Franciscus Salesius, S. (1)

[255] 1S. Franciscus Salesius, Ep. C. et Ord. Fund. (29. Jan.) Der hl. Franz von Sales wurde am 21. Aug. 1567 auf dem gleichnamigen Schlosse Sales in Savoyen, Diöcese Genf, 3 Stunden von Annecy, geboren und auf den Namen des hl. Franciscus von Assisi getauft. Sein Vater Franz von Sales war einem der edelsten und ältesten Geschlechter Savoyens entsprossen; seine Mutter Francisca von Sionas, stammte aus dem Hause Charansonet. Aller Vorsicht derselben ungeachtet, kam Franz im siebenten Monate zur Welt, und erforderte sohin seine Pflege und Erziehung große Sorgfalt. So zart und schwächlich indessen sein Körper war, zeigte er dennoch bereits in früher Kindheit eine große Stärke des Geistes. Sobald er die ersten Begriffe von Gott erhielt, liebte er ihn auch herzlich, und die ersten Laute, die er lallte, waren: »Gott und meine Mutter lieben mich sehr!« Er bewies eine Sanftmuth, Gelehrigkeit, eine Nachgiebigkeit und Mäßigung, wie man sie bei Kindern, die den ersten Eindrücken der Natur unterworfen sind, gewöhnlich nicht zu finden pflegt. Als Kind von sechs Jahren wurde er in das Collegium von Rocheville und dann in jenes von Annecy geschickt. Sein ausgezeichnetes Talent unterstützte er mit einem ebenso ausgezeichneten Fleiße, daß er in kurzer Zeit bedeutende Fortschritte machte. Später sandten ihn seine Eltern zur Fortsetzung seiner Studien nach Paris, im J. 1578. Johann von Daage, ein tugendhafter und gelehrter Priester, wurde ihm zum Führer und Begleiter mitgegeben. Er besuchte die Vorlesungen der Jesuiten über Rhetorik und Philosophie. Die Theologie studirte er theils unter den Augen der genannten Väter, theils in den Schulen der Sorbonne. Maldonat war sein Hauptlehrer; seine Sprachstudien leitete der gelehrte Benedictiner Genebrard. Um die heil. Schrift, die er täglich mit Erbauung und Freude las, dem Grundtexte nach verstehen zu können, studirte er eifrig die alten [255] Sprachen. Seine ununterbrochenen Studien sicherten ihn gegen die Gefahren, welchen der Umgang mit seinen Mitschülern ihn sonst ausgesetzt hätte. Um jeder zweideutigen Verbindung mit Leuten seines Alters auszuweichen, verließ er sein Zimmer nur, wenn er die Kirche oder die Collegien besuchte. Da ihm die Kirche zum hl. Stephan von Grès am geeignetsten schien zur geistigen Sammlung, so besuchte er dieselbe vorzugsweise. Hier war es, wo er vor dem Bilde der allerseligsten Jungfrau knieend die reine Gottesmutter zur Zeugin des Gelübdes ewiger Keuschheit nahm, das er daselbst ablegte. Der Grund, welcher ihn hiezu bewog, war, sich zu um so größerer Wachsamkeit über Alles zu verpflichten, was der Reinheit seines Herzens Abbruch thun konnte; und der Herr segnete seinen Entschluß und krönte seine Hoffnungen. Noch ehe im Jünglinge die Reize der Sinnlichkeit erwacht waren, gegen die er sich so weise bewaffnete, ließ Gott ihn in eine schwere Versuchung gerathen. Die Helle seines Geistes wurde umnachtet, und der Friede seiner Seele durch Stürme getrübt. Geistige Trockenheit und Unlust beengten sein Herz. Was immer bis dahin ihn erfreut hatte, eckelte ihn nun an. Andachtsübungen, gute Werke, Betrachtung, Gebet und wissenschaftliche Studien hatten jetzt für ihn etwas Langweiliges, Ermüdendes und Zurückstossendes. Es erwachte in seinem Gemüthe und in seiner Einbildung finstere Verzweiflung. Der schreckliche Gedanke, er sei von Gott verworfen, hatte in seinem Gemüthe Raum gewonnen und seinen Geist niedergedrückt. Wie schrecklich mußte dieses Gefühl für ihn seyn, der mit der innigsten Liebe an Gott hing, und keine andere Seligkeit kannte, als einst auf ewig mit ihm, dem einzigen Gegenstande seiner Liebe, vereint zu werden. War er allein, so brach er in Klagen und Thränen aus. Da er sich sedoch Zwang anthun mußte, seiner Umgebung den tiefen Seelenschmerz zu verbergen, so ward seine ganze Gesundheit untergraben, und es kam so weit, daß man für sein Leben zu fürchten anfing. Endlich ging er, vom heil. Geiste geführt, eines Tages in die Kirche, und flehte zur allerseligsten Jungfrau, daß durch ihre Fürbitte der verlorene Seelenfriede ihm wiederkehre. Er betete mit der Wehmuth eines Gott inbrünstig liebenden Herzens, daß, wenn er einmal so unglücklich seyn sollte, dem Strafgerichte unterworfen zu werden, Gott ohne Unterlaß entbehren zu müssen, er ihm doch wenigstens die Gnade verleihen möchte, ihn in diesem Leben aus voller Seele lieben zu können. Franciscus ward erhört; der ersehnte Friede kehrte in sein wundes Herz zurück, und mit ihm erlangte er auch zur Verwunderung seiner Lehrer die volle Gesundheit wieder. Nach einem sechsjährigen Aufenthalte in Paris begab sich Franciscus auf den Wunsch seines Vaters im J. 1584 nach Padua, der gleichfalls berühmten Hochschule Italiens. Der ausgezeichnete Ruf, in welchem die Professoren der Rechte auf jener Hochschule standen, zog aus allen Ländern eine Menge junger Studirender dahin, so daß man das jugendliche Sittenverderbniß Europa's dort vereinigt fand, was für Leute im Alter unseres Franciscus sehr gefährlich war. Dieser aber hatte bald unter den gelehrten Meistern jener Hochschule den frömmsten und gelehrtesten erkannt, und diesen wählte er sich zum geistlichen Führer. Es war P. Possevin aus der Gesellschaft Jesu. Dieser gelehrte Mann, den Franciscus' schöner Geist nicht minder als die Reinheit seiner Sitten ansprach, leitete seine Ausbildung in der Theologie, und der dankbare Schüler benützte dessen geistreiche Vorträge in der Folge bei der Bekehrung der gewandtesten Häretiker mit vielem Segen. Die Sanftmuth seines Herzens, die seinem Angesichte einen ganz eigenen einnehmenden Liebreiz verlieh, der auch in alle seine Handlungen sich ergoß, sicherten ihm allgemeine Zuneigung, sowie ein gewisser tugendhafter Ausdruck, der auf seiner Stirne ruhte, den Jünglingen, mit denen er umgehen mußte, unwiderstehliche Achtung einflößte. Sie waren zurückhaltend in seiner Gegenwart. Da jedoch das fromme und eingezogene Leben des liebenswürdigen Jünglings für mehrere dieser Lüstlinge einen geheimen Vorwurf enthielt, und ihr eigenes Thun und Treiben mit seinem reinen Wandel keinen Vergleich aushalten konnte, ward ihr Unwille rege, und sie verschworen sich, ihn von der Bahn der Tugend mit List und Gewalt abzubringen. Unter dem Anscheine, den Pflichten des Anstandes nachzukommen, vermochten sie ihn zum Besuche einer Buhlerin. Franciscus hatte nicht die entfernteste Ahnung von der schändlichen Absicht. Nach einiger Zeit wußte jeder seiner Begleiter unter einem scheinbaren Vorwande sich zu entfernen, und der gutmüthige Jüngling blieb allein zurück.

[256] Seine Tugend sollte ein Opfer der Zudringlichkeit dieser verworfenen Dirne werden. Seine natürliche Sanftmuth vermochte es nicht, die Angriffe der Schamlosen zu besiegen; die gefährdete Keuschheit gebot ihm, Gewalt zu gebrauchen. Er ergriff ein brennendes Scheit Holz, und vertrieb so die Feindin seiner Tugend mit Gewalt von sich. Noch einmal wurden ihm ähnliche Schlingen gelegt, denen er aber gleichfalls glücklich entging, und wobei ihm noch die Freude ward, die zu seinem Verderben ausersehene Person zur Tugend zurückzuführen. Um sich aber gegen ähnliche und andere, äußere und innere Versuchungen für die Zukunft noch mehr zu waffnen, bot nun Franciscus Alles auf, was die erfindungsreichste Buße nur irgend Unschuldiges gegen den Sinnenreiz erdenken kann, und trieb dabei seine Strenge gegen sich so weit, daß er in eine Krankheit fiel, die Besorgnisse für sein Leben erregte. Mit Gottes Hilfe aber genas er wieder, und seine vollendeten Studien wurden durch die Ertheilung der theologischen und juristischen Doctorwürde gekrönt. Den Schluß seiner jugendlichen Ausbildung machte eine Reise in Italien, auf der er vorzüglich Rom und Loretto besuchte, an welch letzterem Orte er das Gelübde ewiger Keuschheit erneuerte. Hierauf kehrte er nach Savoyen in den Schooß seiner Familie zurück, wo er nun nach dem Erwarten seines Vaters eine eheliche Verbindung eingehen und die Laufbahn bürgerlicher Ehre betreten solte. Doch eine höhere Liebe hatte das Herz des jungen Mannes zur Wahl des priesterlichen Lebens gelenkt, welches Ziel er aber nicht ohne Kampf von Seite seiner Verwandten erreichen konnte. Am 8. Dec. 1593 ertheilte ihm der in Folge der »Reformation« in Annecy residirende Bischof von Genf, Claudius von Granier, die heil. Weihen und übertrug ihm die gerade erledigte Stelle eines Dompropstes an seiner Kirche. Die Ernennungsbulle ist vom 7. März des achten Jahres des Pontificates Clemens VIII. datirt. Bald stellte der Bischof unsern für Gottes Ehre und der Menschen Heil glühenden Franciscus an die Spitze einer Mission, die nach Chablais (Ducatus Caballiacensis) abging, um die Einwohner dieser Provinz wieder mit der katholischen Kirche zu vereinigen. Da die Irrlehre Luthers und späterhin Calvins in diesen Gegenden kaum eine Spur des katholischen Glaubens übrig gelassen hatte, schien der Erfolg dieser Mission sehr zweifelhaft; allein Franciscus ließ sich dadurch nicht abschrecken. Er begab sich zuerst nach Thonon, der Hauptstadt der Provinz, und so viel Widerspruch er auch bei den Bürgern dieser Stadt fand, arbeitete er dennoch wirksam an dem Unterrichte der Verirrten. Sein Vetter, Ludwig von Sales, Domherr zu Genf, war sein einziger Gehilfe. Ihn schreckten weder Drohungen noch Schmähungen, weder Verleumdungen noch Beleidigungen, ja er gab sein Leben den offenbarsten Gefahren preis. Trieb die Wuth der Verfolgungen ihn aufs Aeußerste, oder mußte er der Gewalt der Ketzer weichen; so verbarg er sich in dem Dunkel der Wälder, oder suchte, um den Nachstellungen zu entgehen, in Backöfen und Eisgruben einen Zufluchtsort. Mit dem ersten Strahle der wiedererwachenden Hoffnung kehrte er sogleich zurück. Die Salbung seiner Reden, verstärkt durch die Kraft der Wahrheit, führten so glänzende Erfolge herbei, daß der Papst in einem Breve ihm dazu Glück wünschte. Unterstützt durch das Ansehen des Herzogs von Savoyen führte er die vertriebenen Priester wieder in ihre Pfarreien zurück, und wies ihnen gemäß mit dem Herzog gepflogener Abrede die nöthigen Einkünfte zu ihrem Unterhalte an, ließ die Kirche des hl. Hippolyt zu Thonon wieder herstellen, und feierte in der Nacht des hohen Weihnachtsfestes zum erstenmal wieder die heil. Messe darin. Diese Kirche sah er seitdem als seine Kathedrale an, und betrachtete sich als den eigentlichen Pfarrer derselben. Ehe dieses Gotteshaus seiner ursprünglichen Bestimmung wieder gegeben war, mußte Frank von Sales täglich in der Schloßcapelle zu Allinges die heil. Messe lesen, und um es zu können, auch täglich auf einem Holzstamme die Durance passiren, was er mit einer Ruhe that, als ob er auf dem sichersten Fahrzeug säße. Einige Zeit darauf erhielt, Franciscus durch ein Breve des heil. Vaters den Auftrag, die Bekehrung Theodors von Beza zu versuchen. Die Aufgabe hatte viel Schwieriges; denn Beza galt für den geschicktesten reformirten Prediger. Er begab sich nach Genf, wo Beza wohnte, und lud ihn zu einer Unterredung ein. Franciscus blieb Sieger, und hatte sogar die Freude, seinen Gegner bis zu Thränen gerührt zu sehen; allein der Trost, ihn vollständig zu bekehren, wurde ihm nicht zu Theil. Beza war zu schwach, aus Liebe zur Wahrheit [257] auf seine Concubine zu verzichten. Seine Thränen sind das Geständniß dieser Schwäche. Dagegen trugen des heil. Mannes apostolische Anstrengungen in Chablais, Ternier und Geilard die reichlichsten Früchte. Die Gabe der Wunder, die der Herr ihm verliehen hatte, förderte sein Bekehrungsgeschäft sehr. Was er in Thonon während der Pest gethan, gränzt aus Wunderbare. Wiewohl Viele, die mit ihm die Pestkranken besuchten, von der schrecklichen Seuche dahingerafft wurden, fand man ihn doch immer am Krankenbette, Tag und Nacht die Beicht der Sterbenden hörend und die übrigen heil. Sacramente spendend. Nach dieser schwierigen, gegen Aller Erwarten aber glücklich vollbrachten, Mission wünschte ihn sein Bischof zum Coadjutor und Nachfolger im Amte. Franz von Sales fügte sich der dringenden Bitte desselben und unternahm zu diesem Zwecke eine Reise nach Rom, von wo er nach einer verdienten günstigen Aufnahme mit den Ernennungsbullen zum Coadjutor und Weihbischof von Genf, sowie zum Titularbischof von Nikopolis, zurückkehrte. Indeß die Vorsehung führte den Ernannten unmittelbar zur Regierung des Genfer Bisthums. Er empfing nämlich die Kunde von dem Tode seines Bischofs auf der Rückkehr von Paris, wohin ihn die kirchlichen Angelegenheiten der Landvogtei Gex gerufen, welche nach dem Frieden zwischen Heinrich IV. und dem Herzog von Savoyen an Frankreich gefallen war. Franciscus begab sich sofort nach dem Schlosse Sales, um hier durch eine zwanzigtägige Abgeschiedenheit unter Leitung des P. Fourrier aus der Gesellschaft Jesu sich auf sein heil. Amt vorzubereiten, und er empfing am 8. Dec. 1602 in dem nahegelegenen Marktflecken Tharnes, wo er getauft worden und seine Mutter wohnte, die bischöfliche Weihe durch den Erzbischof Vespasian Grimaldi von Vienne, unter Assistenz der Bischöfe von St. Paul und St. Damas. Als Bischof suchte er in Verläugnung seiner selbst und in gänzlicher Hingebung an das Wohl der Kirche wahrhaft Allen Alles zu werden, um Alle für Christus zu gewinnen. Eine heilige und innige, alle Diöcesanen gleichmäßig umfassende Liebe, besonders aber sichtbar und wirksam in der ihm eigenen zartsinnigen Behandlung der untergebenen Geistlichen, sowie in der Sorge für Arme, Kranke, Irrende und Leidende jeder Art; eine von Herzen wahre Demuth und Einfachheit in Sinn und Wandel, die nicht das Hohe und Große sucht, sondern das scheinbar Unbedeutende und täglich Vorkommende stets vollkommener zu erfüllen strebt; eine sich in den Angeln der Liebe und Demuth Lauterkeit der Seele, – das sind die Grundtugenden in der einfach großen Seele des hl. Bischofs Franciscus von Genf, deren Gleichmaß von ihm so sehr geliebt und angestrebt wurde, jedoch von Keinem wohl gleich ihm erreicht, von Jedem aber bewundert wird. Sein klarer und ungetrübter Blick in die mannigfachen Verhältnisse des Lebens, sein seines und sicheres Urtheil gaben dem für Alle mit gleicher Liebe schlagenden Herzen die rechte Richtung und sicherten ihm in seinem vielseitigen bischöflichen Wirken jenen außerordentlichen Tact, der aus all' seinem Thun und Lassen hervorleuchtet. Kühn, wie in höherem Grade wohl kaum Einer der heil. Väter, fürchtet er nichts, achtet keine Schwierigkeit, überwindet Alles. Er gleicht einem Lamme, wenn er geschlagen wird; einem Löwen, wenn er die heil. Schrift vertheidigt, und die Klugheit der Schlangen wußte kaum je Einer besser hinter der Taubeneinfalt zu verbergen, als er. Sanft wie ein Himmelsbote, ist er fröhlich mit den Fröhlichen, schwach mit den Schwachen, traurig nur bei den Verstockten. Allen Alles – wußte er Alle zu gewinnen und sie einzuführen in das Heiligthum des Friedens und der Freiheit der Kinder Gottes. Um nur Einiges aus seinem bischöflichen Leben auszuheben, stehe Folgendes hier: Wohl wissend, daß der Hirt seiner Heerde zum Vorbilde dienen müsse, lehrte er nichts, was er nicht selber that; er zeichnete sich selbst eine Regel vor, von welcher er nicht abging, und führte in seinem Hause eine Ordnung ein, von welcher Niemand sich entfernen durfte. Seine Kleidung war einfach, aber reinlich und ohne alle Ziererei. Er kleidete sich nicht in Seide, ging stets im Chorrock und Mantel aus. Knieend und mit entblößtem Haupte betete er das Brevier. Er las täglich die heil. Messe und wohnte an Sonn- und Festtagen dem Hochamte in der Domkirche bei. Auch brachte er jährlich zehn Tage in stillen geistigen Uebungen zu. Seinem Hause gab er eine ganz klösterliche Einrichtung. Alles hatte seine bestimmte Stunde das Aufstehen, das gemeinsame Gebet, heil. Messe, die Tafel, die Erholung und das Schlafengehen. Er duldete es nicht, daß die [258] Geistlichen selbst von ihren allernächsten weibließen. Um ihnen in dieser Hinsicht jeden Vorwand abzuschneiden, verzichtete er selbst auf den Trost, seine Mutter in seinem bischöflichen Palaste bei sich zu haben. Zwei Almosenverweser machten seinen Hofstaat aus. Seine Bedienung bestand aus zwei Kammerdienern, von welchen der eine mit dem Aufführen der Fremden beauftragt war. Außer diesen hatte er nur drei Bediente; einer derselben besorgte den allgemeinen Dienst, der andere die Aufwartung bei Tische, und der dritte hatte für die Reinhaltung des Hauses zu sorgen. Sein Tisch war sehr einfach. Bis zur Hälfte der Mahlzeit wurde aus irgend einem guten Buche vorgelesen, die übrige Zeit verfloß unter einer heitern und erbaulichen Unterredung. – Um die Sitten seiner Diöcesanen zu bessern, arbeitete er den Ausschweifungen und dem Lärm der öffentlichen Belustigungen so viel wie möglich entgegen, ließ während der Fastnachtszeit das hochwürdigste Gut aussetzen, errichtete Bruderschaften zur eifrigen Anbetung Jesu im allerheiligsten Sacramente, und führte regelmäßige öffentliche Christenlehren ein, um die Katholiken im wahren Glauben zu stärken und gegen den Irrglauben der Calviner zu waffnen. Sobald es ihm möglich war, berief er alle Pfarrer seines Bisthums zu einer Synode und verfaßte ein Ritual zur Ausspendung der heil. Sacramente. – Zu Gex gelangen unserem Heiligen viele Bekehrungen Abtrünniger, unter denen auch zwei adelige Herren aus dem Hofstaate des Herzogs von Bellegarde waren. Dieser glückliche Erfolg entrüstete die calvinischen Prediger, welche nun einen Angriff auf sein Leben beschlossen. Er sollte durch Gift sterben. Der höllische Plan wurde ausgeführt, mißlang aber in der Art, daß Franciscus nach furchtbarem Leiden mit Gottes Hilfe wieder genas. Hierauf begegnete er seinen Feinden mit größter Freundlichkeit, überhäufte sie mit Wohlthaten und brachte ihnen durch diese Handlung der Liebe, von der sie keinen Begriff hatten, eine so hohe Idee von dem katholischen Glauben bei, daß sie nicht länger zweifeln konnten, es irre Niemand, wenn er einer Religion folge, welcher ein Mann anhing, der von einem solchen Geiste des Christenthums so innig durchdrungen war. – Franciscus hielt mit außerordentlichem Erfolge Fastenpredigten zu Dijon und Chambery; am ersten Orte wurde er mit der Frau Baronin von Chantal bekannt, deren Gottesfurcht in der Folge so wohlthätig für die Kirche gewirkt hat. – Zu Annecy errichtete er öffentliche Schulen für die schönen Wissenschaften, für die Philosophie, Theologie und Rechtskunde, und gründete ein Klericalseminar zur Heranbildung guter Hirten für seine Heerde. Einmal verließ er Annecy, um das äußerste Ende seines Bisthums, das gegen die Schweiz zu lag, persönlich in Augenschein zu nehmen. Drei Jahre brachte er in jenen Gegenden zu, und stellte in dieser Zeit 33 Pfarreien wieder her, die er mit Seelsorgern von Gelehrsamkeit und Tugend besetzte, und ließ bei seiner Abreise kaum 100 Irrgläubige da zurück, wo er bei seiner Ankunft nicht 100 Katholiken mehr angetroffen. Nach Annecy zurückgekehrt, drangen einige Große, unter denen auch König Heinrich IV. war, in ihn, ein Buch zu verfassen, welches zeige, daß die Frömmigkeit nicht ausschließlich Eigenthum eines besondern Standes und Berufes sei, sondern sich ihrer wahren Bedeutung nach mit jedem Lebensverhältniß vertrage. Und so kam das Buch aus Licht: »Philothea oder Anleitung zu einem frommen Leben«, in welches Franciscus den ganzen Reichthum seiner gottliebenden Seele niederlegte. Das kleine Werk fand so allgemeinen Beifall, daß es bald nach seinem Erscheinen in alle europäischen Sprachen übersetzt wurde. – Als die Mutter des heil. Bischofes vom Schlage berührt wurde, eilte dieser an das Krankenbett der Theuren, die auch voll Trost und Ergebung in den göttlichen Willen in den Armen des Sohnes verschied. Franciscus selbst drückte seinen Schmerz über den Verlust der Mutter in einem sehr erbaulichen Briefe an die fromme Baronin von Chantal aus. Diese tugendhafte, eifrige und geistreiche Dame glaubte der Heilige zur Ausführung eines Planes in Betreff der Errichtung einer neuen weiblichen Congregation benützen zu können. Seine Absicht war dabei, der Kirche dadurch nützlich zu seyn, daß er für Frauen, die wegen ihres bereits vorgerückten Alters, ihrer körperlichen Schwächen, ihres Wittwenstandes und aus Mangel an äußerlichen Glücksgütern in andern Klöstern keine Aufnahme fänden, einen anständigen und angemessenen Zufluchtsort ausmittelte. Und darum wollte er auch die Personen, welche diesem Institute anzugehören beabsichtigten, der Strenge außerordentlicher Bußwerke nicht [259] unterwerfen. Er war überzeugt, daß die Abtödtung des Willens die schwierigste, nothwendigste und Gott gefälligste Uebung sei, und daß die strengsten Bußübungen, obgleich sie den Leib beugen, den Geist darum nicht immer unterwerfen. Seinem ursprünglichen Plane zufolge sollten diejenigen, welche in diese Congregation aufgenommen würden, nur einfache Gelübde ablegen, und nach dem Probejahr zur Verpflegung und Tröstung der Kranken, sowie zur Führung eines gottseligen Wandels verpflichtet werden, so daß sein Geist und seine wohlwollende Gesinnung zum Besten der Menschheit fortleben und fortwirken könnten. Der um die Hebung des Klosterlebens hochverdiente Bischof, der schon auf dem Berge Voiron zur Erneuerung der alten Marienandacht eine Congregation Einsiedler »von der Heimsuchung Mariä« gegründet hatte, theilte seinen neuen Plan, durch eine Vision in ihm noch mehr befestiget, der frommen adeligen Wittwe Johanna Francisca Fremiot von Chantal mit, und diese, darüber hocherfreut, sagte ihre thätige Mithilfe zu seiner Ausführung zu; und so entstand der Orden von »Mariä Heimsuchung«, dessen Mitglieder »Visitantinnen«, gewöhnlich aber nach dem Namen des Stifters, »Salesianerinnen« genannt werden. Im J. 1610 erwarb man zu Annecy das erste Haus; Franz von Sales gab seinen geistlichen Töchtern Regeln zur Einrichtung ihres gottgeweihten Lebens, und hatte bei seinem Tode die Freude, schon 13 Klöster nach seinem Geiste zählen zu können. Das Verdienstliche dieser Stiftung leuchtete so sehr in die Augen, daß Papst Paul V. im J. 1618 die Congregation unter der Regel des hl. Augustin zum Orden erhob und ihm alle Vorrechte der übrigen geistlichen Orden verlieh mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß er auch die Erziehung der weiblichen Jugend übernehmen sollte. Die Klöster selbst wurden nach dem Willen des Stifters den Diöcesanbischöfen unterworfen. Gegenwärtig zählt der Orden 100 Häuser in Italien, Frankreich, der Schweiz, Oesterreich, Bayern, Polen, Syrien und Nordamerika, mit mindestens 3000 Mitgliedern, so daß er als einer der bedeutendsten in der Kirche erscheint. Die gegenwärtige Kleidung ist schwarz; über die Stirne läuft eine schwarze Binde, und als Vortuch tragen sie eine weiße Barbette, unter welcher an einem schwarzen Bande ein silbernes Kreuzchen herabhängt. – Inzwischen ward die Gesundheit des heil. Bischofs von Genf mit jedem Tage mehr geschwächt, weßwegen er sich bewogen fand, aus Furcht, den vielfachen Geschäften nicht mehr gewachsen zu seyn, einen Coadjutor zu begehren. Die Wahl fiel nach dem Gutachten des Cardinals und Erzbischofs von Mailand, Friedrich von Borromäo, auf Johann Franz von Sales, den Bruder des Bischofs, der im J. 1618 als Bischof von Chalcedon zu Turin die heil. Weihe erhielt. Der Heilige theilte mit ihm die Regierungsgeschäfte, behielt sich jedoch immer die schwierigsten Arbeiten vor. In der Fastenzeit war er wieder einige Zeit abwesend, um in Grenoble zu predigen, wie er im vorigen Jahre gethan, wo seine geistreichen Reden vielen Calvinisten die Augen öffneten und ihre Bekehrung veranlaßten, unter denen auch der berühmte Herzog von Lesdiguières war. Franciscus erhielt im J. 1619 den Auftrag, den Cardinal von Savoyen, der die Prinzessin Christina von Frankreich, die Schwester des Königs Ludwig XIII., für den Fürsten von Piemont zur Ehe begehrte, nach Paris zu begleiten. Sein Eifer konnte in dieser großen Stadt nicht müßig bleiben; er predigte zu Saint-André-des-Arcs. Alles strömte seinen Lehrvorträgen zu, und die Menge der Zuhörer war so groß, daß die Personen vom höchsten Range kaum einen Platz finden konnten. Irrgläubige und Sünder gingen in sich und begehrten besondere Unterredungen, um vollends über ihre Zweifel Aufklärung zu erhalten. Ost geschah es, daß er des Tages zweimal predigte, und wenn ihm einer seiner Freunde Vorstellungen machte, doch auch seine Gesundheit zu schonen, antwortete er mit sanftem Lächeln, daß es ihm weniger Mühe mache, eine Predigt zu halten, als Entschuldigungen zu finden, um sich davon loszusagen. Nachdem die Vermählung des Fürsten von Piemont mit Christine vollzogen war, machte es sich die Prinzessin zur angenehmen Pflicht, den frommen Prälaten zum ersten Almosenpfleger ihres Hofes zu ernennen. Da diese Stelle mit seinen bischöflichen Pflichten, die ihn an seine Diöcese fesselten, ihm nicht vereinbar schien, lehnte er eine solche Gnade in den ehrfurchtsvollsten Ausdrücken ab; ebenso ließ er sich von Johann Paul von Gondi, Cardinal von Retz, Bischof von Paris, nicht zum Coadjutor ernennen. Der redliche Hirt, treu seiner Braut, wie er seine Kirche nante, hielt es für unerlaubt, sie gegen eine andere [260] zu vertauschen. – Im J. 1622 erhielt er von dem Herzog von Savoyen das Ansuchen, sich nach Avignon zu verfügen, wo dieser mit Ludwig XIII., der die Hugenotten in Languedoc besiegte, eine Zusammenkunft verabredet hatte. Franciscus war damals sehr kränklich; allein seine Pflicht siegte über alle Rücksichten, die Andere in ähnlichem Falle für ihre Gesundheit genommen hätten. Vor seiner Abreise machte er sein Testament, und bemerkte seinen Freunden, daß er sie nicht mehr sehen werde. Nachdem er eine große Anzahl Menschen in Angelegenheiten ihres Gewissens getröstet und belehrt hatte, besuchte er noch einmal seine geliebten Töchter von Mariä Heimsuchung. Der Abschied von ihnen fiel seinem Herzen überaus schmerzlich. Bald ging der französische Hof von Avignon nach Lyon ab, und Franciscus sah sich genöthigt zu folgen. Dort lehnte er die Annahme eines bequemen Hauses ab und wohnte bei dem Gärtner seiner Töchter von Mariä Heimsuchung. Den Tag vor Weihnachten erhielt er von der Königin Mutter Maria von Medicis den ehrenvollen Auftrag, in ihrem Namen vor der Barfüßerkirche ein Kreuz aufzurichten. Er predigte bei dieser Gelegenheit vor dem ganzen Hofe. Tags darauf legten der Prinz und die Prinzessin von Piemont ihm ihre Beicht ab, und empfingen während seiner Messe die heil. Communion. Am Nachmittage desselben Tages kleidete er zwei Novizinnen in dem Kloster der Heimsuchung ein und hielt bei dieser Ceremonie noch eine Predigt. Am folgenden Tage bemerkte er eine Abnahme seines Gesichtes und eine auffallende Verminderung aller seiner Kräfte. Doch sammelte er sich und las am Feste des hl. Apostels und Evangelisten Johannes noch die heil. Messe. Nach Mittag mußte er sich, ohne seinen Entschluß, Lyon zu verlassen, ausführen zu können, zu Bette legen. Wenige Stunden darauf fiel er in eine Schlafsucht, aus welcher er jedoch wieder zu sich kam, als Jemand aus seiner Umgebung den Namen Gottes nannte. Seine Antworten bewiesen die vollkommenste Geistesgegenwart. Er tröstete seine Dienerschaft, die weinend sein Bett umstand, und bat sie wegen der Sorgen und Mühen, die er verursacht hatte, auf das freundlichste um Vergebung. Die Aerzte, einen Schlagfluß befürchtend, legten ihm Zugpflaster auf, und berührten seinen Nacken und sein Haupt mit glühendem Eisen. Unter Thränen, die ihm der Schmerz auspreßte, wiederholte er oft die Worte: »Wasche mich, o Herr, von meinen Sünden; nimm von mir meine Missethat und reinige mich immer mehr!« Endlich berührte ihn ein Schlagfluß wirklich; er verlor den Gebrauch der Sprache, und verschied sanft wie er gelebt am 28. Dec. 1622, am Tage der unschuldigen Kinder, um 8 Uhr Abends, im 56. Jahre seines Alters, im 20. seines bischöflichen Amtes. Einige Zeit nach seinem Tode schritt man zur Oeffnung und Einbalsamirung seiner Leiche. Seine Galle war versteinert und in kleine Kügelchen zerfallen, ein Beweis, daß die außerordentliche Sanftmuth, die man an ihm in allen Verhältnissen des Lebens bewunderte, nicht von seinem Temperament herrührte, sondern daß er sie durch viele Ueberwindung sich erkämpft hatte. Sein Herz legte man zuerst in einer bleiernen Kapsel im Kloster von Mariä Heimsuchung nieder; in der Folge aber kam es in einen silbernen, dann in einen goldenen Reliquienkasten, den Ludwig XIII. gegeben hatte. Sein Leichnam wurde nach seinem Wunsche nach Annecy gebracht und in der Kirche des ersten Klosters der Heimsuchung beigesetzt. – Die Wunder, die bei seinem Grabe und auf seine Fürbitte auch anderwärts geschahen, machten den tiefsten Eindruck auf das Volk, das seinem Andenken die unbedingteste Verehrung weihte. Beinahe das ganze katholische Europa vereinte sich, seine Seligsprechung zu begehren. Es geschahen deßhalb die nöthigen Vorkehrungen, und unter der Regierung des Papstes Innocenz X. nahmen die erforderlichen Informationen ihren Anfang, die dann unter Alexander VII. beendigt wurden, welcher das Decret seiner Seligsprechung am 28. Dec. 1661 erließ. Die Seligsprechung erfolgte sonach eilf Jahre vor dem Ablauf der sonst gewöhnlichen Frist von 50 Jahren, die in der Regel nach dem Tode dessen, dem diese kirchliche Ehre zu Theil werden soll, verlaufen seyn müssen. Alexander hatte aber zur Ausnahme von dieser Regel eine besondere Veranlassung. Er reiste einst als Cardinal von Siena nach Rom und traf unterwegs mit unserm Heiligen in einem Gasthofe zusammen. Der Cardinal hatte seine Bekanntschaft gewünscht, dem Franciscus bei dieser Gelegenheit seine künftige Erhebung auf den Stuhl des hl. Petrus voraussagte. Etwa ein Jahr vor seiner wixkilchen Erhebung, nachdem Franciscus schon längst gestorben war, befand [261] sich Alexander als Nuntius zu Münster, wo er in eine lebensgefährliche Krankheit verfiel. Er rief deßhalb den Heiligen um seine Fürbitte an und wurde vollkommen wieder hergestellt. So vereinte seine persönliche Verpflichtung sich mit den dringenden Wünschen des Königs, der Geistlichkeit und der Parlamente von Frankreich, des Königs von Polen, der Herzoge von Bayern, Savoyen und des Ordens von Mariä Heimsuchung, die sich sämmtlich für die Heiligsprechung des großen Bischofes von Genf verwendeten. Unterm 19. April 1665 erging das Canonisirungsdecret, das zugleich das Fest des Heiligen auf den 29. Jan. setzte, an welchem Tage sein Leib nach Annecy übertragen worden ist, weßwegen an diesem Tage sein Name auch im Mart. Rom. steht und im Brevier, sein Andenken sub ritu dupl. gefeiert wird. Franz von Sales wird dargestellt in bischöflicher Kleidung, über ihm ein durchbohrtes mit einer Dornenkrone umwundenes Herz sammt einem Kreuze in einer Glorie. Dieses Herz, das er bisweilen auch in der Hand trägt, bedeutet das Herz Jesu, zu dem er eine große Andacht hatte. Oefters ist auch sein Wahlspruch dabei: Vivat Jesus! d. i. »Es lebe Jesus!« Das schätzbare Buch: »Geist des hl. Franz von Sales«, welches Johann Peter Camus, Bischof von Belley, ein durch Frömmigkeit und Gelehrsamkeit ausgezeichneter Mann, unsers Heiligen vertrautester Freund und Nachbar, der von ihm im J. 1609 zum Bischof geweiht worden, verfaßt hat, gibt uns ein treues Bild seines großen Geistes. (But. II. 152.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 2. Augsburg 1861, S. 255-262.
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