gebrauches der schweren Setztartsche (Setzschild).
Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts hört der Schild auf, den Rittern im Gefechte zu dienen und erhält sich nur noch auf dem Turnierplatze; denn seit die Plattenrüstung für den Feldgebrauch (so sehr vervollkommnet durch Schulterstück und doppelten Brustpanzer) aufgekommen war, gewährte sie mehr Schutz, als der leichte Schild, und war dieser somit mehr hinderlich als förderlich. Als ausgezeichnetste Werkstätten zur Herstelltung dieser Schutzwaffen galten die zu Wien, Nürnberg, Genf, Paris und Rouen.
Der heutige Sprachgebrauch weist mehrfach darauf hin, dass der Schild auch seine symbolische Bedeutung hatte. »Schildes-Amt« ist so viel als Ritterwürde, »Schildes-Amt haben« heisst Ritter sein. Schon bei den alten Germanen machte nach Tacitus der Schild den heranwachsenden Knaben wehrhaft. Schild und Speer waren die Begleiter des Mannes in die Volks- und Gerichtsversammlungen. Die Zahl der streitbaren Männer wurde wie nach Rossen, Helmen und Speeren, so auch nach Schilden[898] bestimmt. Der Schild war der Hauptträger des fürstlichen oder ritterlichen Wappens und gewann in dem ganzen Ritterwesen, besonders in der Heraldik, die weitgreifendste Bedeutung. »Den Schild verunehrt zu haben« ist der schimpflichste Vorwurf, der einen Mann treffen kann. Das Gesetz bestraft diesen Schimpf, wenn er ein unverdienter ist, mit den härtesten Strafen. Die grossen Schilde dienten nach beendetem Kampf zum Heben und Tragen der kostbaren Beute sowohl als der Toten. Der neue König (der gewählte sowohl wie der erbliche), wurde auf einem Schilde dreimal im Kreise des versammelten Volkes herumgetragen, dass Jedermann ihn sehen könne. Die Ripuarier gaben ihre Zustimmung zu den Vorschlägen Clodovechs durch Zusammenschlagen ihrer Schilde zu erkennen und übertrugen ihm die Herrschaft bei seiner Königswahl durch Erhebung auf den Schild. Nach Jähns, Geschichte des Kriegswesens und San-Marte, Waffenkunde.
Adelung-1793: Schild d'or, der · Schild
Brockhaus-1911: Sobieskischer Schild · Schild
Meyers-1905: Schild [3] · Sobiéskis Schild · Schild [2] · Schild Sobieskis · Schild [1]
Pierer-1857: Schild [3] · Schild [2] · Sobieskis Schild · Schild- u. Kehldeckelband · Schild [1] · Englisches Schild · Deutsches Schild · Schild des Achilles · Rundgespiegelter Schild
Buchempfehlung
Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
140 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro