[1960] PHAËTHON, ontis, Gr. Φαέθων, οντος, (⇒ Tab. VI.)
1 §. Namen. Dieser soll nach einigen von φάος, Licht, und ἄιθειν brennen, zusammen gesetzt seyn; Faber Lexic. in Phaëthon, p. 1806. nach andern aber von φαέθειν, leuchten, herkommen, woher φαέθων, οντος, so viel als Leuchtender, oder Glänzender, heißt. Hes. Theog. v. 769. Cf. Becmann. Orig. LL. in Teagro, p. 486. Indessen soll er zuerst eigentlich Eridanus geheißen haben, und nachher Phaethon seyn genannt worden, da er mit dem Sonnenwagen so unglücklich gewesen war. Serv. ad Virg. Aen. VI. 659.
2 §. Aeltern. Diese sind, nach einigen, Klymenus, ein Sohn des Sol, und die Merope, eine Nymphe, Hygin. Fab. 154. Doch machen ihn die meisten zu des Sol und der Klymene Sohne. Ovid. Met. II. v. 19. Serv. ad Virg. Ecl. VI. v. 62. Hygin. Fab. 152. & al. Des Cephalus und der Aurora Sohn aber hält man für einen ganz andern. Ceric. ad Hes. Theog. 987.
3 §. That, Tod und Erfolg. In seiner Kindheit spielete sein Großvater, Ocean, eines Males mit ihm, und ließ ihn ungefähr ins Wasser fallen; welches derselbe sogleich als eine Vorbedeutung seines künftigen Falles ansah. Bey anwachsenden Jahren übete er sich fleißig im Fahren, und verkleidete sich oft dabey, als sein Vater. Nonni Dionys. l. XXXVIII. 160. sqq. Als er und Epaphus, Jupiters Sohn, beyde noch junge Herren, wegen ihres Herkommens in einen Wortwechsel geriethen, und dieser jenem nicht zugestehen wollte, daß sein Vater Apollo, oder Sol gewesen, so klagete er es seiner Mutter. Diese gab ihm den Rath, die Gewißheit seiner Geburt selbst vom Apollo einzuziehen. Ovid. Met. I. 750. Er machte sich daher zu demselben, und erhielt von ihm, daß er ihm bey dem Styx schwur, das zu geben, was er verlangen würde. Sogleich bath[1960] sich Phaethon aus, er möchte ihn einen Tag lang den Sonnenwagen regieren lassen. Dieses suchete ihm Sol auf alle Art auszureden, weil er dessen Schicksal vorher wußte. Da aber Phaethon, ungeachtet aller vorgestellten Gefahr, dennoch auf seinem Sinne bestehen blieb, so übergab ihm Apollo oder Sol endlich, unter allerhand nöthigen Erinnerungen, den verlangten Wagen, den er auch bestieg. Ovid. Metam. II. 1.–152 Nonn. l. c. 190. sqq. Allein, so bald die Pferde davor merkten, daß sie nicht ihren gewöhnlichen Führer hatten, so schritten sie aus dem ordentlichen Wege. Er trieb sie zur Unzeit an; und ob ihn gleich Lucifer warnete, so ließ er sich doch nicht abrathen. Die Pferde, die der Peitsche nicht gewohnet waren, wurden dadurch noch wilder. Nonn. l. c. 321. Sie kamen den kalten Trionen so nahe, daß sie vor Hitze sich ins Meer zu senken suchten, der sonst vor Kälte starrende Drache erhitzet und grimmig wurde, Bootes vor Wärme seinen Wagen im Stiche ließ, und sich zu retten suchte. Phaethon sah dabey hinunter auf die Erde: es setzete ihn aber die grausame Höhe dermaßen außer sich selbst, daß ihm ganz schwarz vor den Augen wurde. Wie er nun auch mittler. Weile so wohl andere grausame Thiere am Himmel, als zuförderst den Scorpion, erblickte, der ihm mit seinem Schwanze zu drohen schien, so ließ er die Zügel vollends vor Furcht fahren; und, da solches die Pferde merketen, so schweifeten sie bald auf, bald nieder. Ovid. l. c. 171.–209. Sie durchstreifeten alle Himmelsgegenden ohne Ordnung; und alle Himmelszeichen geriethen unter einander. Nonn l. c. 348. Sie stecketen also dort die Wolken in Brand, hier aber machten sie, daß die Erde vor Hitze von einander borst, alles Gras weiß wurde, die Bäume und Feldfrüchte mit ganzen Städten und Völkern verbrannten, die größten Berge in Flammen geriethen, so daß auch der Sonnenwagen selbst anfieng, glüend zu werden, und Phaethon vor Hitze, auffliegender Asche [1961] und Rauche nicht mehr zu bleiben wußte. Die Mohren wurden hierbey schwarz, Libyen wurde dürre, die Brunnen Dirce, Amyone u.a. vertrockneten, und die Flüsse