[279] 13S. Franciscus de Borgia, C. (10. Oct.) Der hl. Franz von Borgia,54 der vierte Herzog von Gandia und dritter General der Jesuiten, wurde geboren den 20. Oct. 1510 zu Gandia in Königreich Valencia in Spanien, als der Sohn des Herzogs Johann II. von Gandia, und der Johanna von Aragonien, Tochter Alphonso's, eines natürlichen Sohnes des aragonischen Königs Ferdinand V. Unser hl. Franciscus erhielt diesen Namen nach einem Gelöbniß seiner Mutter, die eine eifrige Verehrerin des hl. Franz von Assisi war, und der Fürbitte dieses Heiligen die glückliche Geburt ihres Söhnleins zuschrieb. Bald schien es, als hätte der hl. Franz Seraph auch seinen Geist für den Knaben erbeten, den frühzeitig die zarteste Liebe zu Gott, große Wachsamkeit über die Reinheit des Herzens und ein pünktlicher freudiger Gehorsam schmückten. Als unser hl. Franciscus sein siebentes Jahr erreicht hatte, erhielt er an Dr. Ferdinand einen Mann von Frömmigkeit und gründlicher Gelehrsamkeit zum Lehrer, der mit Hilfe eines trefflichen Hofmeisters die erste Ausbildung des herzoglichen Prinzen besorgte. Ein hoher ritterlicher Sinn, Beharrlichkeit, Edelmuth, Güte und Dankbarkeit des Herzens, gekrönt mit inniger Liebe und Furcht des Herrn zierten den aufblühenden Jüngling. Sein Lieblingsaufenthalt war immer die schöne einsame Capelle des Schlosses von Gandia; dort ergoß er gar oft verborgen in später Nacht wie im frühen Morgen sein volles Herz in inniges Gebet, brachte seine Anliegen vor Gott, und schüttete vor Ihm auch seinen Schmerz aus, als im J. 1520 ihm die liebste Mutter gestorben. Als in Castilien, Aragonien und Valencia unter den Bürgern ein Aufstand ausbrach, der sich vornämlich gegen die Privilegien des Adels richtete, drangen die Aufrührer bis nach Gandia, nahmen die Stadt ein und zwangen den Herzog mit seiner Familie zur Flucht. Franciscus ward nun der Fürsorge seines Oheims Johann von Aragonien, des Erzbischofs von Saragossa, anvertraut, und dieser leitete seine weitere Ausbildung mit Einsicht und Liebe. In jener Stadt wurde er durch zwei Predigten, von denen die eine vom jüngsten Gerichte, die andere von dem Leiden unsers göttlichen Erlösers handelte, so tief gerührt, daß er sein ganzes Leben hindurch eine ungemeine Furcht vor Gottes Gerechtigkeit hatte, und eine innige Sehnsucht in sich verspürte, für denjenigen, der ihn um den Preis seines Blutes erkauft hatte, sein Leben hinzugeben. Einige Zeit darauf machte er eine Reise nach Baëza (einer Stadt in der spanischen Provinz Jaen), um seine Großmutter Donna Marta von Lucca, Gemahlin des Don Henriquez, Oheims des Königs Ferdinand und Großgenerals von Leon, zu besuchen, wurde aber dort krank und litt sechs Monate lang große Schmerzen, die er jedoch durch bewunderungswürdige Geduld heiligte. Nach seiner Genesung schickten ihn seine Eltern nach Tordesillas im Königreiche Leon, und verschafften ihm eine Hofstelle bei der Infantin Katharina, der Schwester des Kaisers Carl V., welche im J. 1525 mit dem König Johann III. von Portugal vermählt wurde; allein in der richtigen Erwägung, daß Franciscus für das Leben am Hofe noch zu wenig Erfahrung besitze und weiterer Ausbildung bedürftig sei, rief ihn der Vater zurück und übergab ihn neuerdings der Pflege des Erzbischofs, der mit der alten Liebe seinen Neffen aufnahm und für ihn sorgte. In seinem 18. Jahre ward Franciscus plötzlich von dem gefährlichsten Feinde der Jugend, der Unlauterkeit, angefochten, und zwar in so heftiger Weise, daß er alle Kräfte, die ihm Gebet, Beichte, Communion, frommes Lesen und Abtödtung gaben, aufbieten mußte, um in dem schweren Kampf Sieger zu werden. Die Wiederkehr dieser Versuchungen fürchtend, und voll Sorge, dem Herrn sein kostbarstes Gut, ein reines Herz, zu bewahren, wollte er seiner Neigung für das Klosterleben folgen, entsagte aber derselben auf vieles Zureden seiner Verwandten, und begab sich nach dem Willen seines Vaters und Oheims im J. 1528 an den Hof des Königs Karl I. (als Kaiser Karl V.), welcher ebenso wie dessen Gemahlin Isabella ihn mit Auszeichnungen überhäufte. Auf Anrathen derselben Kaiserin Isabella und mit Zustimmung des Herzogs von Gandia verehelichte sich Franciscus mit der tugendhaften Eleonora de Castro, und wurde bei dieser Gelegenheit von dem Kaiser zum Marquis von Lombay, Ritter von St. [279] Jakob und Großstallmeister der Kaiserin ernannt. Hatten sich die frommen Verlobten mit Fasten und Beten, mit würdigem Empfang der heil. Sacramente und mit reichen vorbereitet, so lebten sie in demselben als Muster christlicher Eheleute. In einer gefährlichen Krankheit, in welche Franciscus im J. 1535 fiel, faßte er den Entschluß, ferner nur geistliche Bücher zu lesen, und von nun an war das neue Testament sein beständiger Begleiter und Tröster. Im J. 1537 bestand er zu Segovia, wohin der Hof sich begeben hatte, eine neue Krankheit, welche ihn dem Tode nahe brachte. Da er den Gebrauch der Sprache verloren hatte, flehte er in seinem Herzen nur mehr um die Gnade einer glückseligen Sterbestunde. Indessen war diese noch fern; er genas wieder. In demselben Jahre verlor der Marquis von Lombay seine Großmutter Donna Maria, welche in ihrem 34. Jahre als Wittwe in das Clarissenkloster zu Gandia getreten war, durch den Tod, was ihn aufs Neue anregte, Gott in der Abgeschiedenheit zu dienen. Schwer fiel ihm auch der Verlust seines Herzensfreundes Garcia (Garcilaso) de la Vega, eines berühmten spanischen Dichters, welcher auf einem Feldzuge gegen Frankreich bei Belagerung einer Festung in der Provence gefallen war. Zwei Jahre nachher sah er die Kaiserin Isabella sterben. Sie wurde von dieser Welt genommen zur Zeit, als die Stände von Castilien zu Toledo versammelt waren. Der Marquis und die Marquise von Lombay erhielten den Auftrag, den Leichnam zu bewachen und nach Granada, wo er begraben werden sollte, zu führen. Als das Leichengeleite in genannter Stadt angekommen war, öffnete man wie gewöhnlich den Sarg, auf daß der Marquis die Aechtheit desselben beschwöre. Isabellens Antlitz, sonst ein Wunder der Anmuth, war bis zum Gräßlichen entstellt, und ein so verpesteter Geruch ging von der Leiche aus, daß Alle flohen. Entsetzt über den fürchterlichen Anblick rief Franz Borgias: »Wo sind jene glänzenden Augen? was ist geworden aus dieser Schönheit, die wir vor Kurzem noch bewunderten? Bist du es, Donna Isabella? Ist das die Kaiserin, meine Fürstin, meine Gebieterin?« Dieses schaudervolle Bild wich von nun an nicht mehr von seiner Seele. Die folgende Nacht brachte er schlaflos zu; in seinem Zimmer auf den Knieen liegend und in Thränen zerfließend, sagte er zu sich selber: »O meine Seele, was kann ich in der Welt noch suchen? Wie lange noch werde ich einem leeren Schatten nachjagen? Was ist geworden aus jener Fürstin, die uns so schön, so erhaben, so würdig unserer Verehrung er schien? Der Tod, der die Kaiserkrone zerbricht, wird auch mich treffen, und zwar bald. Ist es nicht weise, seinen Schlägen vorzubeugen, indem ich von diesem Augenblicke an der Welt absterbe, auf daß ich nach meinem Tode in Gott leben könne?« Des andern Tages wurden die Exequien für die Kaiserin abgehalten. Die Trauerrede hielt der berühmte Johann von Avila, der auf das Ergreifendste die Hinfälligkeit der Erdengüter, die in der Stunde des Todes entschwindende Eitelkeit menschlicher Größe etc. schilderte, darauf sich über die schrecklichen Folgen des Todes verbreitete, und im grellsten Lichte die Thorheit derjenigen zeigte, die so gedankenlos durch dieses Leben eilen. Diese Predigt durchdrang Franciscus' Herz mit Allgewalt und entschied seinen Entschluß; er lud Johann von Avila zu sich, entdeckte ihm sein Herz und bat um seinen Rath. Dieser konnte sein Vorhaben nur billigen, und so legte Franciscus in seine Hand das Gelübde ab, in einen geistlichen Orden zu treten, falls er seine Gemahlin überleben sollte. Dagegen ernannte ihn der Kaiser zum Vicekönig von Catalonien, und vertraute dadurch eine der wichtigsten Provinzen Spaniens seiner Fürsorge. Seufzend gehorchte er und zog, in Gottes Schutz sich empfehlend, in die Hauptstadt Barcelona. Nach kurzer Zeit schon hatte, zur Verwunderung Aller, das vernachlässigte Catalonien ein ganz anderes Aussehen. Seine milde Regierung, seine Sorge für Jugendunterricht durch Errichtung von Schulen etc. gewannen ihm das Herz seiner Unterthanen. – Aber auch an seiner eigenen Vervollkommnung arbeitete er unablässig, widmete jeden Morgen fünf Stunden dem Gebete und der Betrachtung, betete alle Tage das Brevier und den Rosenkranz, und legte sich nicht eher zur Ruhe, als bis er Gott dem Herrn über den verflossenen Tag Rechenschaft abgelegt, seine Schuld bekannt und bereut, und in heißem, oft bis Mitternacht dauernden Flehen des Höchsten Gnade und Schutz erbeten hatte. Er empfing alle Sonn- und Feiertage vor den Augen des Volkes das Brod der Engel, und mit heiliger Ehrfurcht und nicht leicht zu beschreibenden [280] Gefühlen sah dasselbe den Höchsten aus seiner Mitte in wahrer Demuth als den Niedrigsten mit den übrigen Christen am Speisetisch des Allerhöchsten knieen. Seine Abtödtungen gingen über alle Begriffe. Er beraubte sich für immer des Nachtessens, um desto mehr Zeit für das Gebet zu gewinnen. Nachdem er zwei Fasten zugebracht hatte, ohne andere Nahrung als ein Gericht Gemüse und ein Glas Wasser zu sich zu nehmen, faßte er den Entschluß, auf solche Weise das ganze Jahr hindurch zu fasten. Indessen waren seine Tafeln, die er als Stellvertreter des Kaisers gab, immer auf eine seiner Würde angemessene Weise besetzt; er unterhielt die Gäste durch anziehende Gespräche, damit Niemand seine Abtödtungen merken konnte, und leitete, so viel ihm möglich, die Unterhaltung auf Gegenstände der Frömmigkeit. – Um diese Zeit verlor Franciscus seinen Vater, den Herzog von Gandia, was ihm großes Herzenleid verursachte, und am 27. März 1546 sogar seine geliebte Gattin Eleonora, welche ihm acht Kinder, nämlich Karl, Johannes, Alvarez (Alvarus), Fernandez (Ferdinandus), Alphonso, Isabella, Johanna und Dorothea, hinterließ. Nun konnte er aber auch seiner Würde entsagen und sein Gelübde lösen. Wenige Tage nach diesem Trauerfalle ward Franciscus von dem Freunde des hl. Ignatius von Loyola, dem Pater Lefebre, besucht. Unter der Leitung dieses Mannes hielt er eine Geistessammlung nach der Vorschrift des hl. Ignatius, gründete mit ihm das Collegium der Jesuiten in seiner Stadt Gandia und beschloß endlich selbst in den Orden zu treten, welcher, obgleich noch jung, eine Fülle der edelsten Kräfte in sich vereinigte, um die Kirche Gottes zu schützen, zu reinigen, zu erfrischen etc. Der Heilige wandte sich an Ignatius, den General der Jesuiten, und bat um Aufnahme. Der heil. Ordensstifter aber rieth ihm, er möchte die Ausführung seines Vorhabens verschieben, bis er seine Kinder versorgt