[296] AN ÉBIS, is, oder ĭdis, Gr. Ἄνουβις, ίδος.
1 §. Namen. Man will solchen, den man auch wohl Annubis schreibt, von dem ebräischen Worte Hannobrach, bellen, herleiten, Bochart. Hierozoic. P. I. L. II. c. 56. col. 691. daher man ihn auch vielfältig latratorem oder latrantem genannt findet. Virg. Aen. VIII. 698. Propert. L. III. El. 9. Es ist aber glaublicher, daß er von dem ägyptischen Worte Nub, Ennub, oder Annub, herkomme, welches Gold bedeutet, weil seine Bildsäulen, oder doch wenigstens sein Gesichtgolden gewesen, und sich noch andere geheime Ursachen dazu finden. Iablonski Panth. Æg. L. V. c. 1. §. 10. Er wird sonst auch Hermanubis genannt, Euseb. ap. Gyrald. Synt. IX. p. 380. da doch andere hingegen den Anubis und Hermanubis allerdings unterscheiden. Plutarch. ap. Voss. Theol. gentil. lib. I. c. 27. So heißt er auch vielfältig, von seiner Gestalt Cynocephalos, Augustin. de C. D. lib. II. c. 14. & Tertull. Apol. cap. 6. welcher Namen von κύων, ein Hund, und κεφαλὴ, ein Kopf so viel, als ein Hundskopf heißt.
[296] 2 §. Aeltern. Man hält ihn für einen Sohn des Typhons und der Nephthys, Voss. Theol. gentil. lib. II. c. 75. richtiger aber selbst des Osiris und besagter Nephthys, welche man so gar für des Osiris Schwester ausgiebt, mit der er unwissend, und in der Meynung, er habe seine Gemahlinn, die Isis, vor sich, zu thun gehabt. Dessen ungeachtet soll ihn doch Isis, als die Nephthys von ungefähr den Typhon erblickete, und dergestalt vor ihm erschrack, daß sie den Anubis vor der Zeit zur Welt brachte, und ihn daher auch als eine unzeitige Geburt hinweg setzete, aufs fleißigste haben suchen, und, als er endlich durch Beyhülfe einiger Hunde gefunden worden, bestermaßen auferziehen lassen. Plut. de Osir. & Iside c. 16. p. 356. T. II. Opp. Einige geben ihn für des Osiris Bruder aus, welches aber keinen sonderlichen Grund hat, wenn sie auch gleich auf der isischen Tafel so genannt seyn sollten. Ban. Erläut. der Götterl. II Band. 211 S.
3 §. Stand und Thaten. Er soll, nach einigen, des Osiris Jäger, nach andern aber dessen Leibwacht, oder Trabant, gewesen seyn, wiewohl jenes glaublicher zu seyn scheint, als dieses. Voss. Theol. gent. lib. II. c. 75. Wenigstens begleitete er denselben beständig auf dessen Zügen; und, weil er ein Hundsfell nach damaliger Art um sich trug, Diod. Sicul lib. I. c. 18. pag. 11. so haben ihn die Aegypter mit einem Hundskopfe vorgestellet. Gyrald. Synt. IX. p. 309. Er war auch hernach insonderheit sehr beschäfftiget, als Osiris von dem Typhon und dessen Anhange nicht nur umgebracht, sondern die Stücken von demselben aufs sorgfältigste verstecket worden, diese, nach der Isis Verlangen, wieder zu finden, und allenthalben aufzusuchen, bis er sie endlich glücklich gefunden. Voss. l. c. lib. I. c. 27. Er scheint aber dabey dennoch auch ein Priester gewesen zu seyn. Cellar. ad Min. Felic. cap. 21. §. 7. Indessen wird er nicht weniger unter die uralten Regenten der Aegypter mit gerechnet, und zwar ist er unter denselben in der Ordnung der zehente, unter den Halbgöttern [297] aber der dritte, und soll er auf die 17 Jahre regieret haben. Syncell. apud Marsham. Can. Chron. προκατασκ. p. 11. Wenigstens war er einer der bekanntesten alten ägyptischen Götter, dessen Verehrung, wie anderer seines gleichen, endlich so gar nach Rom gebracht worden, August. de C. D. lib. II. c. 14. worüber sich aber die gescheuten Römer nicht wenig ärgerten. Varro ap. Serv. ad Virgil. Aen. VIII. v. 698. item Iuvenal. & alii ap. Lud. Cerd. ad Virg. l. c.
4 §. Gestalt. Solche findet man noch auf einigen geschnittenen Steinen, Gorlæi Dactyl. T. II. n. 386. sqq. und Münzen, wie auch einer schönen Bildsäule, die ihm Isias wiedmete. Montfaucon. Antiq. expliq. T. II. P. II. p. 314. Seine Bildsäule aber war ordentlicher Weise von Golde, Lucian. Conc. Deor. p. 713. T. II. Opp. Cf. Iablonski, l. c. §. 10. und er insgemein als eine ansehnliche Mannsperson gebildet, die einen Hundskopf mit dergleichen Halse hat, dabey in der linken Hand einen Mercuriusstab, in der rechten aber einen grünen Palmzweig hält, den er zu bewegen scheint. Apul. Metam. L. XI. pag. 373. Andere geben ihm eine Himmelskugel dafür in solche Hand; Herwart. ap. Huet. D. E. Propos. IV. c. 4. §. 7. wobey er denn zuweilen auf einem Krokodille steht. Wilde gem. ant. tab. 31. Indessen wurde er doch bald mit einem goldenen, bald mit einem schwarzen Gesichte gebildet, Apulej. l. c. zuweilen auch wohl mit dreyen Köpfen, als einem Menschenkopfe, einem Pferdekopfe und einem Hundskopfe vorgestellet. Chartar. Imag. Deor. Im. 55. Wie ihn nun einige mit rechten Menschenfüßen, und außer was den Kopf anbetrifft, als einen vollkommenen Menschen angeben, auch wohl noch einen Mantel oder eine Toga umhängen; Struv. Syntagm. A. R. Tab. V. Fig. 21. oder ihn in seine Leinwand kleiden, Lucian. l. c. so wollen andere, daß seine Statüen statt der Beine und Füße nur ein viereckichter Stein gewesen, und, da er solchergestalt desfalls den griechischen Hermis gleich gekommen, soll er eben daher auch Hermanubis genannt worden seyn. Huet. l. c. [298] Hierbey ist übrigens noch zu behalten, daß ihm einige an statt obbemeldeter Himmelskugel, ein Sistrum in die Hand geben. Casal. de rit. vet. Aegypt. P. I. c. 21. Numism. Duc. Croyiaci Tab. 67. n. 14. Außer diesem giebt man ihm zuweilen einen Kochtopf oder Kessel in die Hand, oder an den Arm, und Flügel an die Füße; dabey hat er eine große Feder in der rechten Hand, welche vielmehr ein Palmzweig seyn kann; Olivæ Marmor. Iliacum, p. 5. oder unter dem Arme, und eine Schildkröte oder Ente hinter sich. Pluche, Hist. du Ciel. T. I. p. 48.
5 §. Verehrung. Von dieser findet sich eben nicht viel besonderes, außer daß ihm die Hunde heilig waren, welche für dessen lebendiges Ebenbild gehalten wurden. Iablons. l. c. §. 3. Man wiedmete ihm Tempel und bauete ihm Städte zu Ehren, worinnen man ihm mit großen Kosten Feste feyerte, und sorgfältig Hunde unterhielt, dergleichen besonders Kynopolis, Steph. Byz. in art. κυνῶν πολις, Clem. Alex Protrept. p. 25. und Hermopolis gewesen. Strabo L. ib. XVII. p. 812. Es blieb aber sein Dienst nicht in Aegypten allein, sondern kam auch zu den Griechen und Römern, Iablons. l. c. §. 5. die zu gewissen Zeiten feyerliche Umgänge mit ihm hielten, Apul. l. c. Ovid. Metam. IX. v. 689. denen so gar die Kaiser mit beywohneten. Daher geschah es, daß sich Commodus öffentlich als einen Priester desselben bezeugete, und dessen Bild mit tragen half, Spartian. in Pescen. nig. c. 6. Zuweilen aber, ehe es sich die rechten Pfaffen versahen, bückete er sich nieder, daher denn die Statüe umfiel, und mit der Hundesschnauze dem vorhergehenden Pfaffen auf den Kopf schlug. Weil nun diese alle mit bloßen und geschorenen Köpfen aufzogen, so setzete es mit solcher Kurzweile oft Löcher und Wunden. Lampr. in Commodo cap. 9. & ad eum Casaubon. Man sah ihn so wohl für einen himmlischen, als unterirdischen Gottan, Plut. de Is. & Osir. p. 368. T. II. Opp. Lucian. in Iov. Trag. p. 132. T. II. Opp. und opferte ihm als dem ersten einen weißen, und als dem andern einen schwarzen Hahn. Plut. l. c. p. 375.
