[2457] VICTORIA, æ, Gr. Νίκη, ης, (⇒ Tab. III.)
1 §. Aeltern. Diese sollen Pallas, des Hyperions und der Thia Sohn und die Styx gewesen seyn. Hesiod. Theogon. v. 384. Hygin. Præf. p. 11. & Apollod. l. I. c. 2. §. 4. Jedoch machen sie auch einige zu einer Tochter des Acherons. Boccacc. l. III. c. 10. Noch andere geben den Pallas, Lykaons Sohn, zu ihrem Vater an, bey dem [2457] Minerva soll seyn auferzogen worden, welche denn hernach seiner Tochter noch einen Platz unter den Göttern verschaffet hat. Ap. Gyr. Synt X. p. 322.
2 §. Wesen. Die Griechen und Römer hielten sie für die Göttinn des Sieges. Augustin. de C. D. l. IV. c. 14. & ad eum Vives & Coqueus l. c. Sie war eine Gefährtinn des Mars, Serv. ad Virg. Aen. XII. wie auch der Minerva. Phurnut. de N.D. c. 20. Als Jupiter von den Titanen in dem Himmel angegriffen wurde, so stund sie mit ihrem Geschwister, dem Eifer, der Stärke, und der Gewalt, auf dessen Seite, und half nicht wenig dazu, daß solcher endlich die Oberhand behielt, wofür sie denn allezeit ihren Sitz und Aufenthalt bey dem Jupiter in dem Himmel behielten. Hes. Theog. v. 386.
3 §. Bildung. Sie wird als ein junges, holdseliges Frauenzimmer vorgestellet, welches bald ganz, bald nur am Unterleibe bekleidet ist, und gemeiniglich einen Lorberzweig in der einen, und einen Palmzweig in der andern Hand hat, dabey aber geflügelt ist. So trifft man sie auf vielen Münzen entweder stehend oder gehend an. Angeloni histor. Aug. p. 247. 326. 336 & c. Buonar. Osserv. sop. alc. Medag. p. 147. 306. & alibi. So findet man sie auch auf andern Denkmälern, und geschnittenen Steinen. Montfauc. ant. expl. T. I. P. II. pl 208. Mariet. pier. grav. T. II. P. I. pl. 118. Zuweilen geht sie vor einem sie greicheinherreitenden und mit Soldatenzeichen umgebenen Helden einher, oder steht hinter ihm, demselben einen Kranz aufzusetzen. Buonarotti l. c. p. 257. & 261. Auf einer Münze des Maxentius trägt er selbst noch ein Siegesbild zugleich in der Hand. Corrar. num. ær. max. mod. t. 85. Sie fliegt ihm auch wohl entgegen, ihm den Kranz aufzusetzen, wie auf einer Münze des Kaisers Commodus. Buonar. l. c. p. 143. Auf diese Art sieht man sie noch in einem langen und flatternden weißen Kleide, mit einem Saume oder Bande oben an dem Theile, welcher die erhabenen Brüste bedecket. Ihr aufgelösetes, aber an der Stirne[2458] wohl geordnetes Haar fliegt über ihre linke Schulter. In der rechten Hand hält sie einen Kranz von Eichenlaube. mit Golde erhöhet, und in der linken einen Schild. Pitt. ant. d'Ercol. T. II. t. 40. Man findet sie zuweilen mit einem Kranze in beyden Händen gegen einen Schild zufliegen, der an einer Säule hängt. Biæus & Croyac. l. c. t. XV. n. 13. 16. Diesen Kranz will sie auf einer Münze des Titus, einem Paniere aufsetzen. Angeloni l. c. p. 88. n. 7. Auf einer vom L. Vinicius aber wirst sie vier dergleichen aus, welches auf vier Siege des Augusts deuten soll Havercampi Thes. Morell. T. I. p. 449. Mannichmal steht sie mit ihren Zeichen auf einer Kugel; Croyac. l. c. tab. XV. n. 11. 12. und so sieht man sie auch auf einem geschnittenen Steine, welches besonders einen Sieg zu Lande andeuten soll. Chausse gem. ant. t. 88. Einen Sieg zur See aber deutet es an, wenn sie auf einem Schiffsschnabel steht. Id. ib. t. 99. In solcher Stellung erblicket man sie gleichfalls auf einigen Münzen. Croyac. l. c. t. 29. n. 4. Jedoch steht sie auch wohl auf einem ganzen Ruderschiffe. Beger. Thes. Brand. T. II. p. 659. Nicht selten hat sie eines dieser Zeichen mit einem andern verwechselt. So sieht man sie auf einer Münze des Augusts mit einer Fahne und dem Kranze auf einer Kugel stehen Croyac. l. c. t. 12. n. 4. Auf einer Münze des Kaisers Probus aber mit dem Kranze und einem Trophäum, wobey sie noch einen Donnerkeil unter sich im Abschnitte hat Angel l. c. p. 347. n. 4. Oft trägt sie das Trophäum nurallein, wie auf einer Münze des Marc. Aurelius, wo noch ein Sclav vor ihr sitzt Id. ib. p. 103. n. 15. Auf einer andern des Severus aber hat sie zugleich ein Kind angefaßt, und eilet damit hinweg. Croyac. l. c. t. 53. n. 10. Eine Münze des Kaisers Commodus zeiget sie mit einem Palmzweige und einem Schilde, wobey sie auf andern Schildern sitzt. Angeloni l. c. p. 217. n. 20. Auf einer vom Septimius Severus hat sie noch ein Siegeszeichen vor sich stehen. Id. ibid. p. 243. n. 18. [2459] Mit eben denselben Zeichen steht sie auf einer andern des Kaisers Valerians. Id. ib. p. 319. n. 3. Man sieht sie vielfältig ein Schild an einen Palmbaum heften oder hängen, und darauf schreiben; Id. ib. p. 73. n. 5. p. 80. n. 3. & alibi. oder sie hält solches auch nur vor sich auf dem Knie, und schreibt darauf. Beger. l. c. p. 597. 751. & al. Gemeiniglich setzet sie dabey den Fuß auf einen Helm, oder auf eine Kugel. Ild. ll. cc. Auf einigen Münzen hat sie das Schild zu dieser Verrichtung auf einen bekränzten Altar oder auf eine Säule gesetzet; Croyac. l. c. t. 22. n. 13. t. 65. n. 2. wo es ihr nicht von einem Genius vorgehalten wird, da sie auf den eroberten Waffen sitzt. Ibid. n. 6. Von diesen errichtet sie selbst auf einer Münze des Vitellius ein Trophäum, an dessen Fuße ein Gefangener sitzt. Angeloni l. c. p. 73. n. 6. Auf einer Münze des Kaisers Decentius tritt sie einen vor ihr auf den Knien liegenden Gefangenen auf den Rücken. Corrar. l. c. t. 86. Zu Zeiten fährt sie auf einem zweyspännigen Wagen, so wohl auf Münzen, als Gemmen; Croyac. l. c. t. 53. n. 19. Mariet. l. c. t. 119. oder wohl gar auf einem vierspännigen Beger. l. c. p. 590. Angel. l. c. p. 171. n. 13. Auf einer schönen Paste findet man sie mit einem Siegeszeichen in ihrem linken Arme auf einer Weltkugel, auf einem Altare stehen, neben welchem an jeder Seite einer kniet, der ein römisches Panier in die Höhe hält. Maffei gem. ant. P. III. t. 68. Anderer Vorstellungen mehr zu geschweigen. Conf. Agostini Dialog. II. p. 50. sqq. Im Anfange war sie ohne Flügel, wie sie auch auf einer Münze des Kaisers Titus vorkömmt. Angeloni l. c. p. 88. v. 8. Es soll ihr aber zuerst Agläphontes, oder, nach andern, des Bupalus Vater dergleichen angeheftet haben, um ihre Unbeständigkeit damit zu bedeuten. Schol. Aristoph ad av. 275. Die Athenienser verehreten sie noch unbeflügelt. damit sie desto sicherer bey ihnen bliebe. Pausan. Att. c. 22. p. 39. & Lacon. c. 15. p. 189. Es fand sich auch dergleichen Bild zu Olympia, das [2460] von den Mantinäern herrühren sollte. Id. Eleat. pr. c. 26. p. 340.
4 §. Verehrung. Sie wurde zwar auch von den Griechen, vornehmlich zu Athen, verehret, woselbst sie zum wenigsten ihre Kapelle hatte; Pausan. Att. c. 22. p. 39. jedoch thaten solches vor allen andern die Römer. Bey denselben hatte sie verschiedene Tempel in der achten Region; Sext. Ruf. ap. Nardin. l. V. c. zu höchst auf dem palatinischen Berge in der zehnten Region, Panvin. ap Rosin. l. I. c. 13. p. 48. und endlich auf dem aventinischen in der dreyzehnten Region. Id. ap. eumd. l. c. p. 52. Jedoch ziehen diesen letztern einige in Zweifel. Nardin l. VII. c. 11. Ihre Bildsäule von Golde, drey hundert und zwanzig Pfund schwer, stund in dem Tempel des capitolinischen Jupiters, und war vom Hiero, Könige in Sicilien, ehemals nach Rom verehret worden. Liv. l. XXII. c. 37. In dem Tempel befanden sich unterschiedene andere derselben, von denen das Wetter einstens die oberste herunter schlug, welche die untersten aber noch auf, hielten Id. l. XXVI. ς. 23. Die Kapelle der Victoriä Virginis errichtete M. Cato. Id. l. XXXV. c. 9. Ihr Fest, welches schon die Arkadier in Italien eingeführet hatten, wurde den ersten November gefeyret, Augustus aber errichtete ihr einen besondern Altar in der Curia. Struv. Synt. Ant. Rom. c. 9. p. 427. Diesen ließ der Rath bey überhandnehmendem Christenthume wie, derum wegreißen, wowider sich Symmachus auf das heftigste setzete, Ambrosius aber die Sache vertheidigte. Coqueus ad Augustin. de C. D. l. IV. c. 14. Dieß gab zu den Schriften zwischen ihnen beyden Gelegenheit, und zugleich Anlaß, daß Symmachus darüber ins Elend gehen mußte. Cave hist. litt. Sæc. Arian. p. 199.