und die von ihm begonnenen Stiftungen vollendet hätte; mittlerweile möge er Theologie studiren. Gerade zu dieser Zeit (1547) erhielt Franz Borgias von Kaiser Karl V. den Auftrag, der Versammlung der Stände anzuwohnen; Philipp, Karls Sohn und Nachfolger, welcher dessen Stelle vertrat, ehrte den Herzog hoch und bestellte ihn zum Präsidenten der Versammlung. Das war die letzte amtliche Handlung, welche der Heilige als Diener seines Kaisers vollbrachte. Von nun an gehörte sein Leben und Wirken der Kirche; dennoch in demselben Jahre legte er in der Capelle des Collegiums der Jesuiten zu Gandia, das er selber gestiftet, mit heiliger Freude die ersten Gelübde ab. Noch vier Jahre hatte der Papst auf Bitten des hl. Ignatius dem Herzoge zur Ordnung seiner zeitlichen Angelegenheiten bewilligt. Als er seinen ältesten Sohn Karl verheirathet hatte, überließ er ihm sein Schloß und bezog ein benachbartes Haus seines Collegiums zu Gandia, worin er unter Leitung des Dr. Perez mit allem Eifer den theologischen Studien oblag. Jeden Tag stand er früh um 2 Uhr auf und betete bis 8 Uhr; hierauf beichtete er, hörte die heil. Messe und empfing die heil. Communion; bis Mittag studirte er Theologie; nach dem Mittagessen, das äußerst mäßig war, unterhielt er sich eine Stunde mit seinen Kindern, und ordnete Alles, was seine Dienerschaft betraf; dann war wieder Studiren seine Beschäftigung; Abends hielt er fromme Lesungen. Die Geschäfte, die ihn noch in der Welt zurückhielten, waren schon im J. 1549 beendigt, und nun reiste er mit seinem zweiten Sohne Johannes und mehreren Dienern nach Rom, in Begleitung einiger Jesuiten, die dahin berufen waren, um einer allgemeinen Versammlung der Ordensprofessen beizuwohnen. Beim Scheiden von Gandia erinnerte er sich an die Freude der Israeliten, als sie aus der Dienstbarkeit Aegyptens befreit wurden, und rief begeistert aus: »Endlich sind meine Bande zerrissen, meine Seele gleicht dem Vogel, der dem Netze des Jägers entronnen ist (Psalm 123, 7).« Am 31. Aug. 1550 kam Franz Borgias in Rom an; die Einladung des Papstes Julius III., in seinem Palaste zu wohnen, lehnte er in seiner Demuth ab und suchte das Haus seiner Brüder, der Jesuiten, auf. Der hl. Ignatius war an die Pforte gekommen, seinen neuen Sohn zu empfangen. Bei seinem Anblick warf sich Franciscus, um seinen Segen bittend, ihm zu Füßen. Liebreich aufgenommen übergab er den Vätern die aus Spanien mitgebrachten beträchtlichen Summen, die dann zum Baue eines Profeßhauses und zur Stiftung des römischen Collegiums verwendet wurden. Von nun an führte er ein ganz beschauliches asketisches Leben; er geißelte sich täglich zu Ehren des leidenden Erlösers, beichtete, fastete und verehrte siebenmal des Tages das allerheiligste [281] Sacrament, und ließ in diesen strengen Uebungen nicht nach, obwohl ihm nicht unbemerkt blieb, daß die ehedem schlanke und stattliche Hülle seines kräftigen Geistes schnell alterte und das schöne Antlitz Furchen durchzogen. – Am 15. Jan. 1551 schrieb er von Rom aus an den Kaiser Karl V. und bat ihn um die Erlaubniß, sein Herzogthum auf seinen ältesten Sohn übertragen zu dürfen. Da das Gerücht sich verbreitete, daß Papst Julius III. ihn zur Cardinalswürde erheben wolle, erhielt er vom hl. Ignatius die Erlaubniß, Rom zu verlassen, nachdem er längere Zeit dort gelebt hatte. Er floh nach Spanien, verweilte eine Zeit lang auf dem Schlosse Loyola in der Provinz Guipuscoa und begab sich dann zu den Jesuiten in Ognate, einer kleinen, ungefähr 4 Stunden von dem Schlosse gelegenen Stadt. Hier bekam er die Antwort des Kaisers, der, wenn auch mit Schmerz, seine Bitten gewährte und seine Kinder zu beschützen versprach. Höchst erfreut hierüber gab nun der Heilige seine gesetzmäßige Verzichtleistung auf Alles, was er noch in der Welt besaß, zu Gunsten seines ältesten Sohnes Karl, der nun der fünfte Herzog von Gandia wurde. Im August des Jahres 1551 erhielt er die Priesterweihe, und las seine erste heilige Messe in der Schloßcapelle zu Loyola, wohin er mit der Erlaubniß des Ordensgenerals gezogen war, um den von Seite des Kirchenoberhauptes ihm zugedachten Ehren auszuweichen. Der ihm fünfmal zu verschiedenen Zeiten in die Zelle gebrachte Purpur wurde von ihm ebenso oft wieder zurückgewiesen. Aber während die eigene Demuth ihm auferlegte, unbekannt zu bleiben, gebot der Gehorsam dem auch hierin demüthigen Ordensmann hervorzutreten. Als nämlich der hl. Ignatius am 31. Juli 1556 und Pater Laynez als zweiter General der Jesuiten am 19. Febr. 1565 gestorben war, wurde Franz Borgias von den zu Rom residirenden Professen zum Vicarius gewählt. In der auf den 21. Juni desselben Jahres von ihm berufenen General-Congregation setzte er den Vertretern des Ordens die Eigenschaften und Pflichten des zu erwählenden Generals in einer ernsten Rede auseinander. »Nur Gehorsam,« sprach er, »öffnet meinen Mund vor denen, die mir rathen und mich ermahnen sollten; Tugend und Heiligkeit, wie Wissenschaft und Weisheit, muß den schmücken, der die Gesellschaft Jesu leiten soll. Lasset uns beten und fasten, damit der Herr uns den kund thue, den Er erkoren hat.« Wohl mochten die Väter nach solchen Worten merken lassen, daß der, welcher die Pflichten eines Oberhauptes so tief erfaßt hat, sie am besten auch erfülle. Der Demüthige will sich darum niederwerfen zu den Füßen der Versammelten, sie beschwören, nie und nimmer an eine Wahl zu denken, die ihm selbst, noch mehr aber dem Orden so nachtheilig seyn werde, da er die nöthige Kraft weder des Leibes noch des Geistes besitze. Aber Salmeron und Ribadeneira bekämpften seine Demuth durch Gründe der Demuth. Am 2. Juli erfolgte die Wahl, bei welcher von 38 Stimmen 7 die ihnen bekannte Neigung des hl. Franz Borgias für beschauliches Leben berücksichtigten, die übrigen aber einhellig auf ihn fielen. Der neu erwählte General der Jesuiten, ein Mann von 55 Jahren, aber ein Greis dem Aussehen nach, fügte sich unter Thränen dem erkannten Willen Gottes mit dem Ausrufe: »Jesus Christus wird selbst die Leitung der Gesellschaft übernehmen, weil er die schwächsten und unfähigsten Werkzeuge hiezu bestimmt;« und fügte noch bei: »Gott hat mir die Gnade verliehen, daß ich immerhin wünschte, sein Kreuz zu tragen, nie aber ist mir in den Sinn gekommen, ein so schweres zu verlangen.« Doch die Freude des Papstes Pius IV. über die glückliche Wahl, die Glückwünsche von allen Seiten, von seinen Brüdern und der römischen Curie, von Fürsten und Bischöfen, ermuthigten den Schüchternen, auf den Kampfplatz zu treten. Am letzten Versammlungstage hielt Franciscus noch eine Rede an die anwesenden Väter, worin er sie zur gewissenhaften Beobachtung der Satzungen ihres heil. Stifters ermahnte, und küßte ihnen vor der Entlassung die Füße, weil sie als Apostel die frohe Botschaft des Friedens, die Kenntniß und Liebe Gottes überall verkünden sollten. – Der Heilige begann nun die Regierung seines Ordens, der damals in 18 Provinzen 130 Häuser und über 3500 Religiosen zählte, mit einer Visitation der römischen Collegien, deren Studien er sorgsam überwachte, und mit Bestätigung alter und Ernennung neuer Provincialen. Für Castilien ernannte er Jago Carillo, für Toledo Gonsales Gonsalvez, für Andalusien Jago d'Avellaneda, für Aragonien Alonso Roman. Unter Mitwirkung der Herzogin Johanna von Aragonien legte er den Grund des Noviciates [282] von St. Andreas zu Rom, in welches sich nachher Männer, berühmt durch Frömmigkeit, Abkunft und Verdienst, wie Aquaviva, Stanislaus Kostka, Johannes Borchmans, Anton Raquai55 und Andere meldeten. Er erweiterte und vervollkommnete das vom hl. Ignatius in Rom gegründete »Deutsche Colegium« (Collegium Germanicum), welches dem nördlichen Theile Europa's die vortrefflichsten Lehrer erzogen hat. Franciscus bot Alles auf, den Geist der Liebe, der Opfermüthigkeit und Wissenschaft in seinen Söhnen lebhaft zu entzünden und Alles in ihnen auf wahrer Demuth zu befestigen. Zumal lag es ihm am Herzen, sie zu tüchtigen Predigern heranzubilden, weil eben durch die Predigt der Glaube am ehesten vertheidigt, die Irrlehre am leichtesten zerstört und das Menschenherz zur Erkenntniß und Buße gezogen wird. Unter ihm hat darum auch der Eifer und die Ausdauer seiner Ordensbrüder die waldensische Ketzerei in den Gebirgen Calabriens besiegt. Franciscus selbst verkündigte gar oft zu Rom das Wort des Herrn, unterwies die Jugend in den Kirchen und auf öffentlichen Plätzen, besuchte die Armen und ward besonders während einer im J. 1566 zu Rom wüthenden Pest mit seinen Söhnen der Pfleger und Tröster der Pestkranken, wozu er von den Behörden und dem Papste die greßartigsten Unterstützungen erhielt. Immer mehr wuchs die Achtung und das Zutrauen, welches ihm von Jedermann gezollt wurde; bei wichtigen Angelegenheiten erholte Papst Pius V. seinen Rath, und aus seinen Söhnen wählte das Oberhaupt der Kirche Prediger, die vor ihm und den Cardinälen mit aller Freimüthigkeit über die Pflichten ihres Standes reden sollten. Der General ernannte hiezu den gelehrten P. Salmero und nach ihm den P. Tolet.56 Auch die Uebersetzung des Katechismus des Concils von Trient, die Herstellung einer Bibelausgabe, die von Laynez bereits begonnene Reorganisation der Datarie etc. wurde dem Orden übertragen, so wie Jesuiten als Seelsorger im Heere und auf Flotten verwendet wurden. – Hatten schon Ignatius und Laynez den Vian, für die Kirche nicht blos gegen die, welche sich von ihr losgesagt hatten, in den Kampf zu treten, sondern auch den Barbaren das Licht des Glaubens zu bringen; so ging auch Franciscus mit allem Eifer in die Ausführung dieses Planes ein, und errichtete bald über die Gränzen des europäischen Festlandes hinaus neue Missionen, nämlich in Brasilien, Florida, Peru und Mexico. Im J. 1566 sandte er den Ignatius d'Azevedo nach Brasilien, um daselbst die Provinz des Ordens zu visitiren; dieser gründete unter mannigfachen Schwierigkeiten das Collegium zu Rio Janeiro, der Hauptstadt Brasiliens, und ein Noviciat zu San Salvador, Hauptstadt des gleichnamigen Staates in Centralamerika. In Florida, dem südlichsten nordamerikanischen Freistaate, hatten die von Franz Borgias dahin gesendeten PP. Roger, Villareal und Segura mit der Schmutzhaftigkeit und Habsucht der Eroberer, mit Lasterhaftigkeit und Hungersnoth der Eingebornen viel zu kämpfen. Nach Peru sandte er den P. Portillo mit sieben andern Vätern, die im J. 1568 daselbst landeten, und welchen im J. 1569 noch 12 weitere Arbeiter folgten. Während zu Cusco und Paz sich Collegien erhoben, war der General für Fortsetzung des von dem hl. Franciscus Xaverius begonnenen Werkes auf den Molukken thätig. Der Rector des Collegiums zu Alcala, P. Pedro Sanchez, landete auf seines Obern Befehl mit 12 Gefährten im Juni 1572 zu Vera Cruz (ein Staat Mexico's an der Ostküste), um den dortigen Bewohnern und den von den Spaniern eingeführten Negern das Kreuz zu predigen. Auf den Rath unseres Heiligen und des ehrwürdigen P. Petrus Canisius schickte der päpstliche Stuhl einige Jesuiten-Missionäre nach Deutschland, um die durch die neue Lehre verführten Christen wieder zur wahren Kirche zurückzuführen. – Um das J. 1570 verlautete, [283] die Türken wollten die durch die »Reformation« gestifteten Uneinigkeiten und Parteiungen unter den europäischen Monarchen, Völkern, Staaten und Familien benützen und den Kirchenstaat, sowie das venetianische Gebiet heimsuchen. Zu einem gegen sie von Papst Pius V. beabsichtigten Kreuzzug sollten die Fürsten gewonnen werden. Während Cardinal Commendon mit dem Jesuiten Tolet die deutschen Höfe bereiste, sollte der Neffe des Papstes, Cardinal Alessandrini, unverweilt nach Spanien, Portugal und Frankreich abgehen. Dieser wollte aber seine Sendung nur unter dem Schutze des hl. Franz Borgias übernehmen, von dem er wußte, daß er nicht nur in religiösen, sondern auch in politischen Angelegenheiten der Rathgeber der Fürsten war und in häufigem Briefwechsel mit ihnen stand. Der Papst kannte zwar den leidenden Zustand unseres Heiligen, aber auch sein Ansehen und seinen Einfluß an den erwähnten Höfen. Alessandrini stellte dem Kränklichen die gefährdete Kirche vor Augen, und der gebrechliche Greis reiste am 30. Juni 1571 mit dem Cardinale ab. Durch diese Gesandtschaftsreise wurde aber des Heiligen Gesundheit noch mehr zerrüttet, und er fühlte seine Auflösung nahen. Um unter seinen Brüdern an der Stätte des scheidenden Ignatius und Laynez zu sterben, eilte er von Frankreich nach Rom zurück, wo er schon todtkrank am 28. Sept. 1572 anlangte. So lange seine Krankheit dauerte, nahm er keine Besuche an und wollte nur die Aerzte sehen. Die Väter der Gesellschaft baten ihn, seinen Nachfolger zu ernennen, und ihnen zu gestatten, daß sie ihn abmalen lassen; er that aber weder das Eine noch das Andere. Als, währender in den letzten Zügen lag, ein Maler in das Zimmer trat, und er dieß gewahr wurde, bezeigte er sein Mißvergnügen darüber, und wandte das Gesicht auf eine andere Seite, so daß man ihn nicht abzeichnen konnte. Endlich starb er in der Nacht vom 30. Sept. auf den 1. Oct. 1572 unter Gebet für die Christenheit und die Gesellschaft Jesu, in einem Alter von nicht ganz 62 Jahren. Prälaten und Fürsten, Cardinäle und Stadtbewohner in Menge eilten herbei, die Füße dessen zu küssen, der sterbend als der würdigste Nachfolger des sieben Monate vorher (1. Mai) gestorbenen hl. Papstes Pius V. im Conclave genannt wurde. Der hl. Franz Borgias wurde in der alten Kirche des Profeßhauses begraben, allein schon im J. 1618 ließ sein Enkel, der Cardinal-Herzog von Lerma und erster Minister des Königs Philipp III. von Spanien, seine Ueberreste in die Kirche des Profeßhauses zu Madrid übertragen. Im J. 1624 wurde er dann von Papst Urban VIII. »selig« und 1671 von Clemens X. »heilig« gesprochen. Papst Innocenz XI. setzte im J. 1683 seinen Festtag auf den 10. October, an welchem Tage das röm. Brevier sein Andenken sub ritu semid. begeht. Das Mart. Rom. gedenkt seiner am 30. September als an seinem Sterbetage und dann auch am 10. October. Der hl. Franz Borgias ist auch Schriftsteller, und wurden seine in spanischer Sprache verfaßten asketischen Schriften von dem Jesuiten Alphons Doza ins Lateinische übersetzt. In der heil. Kunst erscheint der hl. Franz Borgias als Cardinal und in der Kleidung der Jesuiten. Neben sich hat er auch einen Fürstenhut. (V. 149. But. XIV. 368.)
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