[299] 6 §. Eigentliche Historie. Es hindert vermuthlich nichts, zu glauben, daß er nicht ein alter berühmter Aegypter gewesen, der um seiner guten Verdienste willen endlich mit unter die Götter gerechnet worden. Allein, daß er der Griechen bekannter Mercurius seyn soll, will darum nicht wohl glaublich fallen, weil dieser erst Jupiters Sohn, Jupiter aber selbst nur der sechste unter den Halbgöttern nach dem Anubis ist. Marsham. Canon. Chron. Προκατασκ. pag. 11. Gleichwohl scheint er mit dem Mercur unter allen griechischen Göttern die meiste Aehnlichkeit zu haben, und ist vermuthlich das Muster dazu gewesen. Iablon. Panth. ægypt. L. V. c. 1. §. 8 Doch haben ihn auch schon einige Alten für den Saturn erkläret, Plut. de Is. & Osir. p. 368. T. II. Opp. wiewohl mit weniger Wahrscheinlichkeit. Noch weniger aber läßt sich glauben, daß er Moses gewesen, ungeachtet solches einige damit unter andern zu erweisen suchen, daß er, wie Moses, zweyerley Gesichter gehabt, daß er, wie solcher, einen Stab in der Hand geführet, daß er eine Himmelskugel gehalten, als welche angezeiget, daß Moses den Ursprung des Himmels und der Erde beschrieben. Ferner soll sein Hundskopf des Moses Wachsamkeit und Weisheit bemerken, oder aber auch, daß solcher Moses mit dem Caleb vermenget worden sey, weil dieses Namen eigentlich im Ebräischen einen Hund bedeute. Huet. D. E. Propos. IV. c. 4. §. 7. Am wahrscheinlichsten ist es noch, daß die Aegyptier den Horizont, oder den Aufgang und Untergang der Sonne unter ihm bezeichnen wollen, Iablon. l. c. §. 12. sqq. und er von deren Scheine alsdann den Namen des Goldenen erhalten habe, so wie man im Deutschen des Abends zu sagen pflegt, die Sonne geht zu Golde. Weil er also gleichsam der Thürhüter am Himmel war, und der Sonne und dem Monde die Pforten derselben eröffnete, vor Zeiten aber gemeiniglich an den Thüren Hunde zu liegen pflegten, so soll er deswegen die Abbildung bekommen haben. Id. §. 16. Jedoch will man auch, daß er den Hundesstern [300] oder Sirius bedeuten solle, dessen Aufgang des Morgens vor der Sonne, die ihn einige Zeitlang verdecket hatte, den Aegyptiern ankündigte, daß nunmehr der Nil bald austreten und das Land überschwemmen würde. Dieß Gestirn war das öffentliche Merkmaal, worauf ein jeder seine Augen richten mußte, damit er nicht von der bevorstehenden Gefahr übereilet würde, sondern alles zu Rechte machete, was nöthig wäre, sich mit Lebentmitteln versähe und auf die Höhen begäbe. Weil es nur sehr kurze Zeit vor der Sonnen Aufgange über dem Horizonte zu sehen war, so schien es sich nur bloß zu zeigen, damit es den Einwohnern die herannahende Ueberschwemmung meldete. Es that so zu sagen, was ein Hund thut, welcher die Annäherung eines Diebes durch sein Bellen verräth. Daher gab man ihm auch den Namen des Hundes, oder Bellenden und des Erinnerers. Pluche, l'hist. du Ciel, T. I. pag. 36.
7 §. Anderweitige Deutungen. Er soll mit einem Hundeskopfe gebildet werden, weil er, wie schon gemeldet worden, mit einer Hundeshaut aufzuziehen pflegen, Diod. Sic. lib. P. c. 18. p. 11. oder sich auch in Aufsuchung der Glieder des Osiris als einen Spürhund erwiesen, Voss. Theol. gent. lib. I. c. 27. oder weil er der Griechen Mercurius vorgestellet, welcher so schlau, als ein Hund, gewesen, Serv. ad Virg. Aen. VIII. v. 698. oder, weil er als ein treuer Hund den Osiris und die Isis bewahret, Diod. Sic. l. c. c. 87. p. 55. oder auch, weil er bey den Aegyptern den Horizont bedeute, wie Isis die obere Halbkugel, Nephthys aber die untere, und er beyde sähe, wie ein Hund, der auch so wohl im Lichte, als im Finstern, sehen könne. Voss. l. c. lib. II. c. 76. Cf. Masen. Spec. Ver. occ. c. XXII. n. 45. Wenn er aber mit dreyen Köpfen vorgestellet wird, so soll er das Bild eines gelehrten Mannes seyn, und der Menschenkopf dessen Vernunft und Verstand, der Hundeskopf dessen Wissenschaften und Künste, und der Pferdekopf dessen Großmüthigkeit anzeigen. Gorop. Becan. ap. Masen. l. c. Allein, noch andere halten [301] ihn für ein Bild der Vernunft eines Mannes, der seine Betrachtungen auf die himmlischen Dinge gerichtet; und sie deuten den Hundeskopf auf die nöthige Scharfsichtigkeit der Augen, den Mercuriusstab auf den Frieden und die Ruhe, den Palmzweig aber auf die Ueberwindung seiner selbst, welche bey dergleichen Betrachtung erfordert werde; und da solcher Anubis, als Hermanubis, auch an die Wege gestellet worden, solche zu zeigen, so soll er die Vernunft so fern bemerken, als solche uns den Weg in den irdischen und niedrigen Dingen weist. Masen. ipse l. c.
Buchempfehlung
Aristophanes hielt die Wolken für sein gelungenstes Werk und war entsprechend enttäuscht als sie bei den Dionysien des Jahres 423 v. Chr. nur den dritten Platz belegten. Ein Spottstück auf das damals neumodische, vermeintliche Wissen derer, die »die schlechtere Sache zur besseren« machen.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro