[1722] NERËĬDES, um, Gr. Νηρεΐδες, ων, (⇒ Tab. IV.)
1 §. Namen. Diesen haben sie von ihrem Vater, dem Nereus, von welchem sie sonst auch Nerinen, Gyrald. Synt. V. p. 174. wie von ihrer Mutter, der Doris, Dorides heißen. Virgil. Eclog. VII. v. 37. Lateinisch werden sie von einigen Salacias Nerienes genannt. Scalig. Hymn. 23. Orph. Vieleicht geschieht solches mit einer Freyheit, die sie sich selbst genommen haben.
2 §. Aeltern. Ihr Vater war besagter maßen Nereus, des Pontus und der Erde Sohn, Apollod. l. I. c. 2. §. 6. die Mutter aber Doris, eine Tochter des Oceans und der Tethys. Id. ib. §. 2. & 7. Man will aber, daß diejenigen, die er mit solcher gezeuget, eigentlich lieber Töchter des Nereus, und diejenigen dagegen Nereiden genennet werden, die er von andern Personen gehabt. Dammii Lex. etymol. col. 2958.
3 §. Anzahl und besondere Namen. Ihrer waren insgesammt funfzig, Orpheus Hymn. XXIII. v. 3. und hießen insonderheit I.) nach dem Hesiodus:[1722] Theog. v. 243. Proto, Eukrate, Sao, Amphitrite, Eudora, Thetis, Galene, Glauce, Cymothoë, Spio, Thalia, Melita, Eulimene, Agave, Pasithea, Erato, Eunice, Doto, Proto II, Pherusa, Dynamene, Nesäa, Aktäa, Protomedia, Doris, Panope, Galatea, Hippothoë, Hipponoe, Cymodoce, Cymataloge, Cymo, Eione, Halimede, Glaukonome, Pantoporia, Liagore, Evagore. Laomedia, Polynome, Avtonoe, Lysianassa, Evarne, Psamathe, Memppe, Neso, Eupompe, Themisto, Pronoe, Nemertes.
II.) Nach dem Apollodor: Biblioth. l. I. c. 2. §. 7. Cymothoe, Speio, Glaukothoe, Nausithoe, Halia, Erato, Sao, Amphitrite, Eunice, Thetis, Eulimene, Agave, Eudora, Doto, Pherusa, Galatea, Aktäa, Protomedusa, Cymo, Pione, Hippothoë, Lysianassa, Halimede, Plesaure, Eukrate, Proto, Kalypso, Panope, Kranto, Neomeris, Hipponoe, Deianira, Polynoe, Autonoe, Melie, Dione, Isäa, Dero, Evagore, Psamathe, Eumolpe, Jone, Dynamene, Ceto, Limnorea, welche zusammen nur ihrer fünf und vierzig sind.
III.) Nach dem Hyginus, Præf. p. 7. sind es folgende neun und vierzig: Glauce, Thalia, Cymodoce, Nesäa, Spio, Thoe, Cymothoë, Aktäa, Limnoria, Melite, Jära, Amphitho, Agave, Doto, Proto, Pherusa, Dynamene, Dexamene, Amphinome, Kallianassa, Doris, Panope, Galatea, Nimertis, Apseudes, Klymene, Janira, Panopea, Ianassa, Mära, Orithya, Amathea, Drymo, Xantho, Ligea, Phyllodoce, Cydippe, Lykorias, Kleio, Beroe, Ephyre, Opis, Asia, Deiopea, Arethusa, Klymene, Krenis, Eurydice, Leukothoe.
IV.) Beym Homerus, Iliad. Σ. v. 39. werden diese drey und dreyßig genannt: Glauce, Thalia, Cymodoce, Nesäa, Spio, Thoa, Halia, Cymothoe, Aktäa, Limnoria, Melite, Jära, Amphithoe, Agave, Doto, Proto, Pherusa, Dynamene, Dexamene, Amphinome, Kallianira, Doris, Panope, Galatea, Nemertes, Apseudes, Kallianassa, Klymene, Janira, Janassa, [1723] Mära, Orithya, Amathia. Er setzet aber hinzu, und andere.
Man sieht also, daß nur der einzige Hesiodus die völlige Zahl hat. Es würden aber ihrer noch mehr herauskommen, wenn man die mitzählen wollte, welche von den andern genannt, und von ihm nicht berühret worden. Ueberhaupt setzen auch einige deren Zahl auf hundert, Plato in Critia. p. 1105. Propert. l. III. Eleg. 6. v. 67. jedoch ohne sie namhaft zu machen.
4 §. Wesen und Thaten. Sie waren Nymphen, und zwar insonderheit des Meeres. Catull. Carm. LXV. v. 15. Ob sie gleich an Schönheit den andern Göttinnen gern selbst wichen, Lucian. Dial. Deor. 16. so konnten sie doch nicht leiden, daß sich ein Mensch ihnen dießfalls vorzog. Denn, als solches Kassiopea that, so vermochten sie den Neptun, daß er ihres Gemahles, des Cepheus Land, mit dem Meere überschwemmete, und zugleich ein ungeheures Seethier abschickte, welches dasselbe weit und breit verheerete. Diesem Uebel konnte denn nicht eher gesteuret werden, als bis des Cepheus und der Kassiopea Tochter, Andromeda, besagtem Seethiere bloß gestellet wurde, die aber Perseus noch befreyete. Apollod. l. II. c. 4. §. 3. Einige wollen, sie hätten selbst dieses Seethier dem Cepheus zugeschickt, und wären es wohl zufrieden gewesen, daß Perseus die Andromeda erlöset, weil solche ihnen nichts zuwider gethan, ihre Mutter aber für ihren Hochmuth schon genug geängstiget geworden. Lucian. Dial. Deor. 22. Sonst bestund ihr Thun in nichts, als daß sie sich auf dem Wasser lustig macheten, tanzeten und spieleten: doch sollen sie auch zuerst den Menschen die Art und Weise gezeiget haben, des Bacchus und der Proserpina Fest zu begehen. Orph. Hymn. XXIII. v. 11. Sie hatten hiernächst die Macht, das ungestüme Meer zu stillen, Hesiod. Theog. v. 252. und begleiteten insonderheit die Wagen der vornehmsten Meergötter, als Neptun, Plato in Critia. p. 1105. Virgil. Aen. V. v. 325. Tritons, Orph. l. c. v. 4. u.s.f. [1724] wie sie denn auch die aus dem Meere hervorsteigende Venus umgaben. Paus. Cor. c. 1. p. 87.
5 §. Gestalt. Sie waren, wie bereits gesagt worden, von einer vortrefflichen Schönheit, und liebreizend. Hesiod Theog. v. 241. Man lobet an ihnen bald die rosenfarbenen Arme, ld. ib. 247. 251. bald die schönen Füße, Id. ib. v. 254. bald ihre schönen Kränze, Id. ib. v. 255. bald ihren ganzen wohlgestalten Leib, Id. ib. 200. bald ihr angenehmes und lustiges Wesen, Id. ib. v. 245. 246. 251. 256. 259 u.s.f. Einige legen ihnen insonderheit grüne Haare bey. Horat. l. III. Od. 28. v. 10. Insgemein sitzen sie auf Delphinen, Meerrossen und andern Seethieren, worunter nicht selten auch Seeunge heuer sind Caudian de nupt. Hon. & Mar. v. 159. Dergleichen findet man eine ganze Schaar um Neptuns Wagen herum auf einer alten Musivarbeit zu Rom. Montfauc. suppl. aux. Ant. expl. T. I. pl. 27. So sieht man auch auf einem geschnittenen Steine eine auf einem Meerdrachen, welche in der rechten Hand einen Stab und mit der linken ihr Gewand hält, womit sie fast völlig bekleidet ist. Auf dem Haupte, aber trägt sie eine phrygische Mütze. Lipperts Dactyl. 1 Taus. 74 N. Auf einem vortrefflich gearbeiteten Cameo findet sich eine in gedoppelter Kleidung mit einem Diadem auf dem Haupte; welche auf einem Seepferde sitzt, dessen Hals sie mit ihrem linken Arme sanft umfaßt: mit der rechten Hand aber hält sie ihren Mantel, den ihr ein sanfter Wind in die Höhe hebt und gleichsam zu einem Schirme machet. Borioni Collect. antiq. t. 49. Sonst sind sie meistens nur am Unterleibe etwas bedecket, und führen öfters einen Schild in der Hand; Massei gem. ant. P. III. t. 91. auf welchem zuweilen ein Medusenkopf zu sehen ist. Buonar Osserv. sopra alc. Med. p. 113. Sie wurden auch wohl gebildet, daß sie so, wie andere Götter, wenigstens auf zweyspännigen Wagen fuhren. Paus. Eliac. prior c. 19. p. 324. Man hat auch einen Carneol. auf welchem eine auf zweyen Wallrossen sitzt. Maffei. l. c. t. 90. Auf [1725] einem herkulanischen Gemälde hat eine, die auf einem Seepferde liegt, welches sie mit einem leichten Zaume in der linken Hand regiert, blondes Haar, wie auch Lykorias und Arethusa gehabt haben. Virg. Georg. IV. 339 & 352. Es ist sehr dick und zum Theile mit einem kleinen Kopfbande oben zusammengefaßt Mit der rechten Hand hält sie ihr aufgeflattertes dunkelrothes Kleid mit gelber Einfassung, welches ihr durch eine Schnur kreuzweis über den Leib geheftet ist; und an den Armen und Füßen hat sie goldene Ringe. Pitt. ant. d'Ercol. T. III. tav. 16. Auf einem andern liegt eine andere mit ganz bloßem Rücken über einem Seetieger oder Panther mit einer wasserfarbichten Haut voller dunkeln Flecken. Sie hat ebenfalls blonde eingeflochtene Haare, mit Perlen in den Ohren, goldene Armbänder und eine goldene Schnur über den Rücken, welche ihr grünes gelb eingefaßtes Kleid hält, das vor ihrer Brust flattert. Sie gießt aus einem goldenen Kruge etwas in eine goldene Schale, die sie dem Thiere unterhält, das daraus lecket. Ivi tav. 17.
6 §. Verehrung. Sie hatten hin und wieder in Griechenland, und zwar insonderheit an den Seeküsten ihre Tempel oder doch geheiligte Altäre. Pausan. Cor. c. 1. p. 87. & ad eum Kuhn. l. c. So hatten sie auch in Lakonien ihren besondern Hayn, weil sie daselbst aus dem Meere empor gekommen seyn sollten, den Pyrrhus, des Achilles Sohn, zu sehen, wie er auf sein Beylager mit der Hermione nach Sparta da vorbey gezogen. Id. Lacon c. ult. p. 214. Man pflegte ihnen ein Räuchwerk (Thymiama) und Gewürz zu opfern, Orph. Tit. Hymn. XXIII. und sie insonderheit darum zu verehren, weil man glaubete, daß sie einem sowohl viel schaden, als nutzen könnten. Chartar. Imag. 34. Ihnen waren besonders die Eisvogel heilig. Theocrit Idyll. VII. v. 59.
7 §. Eigentliche Beschaffenheit. Einige halten sie für eine besondere Art der Meergeschöpfe, dergleichen ehemals an dem Ufer bey Lissabon in Portugal, gefunden worden, die zwar von oben [1726] her einem Menschen ähnlich, jedoch voller rauhen Schuppen gewesen, und, da sie gestorben, einen Laut von sich gegeben, den man gar weit hören können. Plin. H. N. l. IX. c. 5. Es soll auch dergleichen einsmals durch den Sturm an das Ufer in Morea ausgeworfen seyn, das gar angenehm von Gesichte ausgesehen, jedoch aber auch voller Schuppen gewesen, und, da es sich auf dem Trockenen nicht helfen können, geweinet und gewinselt, bis Theodor Gaza das Volk aus dem Wege gehen heißen, da es sich denn mit großem Bemühen wieder ins Wasser geholfen, und, als es sich in dasselbe gestürzet, mit großer Gewalt durchhin geschwommen, bis es den Zuschauern aus den Augen gekommen. Eben dergleichen will auch Georg von Trapezunt ehemals gesehen haben, die auf dem Wasser gespielet, und sich bald in dasselbe untergetauchet, bald wieder hervor gekommen; allein, da sie gewahr geworden, daß man ihr zusehe, nicht wieder aus dem Wasser empor gekommen sey. Alex. ab Alex. l. III. c. 8. Andere halten sie für die Seelen derer, die auf der See umgekommen, oder auch die Inseln des mittelländischen Meeres zuerst bewohnet. Cleric. ad Hes. Theog. v. 240. Noch andere machen sie liebers zu ehemaligen Königinnen besagter Inseln und der angränzenden Länder, welche entweder die Schifffahrt oder Kaufmannschaft befördern helfen, unter denen sich denn einige wirkliche Töchter des Nereus mit befunden. Banier Entret. X. ou P. I. p. 301. Dess. Erl. der Götterl. III B. 545 S. Allein, einige machen aus ihnen auch nichts, als die Beschaffenheiten des Meeres selbst. Voss. Theol. gent. l. II. c. 77.
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