Tanais, Xanthus, Euphrates, Ganges, Rhein, Rhone und Tyber fiengen an zu sieden; im Tagus zerschmolz das Gold, und Nilus versteckte vor Hitze seinen Kopf. Pluto und Proserpina erschracken, als das Licht durch die geborstene Erde hinunter zu ihnen fiel; und Neptun wollte zwar dreymal sehen, was es über dem Wasser gäbe, mußte sich aber auch sofort wieder wegen Hitze in dasselbe verbergen. Tellus steckete endlich nur den Kopf aus der Erde, und indem sie die Hand vor das Gesicht hielt, rief sie den Jupiter mit heiser und vor Dampfe und Hitze ganz rauhen Stimme um Hülfe an. Nun hätte er zwar der Erde gern mit seinem Regen geholfen: allein, dieser war vertrocknet; daher er denn endlich den elenden Phaethon mit dem Blitze von dem Sonnenwagen herunter schlug, worauf denn die Pferde ihr Geschirr von den Hälsen warfen, und der ganze Wagen in Stücke zertrümmert wurde. Phaethon flatterte also, als ein fallender Stern, mit brennenden Haaren aus der Höhe herunter in den Eridanus, welcher davon einen so häßlichen Geruch ausdünstete, daß kein Vogel darüber fliegen konnte. Apollon. l. IV. 597. Die Naiden begruben ihn darauf. Sein Vater Sol oder Apollo verbarg vor Trauern einen Tag sein Gesicht; jedoch wurde die Welt von denen hin und wieder erregten Feuersbrünsten erleuchtet: Klymene aber suchte den ertödteten Phaethon, als unsinnig, auf der ganzen Erde, bis sie ihn fand. Seine Schwestern wurden zuletzt in Erlen, sein guter Freund, Cygnus, aber in einen Schwan verwandelt. Apollo wollte darauf aus Verdrusse den Sonnenwagen nicht mehr regieren: jedoch ließ er sich endlich der gesammten Götter Bitten und des Jupiters beygefügtes Drohen wieder darzu bewegen. Erbrachte die zerstreueten und vor Furcht annoch zitternden Pferde[1962] wieder zusammen, und schlug heftig genug auf sie zu, weil er Phaetons Unglück ihrer Unbändigkeit zuschrieb. Indessen sah Jupiter selbst nach, ob etwan der Himmel einigen Schaden vom Feuer erlitten hätte, und ergänzete das sorgfältig wieder, was an der Erde dießfalls versehret worden. Ovid. l. c. 210–408 & brevius Lact. Placid. Narrat. l. II. Fab. 1. 2. 3. 4. 5 cf. Hygin. Fab. 152. & 154. Lucret. l. V. Diodor. Sic. l. V. c. 23. Lucian. Dial. Deor. 12. & Fulgent. Mythol. l. I. c. 15. Phaethon aber wurde der Fuhrmann am Himmel Nonn. l. c. 424. Man findet diesen Fall nebst der Verwandlung der Schwestern des Phaethons und des Cygnus noch auf einer erhabenen Arbeit in der Villa Borghese deutlich abgebildet. Winkelm. mon. antichi 42. p. 49. Er allein kömmt auch auf einer Gemme vor, wo aber nicht viel Kenntniß von der Mythologie gewiesen ist. Der Sonnenwagen, welcher sonst vier Pferde haben sollte, ist nur mit zweyen bespannt und außer dem sehr nach neuer Art. Phaethon liegt auf der Erde und nicht in einen Fluß gestürzet. Maffei gem. ant. T. III. n. 97. Auf einem andern sieht man ihn noch auf dem Wagen stehen, wie er eben im Begriffe ist, zu stürzen, und die wilden Pferde nicht mehr in Ordnung halten kann. Unten liegt ein Flußgott auf seinem Wasserkruge, der erstaunt in die Höhe sieht. Zwo Naiden fliehen mit umgestürzten Wasserkrügen davon; und eine dritte Nymphe fängt an, in einen Baum verwandelt zu werden, neben welcher ein Schwan steht. Beger. Thes. Brand. T. I. p. 209. Noch ein anderer zeiget überall Flammen, zwischen welchen die Pferde in völliger Unordnung sind, Phaethon todt dazwischen liegt, der Wagen zerbrochen ist, wovon man nur ein Rad erblicket, dagegen aber hinter den Pferden zween Vogelköpfe sieht, die man für Schwäne hält, und den einen für den Cygnus annimmt. Montfauc. ant. expl. T. I. P. I. pl. 65. p. 122. In dem angegebenen Gemälde von ihm haben die Pferde den Koller; die Erde hebt die Hände auf, Phaethon stürzet mit brennendem [1963] Kopfe und rauchender Brust herab in den Fluß, an welchem Schwäne sind, und seine Schwestern verwandelt werden. Philostr. Icon. l. I. c. 11. p. 780.
4 §. Eigentliche Historie. Einige erklären die ganze Dichtung durch eine außerordentliche und übermäßige Hitze, die bis in den September, da die Sonne in den Scorpion tritt, eines Males angehalten habe. Natal Com. l. VI. c. 1. p. 547. Man will, es wäre Feuer vom Himmel gefallen, und habe eine große Entzündung verursachet. Aristotel. de mundo. c. 6. p. 614. T. I. Dieser Feuerregen soll sich zu des Cekrops Zeiten in Griechenland und dem Oriente eräuget haben. Euseb. in Can. Chron. p. 110. Weil nun solches Feuer von dem Einflusse der himmlischen Körper entstanden, so habe man es insgemein Phaethons Entzündung genennet. Oros. ap. Boccacc. l. VII. c. 41. Einige haben so gar gemeynet, es wäre solche durch einen Kometen verursachet worden. Nat. Com. l. c. p. 549. Andere geben solchen Phaethon für einen König in Molossien an, Plutarch. in Pyrrho c. 1. p. 383. welcher ein guter Sterndeuter gewesen, und daher aus dem Gestirne ersehen, daß eine große Hitze sein ganzes Land verderben werde, aus dem er sich denn hinweg gemacht, und endlich in dem Po ertrunken sey. Ban. Entret. XIX. ou P. II. p. 273. Dess. Erl. der Götterl. III B. 381 S. Insbesondere soll er sich bemühet haben, den Lauf der Sonne zu erforschen. Weil er aber darüber gestorben, ehe er solchen völlig erkannt, so habe man gesaget, er sey von ihrem Wagen gestürzet. Lucian. de astrol. p. 852. T. I. Die dritten machen den ägyptischen König Amenophis aus ihm; Abel Hist. Monarch. l. I. c. 4. §. 13. oder setzen doch wenigstens die ganze Begebenheit nach Aegypten. Voss. de Theol. gent. l. II. c. 4. Hieraus muthmaßet man denn, daß Phaethon wohl den Horus, dessen Dienst nachher mit der Sonnen Dienste vermenget worden, oder den Osiris zu seinem Vorfahren könne gehabt haben. Ban. l. c. Die vierten deuten seine Historie auf den Untergang der Städte [1964] Sodom und Gomorra; Banier l. c. die fünften insonderheit seinen Sonnenwagen auf den Wagen des Elias, und machen auch selbst aus dem Helius, oder der Sonne, den Elias. Chrysostom. ap. eumd. ll. cc. Für den Fluß Eridanus, in welchen Phaethon gestürzet seyn soll, hält man insgemein den Po, der auch von einigen ausdrücklich deswegen angegeben wird. Hygin. Fab. 154. & Munck. ad il. Indessen reden doch einige von einem celtischen Eridanus, der von dem andern unterschieden ist, und ihn aufgenommen haben soll. Schol. Apollon. ad l. IV. 596. Pausan. Att. c. 3. p. 6. Man hat ihn also in denjenigen Gegenden gesuchet, wo der Bernstein gefunden wird, weil doch solcher von den Thränen seiner Schwestern entstanden seyn soll. Hier hat man ihn in dem kleinen Flusse Radaune bey Danzig angetroffen, welcher in die Weichsel fällt. Bochart. Hierozoic. l. VI. c. 15. Dieß ist denn der aus einem Druckfehler vieleicht entstandene Reidan, welcher so unbekannt seyn soll. Ban. Erl. der Götterl. III B. 386 S.
5 §. Anderweitige Deutung. Einmal lehret er, daß sich junge Leute keiner Dinge unterfangen sollen, denen sie nicht gewachsen sind. Insonderheit aber soll er einen jungen Regenten vorstellen, der Land und Leute noch nicht zu regieren weis, und sie also gar leicht in das äußerste Verderben bringt. Hiernächst aber lehret er auch, daß Aeltern ihren Kindern nicht versprechen und geben sollen, was zu ihrem Verderben dienen kann. Omeis Myth. in Phaëthon, p. 204. Andere deuten die Sonne auf die Wärme, die Klymene auf die Feuchtigkeit, welche beyde die φαίνοντα, oder erscheinenden Gewächse hervor bringen, die aber auch eine allzu große Hitze wiederum verbrennet, u.w.d.m.i. Fulgent. Mythol. l. I. c. 15. cf. Nat. Com. l. VI. c. 1. p. 548.
Buchempfehlung
Als einen humoristischen Autoren beschreibt sich E.T.A. Hoffmann in Verteidigung seines von den Zensurbehörden beschlagnahmten Manuskriptes, der »die Gebilde des wirklichen Lebens nur in der Abstraction des Humors wie in einem Spiegel auffassend reflectirt«. Es nützt nichts, die Episode um den Geheimen Hofrat Knarrpanti, in dem sich der preußische Polizeidirektor von Kamptz erkannt haben will, fällt der Zensur zum Opfer und erscheint erst 90 Jahre später. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, der Jurist Hoffmann ist zu dieser Zeit Mitglied des Oberappellationssenates am Berliner Kammergericht, erlebt er nicht mehr. Er stirbt kurz nach Erscheinen der zensierten Fassung seines »Märchens in sieben Abenteuern«.
128 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro