[916] Seewesen. Die Entwickelung der Marine des Mittelalters sondert sich in zwei grosse Hauptgruppen, in die den antiken Traditionen folgende Mittelmeergruppe und in die Ozeangruppe, der die germanischen und romanisch-keltischen Völker angehören, Der Natur des stillern, buchtenreichen Mittelmeeres gemäss bevorzugt die erste Gruppe die Ruderschiffahrt, die zweite der Natur des Ozeans gemäss die Segelschifahrt mit Hochbordschiffen von fester Fügung. Die Kreuzzüge bedienen sich des Ruders; das Zeitalter der Entdeckungen lässt dasselbe dem Segel weichen.
Zur Mittelmeergruppe zählen:
1. die Byzantiner, deren Flotte vom 4. bis 10. Jahrhundert die erste des Mittelmeeres war; ihre Kiegsschiffe hiessen Dromoner, eine kleinere Gattung Galeeren, γαλέαι, das heisst Haifisch (nach anderer Erklärung stammt der Name aus einem arabischen Wort, das Bienenkorb bedeutet, siehe Weigand).
2. die Araber erscheinen seit dem 7. Jahrhundert im Mittelmeer;[916] ihr Einfluss ist in einigen aus dem Arabischen, stammenden Seewörtern noch erhalten: Admiral, von Amyr = Fürst; Kabel, von kabl, = Ankertau; Arsenal, italienisch darsena aus dâr-azzan's = Haus der Betriebsamkeit; kalfatern von qalafa = ein Schiff verkitten, und Korvette von ghorâb = Rabe.
3. die Italiener, namentlich Venedig, Genua, Pisa und Amalfi. Im Gegensatz zu den Byzantinern und den Genuesen scheinen die Venetianer keine Kriegsschiffe von mehreren übereinander liegenden Ruderreihen gebaut zu haben; vielmehr entwickelt sich bei ihnen die aus dem antiken langen Flachschiffe, dem Fünfzigruderer, abgeleitete Form der Galeere zu der Bedeutung und Gestalt, die ihr bis ins 18. Jahrhundert geblieben ist. Eine besonders grosse Form hiess Galeazze. Die Galeeren waren bedeckt und auf dem Deck sassen die Ruderer, durch einen Mittelgang getrennt; auf eine Bank kamen zwei, drei, sogar vier Ruder, zu welchem Zweck die Bänke schräg gegen den Bord standen. Später zog man es vor, die Bänke gerade gegen den Bord zu stellen und zwei bis fünf Bankgenossen an einem schweren, meist 50 Fuss langen Ruder arbeiten zu lassen, so zwar, dass das innere, 13 Fuss lange Stück, das mit Blei ausgegossen war, im Gleichgewichte mit dem äusseren, 37 Fuss langen stand. Die gewöhnliche Galeere hatte auf jeder Seite 2526 Ruder, die Ruderer waren meist verurteilte Verbrecher. Für die sogenannten lateinischen oder dreieckigen Segel waren ein bis zwei, seltener drei Maste vorhanden; der Hauptmast stand in der Mitte. Die Steuerung geschah bis zum 13. Jahrhundert durch ein oder zwei grobe, vom Hinterteil des Schiffes aus regierte Ruder, das moderne Steuerruder erscheint nicht vor dem Ende des 12. Jahrhunderts; es ist das am Hintersteven durch starke Haken und Fingerlinge beweglich befestigte, meist aus drei Stücken zusammengesetzte Ruderholz. Eine Brustwehr, die den Bord umzog, deckte die Ruderer; ausserdem errichtete man auf dem Schiffe turmartige Schanzen oder Kastelle.
4. die Katalanen; ihnen verdankt das Mittelalter das in Barcelona entstandene Libro del Consulado, eine Sammlung der Seegewohnheiten, das erste gemeine Seerecht des Mittelalters enthaltend; auch die Seeversicherung ist hier zuerst in Anwendung gekommen. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts nahm die Bedeutung der katalonischen Marine schnell ab.
Bei den Ozean-Völkern unterscheidet Jahns:
1. die Südgermanen bis auf Karl den Grossen.
Die ersten Nachrichten über die Schiffahrt deutscher Stämme beziehen sich auf Binnenschiffahrt. Roh ausgehöhlte Baumstämme, besonders eschene, vermochten 30 bis 40 Menschen zu tragen. Dennoch stellten sich die Germanen den römischen Flotten entgegen und wagten Raubzüge über das Meer hin, namentlich werden die Friesen als Seefahrer gerühmt. Die batavische Flotte bestand überwiegend aus Schiffen mit ein oder zwei Ruderbänken, zahlreichen Kähnen und leichten Rennschiffen. Mannigfache buntfarbige Segel waren aufgezogen. Im 3. Jahrhundert besassen die Goten auf dem Mittelmeer eine ansehnliche Flotte. Später traten Franken und Sachsen als Seefahrer in den Vordergrund. Die Hauptarten ihrer Kriegsfahrzeuge sind die von den Römern Myoparen genannten Schiffe und die Kiele. Die Myoparen waren leichte Kriegsbarken, die aus Weiden-Flechtwerk hergestellt und mit Leder überzogen wurden. Die Briten sollen nach[917] Plinius auf solchen Schiffen bis nach Norwegen und Island gefahren sein. Die Kiele waren grössere Langschiffe, welche ein Segel führten; auf solchen fuhren Cäsar und Claudius, später die ersten Sachsen nach Britannien. Auch dem neuen Frankreich mangelte es nicht an Schiffen. Karl Martell suchte die Friesen zu Schiffe auf, und Karl der Grosse erliess wiederholte Befehle, Schiffe zu bauen und zu bemannen, doch scheint es nicht zu genügenden Anordnungen über Bemannung und Führung der Schiffe gekommen zu sein.
2. die Skandinavier. Nach Tacitus Germ. 44 waren die Suinonen, d.h. die Bewohner Skandinaviens, mächtig durch ihre Flotten. Ihre Schiffe waren auf beiden Seiten spitz und dadurch geeignet, beliebig mit der einen oder der anderen den Strand anzulaufen. Sie bedienten sich weder der Segel, noch versahen sie das Schiff mit festen Ruderbänken. Das Steuer bestand aus zwei grossen beweglichen Schaufelrudern. Ausgiebiger werden die Nachrichten erst für die Normannenzeit; die grösste Art der normannischen Kriegsschiffe hiess Drachen, wahrscheinlich weil am Vorderteil ein geschnitzter Drachenkopf angebracht war, der dazu diente, die Feinde zu schrecken und deren Schutzgeister zu verscheuchen. Ein besonders grosser Drache wird erwähnt, der auf jeder Seite 34 Ruder führte; andere hiessen Schnecken, ursprünglich = Schildkröte oder Schaltier, daneben gab es viele Gattungen kleinerer Fahrzeuge. Nach alten Bildern auf Tapeten und Siegeln sind alle normannischen Schiffe vorn und hinten ganz ähnlich gebaut, grössere Hallen im Deck, unter dem die Ställe und Kammern lagen; gern entfalteten die Seekönige an ihren Fahrzeugen grosse Pracht: vergoldete und bemalte Drachen- und Rosshäupter, in christlicher Zeit Symbole. Die Steuerung geschah durch ein an der rechten Seite des Fahrzeuges angebrachtes Schaufelruder. Die Schiffe hatten nur einen Mast und ein grosses viereckiges Segel, das Takelwerk war sehr einfach, an der Mastspitze wehte eine Flagge; die Segel waren oft, namentlich mit Wappenfiguren, bemalt. Übrigens haben die Seefahrten der Normannen die Nautik kaum wesentlich befördert; es scheint, dass sie nicht einmal diejenige Stufe der nautischen Kenntnisse erreichten, welche die Sachsen schon im 5. Jahrhundert erstiegen hatten.
3. Die Deutschen. I. Die vorhansische Zeit. Erst im 11. Jahrhundert, nachdem die Einfälle der Normannen auf deutsches Gebiet aufgehört hatten, begann sich der maritime Geist der norddeutschen Küstenstämme zu regen. Die Bremer wagten sich als Kauffahrer und Freibeuter auf die Ostsee, die Kölner fuhren nach England, die Friesen drangen als See- und Küstenräuber ins Mittelmeer; an der Ostsee entwickelte sich eine wendische Seemacht, deren Mittelpunkt Rügen war; sie erlag schon im 12. Jahrhundert den Dänen. Die erste grosse Seeunternehmung, an welcher sich die Deutschen beteiligten, war der dritte Kreuzzug; Bremer, Kölner, Flandrer, Dänen und Friesen zogen mit 94 Schiffen an die Küste des gelobten Landes; am fünften Kreuzzuge war die Beteiligung der deutschen Seemacht noch viel beträchtlicher; 50000 Friesen nahmen daran Anteil, für die allein die Gebiete des Kölnischen Sprengels 300 Meerschiffe ausrüsteten. Zu gleicher Zeit zogen Niedersachsen von Lübeck aus gegen die heidnischen Livländer, setzten sich in Riga fest und befreiten Lübeck für immer von der dänischen Oberhoheit (1234).
Die in dieser Zeit in deutschen Schriften erwähnten Fahrzeuge sind:[918]
Der Kiel, im Beówulf ein allgemeiner Ausdruck für Schiff überhaupt; bei mittelhochdeutschen Dichtern bedeutet Kiel soviel als Langschiff.
Kocke, ahd. kocho, mhd. kocke, altholld. kogghe, niederd. kogge, bezeichnet das massiv gebaute, hochbordige, vollbäuchige Fahrzeug. Seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts war die Kogge in den nördlichen Gewässern das eigentliche Schlachtschiff; vorn und hinten trug sie kastellartige Erhöhungen, welche gleich dem, einem kleinen bezinnten Turme nachgebildeten Mastkorbe, mit der Elite der Mannschaft besetzt wurden. In der Mitte standen die Bleiden und treibenden Werke. In Frankreich entspricht der Kogge la coque und la nef. Beides waren reine Segelschiffe ohne Ruder. Die Nefs hatten ein bis drei Decke, ihr Rumpf lud vom Kiel her weit aus und stieg hoch auf.
Schnecke, sniggi, ist die nordische kleinere Schwester der Galeere, auf Segel und Ruder eingerichtet, lang und schmal, offen und seit alter Zeit in stetem Gebrauche.
Die Schute, niederl. schuit, ist ein Segelschiff mit Verdeck als einmastige Jacht getackelt, mit einer Tragfähigkeit von 12 bis 15 Last, für den kleinen Küstenverkehr an der Nord- und Ostsee noch im Gebrauch. Der Name Schute, eins mit »Schuss«, deutet auf die Geschwindigkeit hin.
Die Galeere, mhd. galîe, galêe, galîne, galeide, mittellat. galea, engl. galley, altfranz. galêe ist oben beschrieben worden. Andere in niederdeutschen Schriften vorkommende Namen sind Bording, Busen, Einer und Esping für Seefahrzeuge; Kunkel, Bolscip, Prahm, (promptuarium), Tungetship, Nankau, Envar, Ketze für Flussfahrzeuge.
Von mhd. Dichtern werden ferner eine Anzahl fremder, meist französischer Schiffsnamen gebraucht:
Die Ussiere, Lastschiff zum Kavallerietransport. Hier las der huis, d.h. die Pforte zum Einschiffen der Pferde, am Hinterteile des Schiffes und zwar unter der Wasserlinie, wurde daher nach vollendeter Einschiffung wasserdicht verschlossen. Gewöhnlich nahmen sie 25 Pferde mit voller Fourage auf.
Treimunde, Tragamunde, wahrscheinlich das franz. Dromon, aus jenem altern byzantinischen Schiffsnamen entstanden.
II. Die hansische Zeit. Schon 1254 bestätigte König Wilhelm von Holland den rheinischen Bund, der von mehr als 70 Städten von Basel abwärts bis Koblenz geschlossen worden war und eine bedeutende Schiffsstreitmacht auf dem Rheine entwickelte. Dauerhafter als dieser früh verfallene Bund war die Hansa. Das Wort bedeutet im got. und ahd. eine streitbare Schar, ags. hôs gilt von einer Schar, einer geschlossenen Vereinigung überhaupt; als kaufmännische Vereinigung mit bestimmten richterlichen Befugnissen erscheint hans, hanse in süddeutschen Handelsplätzen, in Regensburg seit 799. »Hansen« haben im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts ihr hanshûs in London. Aus dem gemeinsamen Rechte deutscher Handelsherren im Auslande nun und aus dem Bündnisse deutscher Städte in der Heimat erwuchs nach und nach der Hansabund. Dem bevorrechteten »Stahlhofe« der Kölner Kaufleute zu London schloss sich Lübeck an; Lübecker und Hamburger Häuser gewannen Privilegien zu Brügge; mit den wendischen Seestädten Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald schloss sich Lübeck, mit den Städten Niedersachsens Hamburg zusammen. Zu Anfang des 14. Jahrhunderts vereinigten sich beide Gruppen, worauf bald die westfälischen mit denen Preussens in Verein traten. Diesen Handelsbündnissen zur Seite gingen die[919] grossen Landfriedensbündnisse von vorwiegend militärischer Bedeutung, ein System von Bünden, aus denen sich um die Mitte des 14. Jahrhunderts der Organismus der grossen Hansa darstellte. Die Schiffsmannschaft der Hansaflotte setzt sich fast ausschliesslich aus Bürgern zusammen; die Schwerbewaffneten dagegen waren meist Soldtruppen, Ritterbürtige mit Knappen und Knechten. Als Leichtbewaffnete wurden Leute des gemeinen Volkes angeworben. Die Führung lag in den Händen von Ratmannen. Neben der geordneten Heeresmacht geht die Kaperei her, welche die Hansen jedesmal dann begünstigten, wenn sie selbst nicht mehr recht leistungsfähig waren. Jedes Kauffarteischiff war selbstverständlich zu jener Zeit wehrlich gerüstet. Nach Jähns, Geschichte des Kriegswesens, Seite 12291266, wo Seite 12661288 auch die Franzosen, Engländer, Portugiesen und Spanier behandelt sind. Vgl. San Marte, Waffenkunde, Teil I, Abschnitt 2, Schiffswesen und Schultz, höfisches Leben, II, Kap. V.
Buchempfehlung
Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.
86 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro