Fructuosus, S. (3)

[323] 3S. Fructuosus, Aëp. (16. April). Dieser hl., Fructuosus stammte aus königlichem Geschlechte, lernte aber früh die bleibenden Güter der Seele erkennen, und fühlte von Kindheit an einen starken Hang zur Einsamkeit. Der Tod seiner Eltern bot ihm die erwünschte Gelegenheit dar, seinen Entschluß auszuführen. Vorerst suchte er sich jedoch an der Schule, welche der Bischof Conatius (Conantius) von Palencia69 zur Bildung seiner Kleriker errichtet hatte, die nöthige Bildung anzueignen. Zugleich verkaufte er einen großen Theil seiner Güter und vertheilte den Erlös unter die Armen und seine freigelassenen Leibeigenen; den größten Theil aber verwendete er zur Erbauung und Stiftung mehrerer Klöster. Das berühmteste unter diesen wurde auf die nahe bei Vierzo liegenden Gebirge erbaut und bekam nachher den Namen Complutum,70 weil es den hhl. Justus und [323] Pastor, Blutzeugen von Complutum (jetzt Alcala von Henarez in Castilien), geweiht war. Andere Klöster finden wir von ihm schon um das J. 647 in Lusitanien, Asturien, Galicien und auf der Insel Cadix. Anfangs stand, Fructuosus dem Kloster Complutum selbst vor, bald aber gab er ihm einen eigenen Abt und zog sich, um dem Gedränge der Besuchenden zu entgehen, in eine Einöde zurück, wo er ein sehr strenges, abgetödtetes Leben führte. Aber auch hier zog seine Heiligkeit Viele an, die unter seiner Leitung leben wollten. Nicht nur einzelne Glieder von Familien, sondern ganze Familien mit Vater und Söhnen, mit Frau und Töchtern entschlossen sich zum klösterlichen Leben; darunter freilich auch Viele ohne höheren Beruf und wohl nur, um sich dadurch von öffentlichen Dienstleistungen und Steuern frei zu machen, weßhalb der König auch eine Verordnung erließ, gemäß welcher der Eintritt von ihm abhängig gemacht wurde. Der Eintritt Unberufener aber hatte begreiflicher Weise viel Nachtheiliges und Sittenverderbendes, und Fructuosus sah sich daher genöthigt, eine doppelte Regel für die Manns- und Frauenklöster zu verfassen. Die erste wird die complntische genannt, weil sie der Abtei dieses Namens eigen war; die zweite die gemeine, welche in den übrigen Klöstern in Uebung war. Jene ist großentheils der des hl. Benedict entnommen, und spricht aus ihr ein tiefer Ernst; eine Ehrfurcht gebietende Sittenstrenge, gänzliche Selbstverläugnung und fast blinder Gehorsam ist von ihr zur Pflicht gemacht; diese dagegen hat die Einrichtung getroffen, nach welcher die Männer mit ihren Frauen und kleinen Kindern ohne Gefahr in einem Kloster mit einander leben konnten; die Männer mußten nämlich mit ihren kleinen Söhnen in einem, die Frauen mit ihren kleinen Töchtern im andern Theile des Klosters wohnen. Sobald die Kinder zum Gebrauche der Vernunft gelangten, wurden sie in der Klosterregel unterrichtet und dann als Oblaten (oblati a parentibus) in ein anderes Ordenshaus geschickt. – Ungeachtet seiner Liebe für die Einsamkeit konnte unser Heiliger doch nicht verhindern, daß sein hehrer Tugendglanz weit umher sich verbreitete, und er, wie schon oben gesagt, viele und lästige Besuche erhielt. Er hatte schon den Entschluß gefaßt, nach dem Orient auszuwandern, als er auf den Bischofssitz von Duma erhoben wurde. Im J. 656 finden wir ihn als Erzbischof von Braga71, in welcher Eigenschaft er besonders segensreich wirkte. Der Neid erregte ihm zwar Verfolgungen, allein er siegte über dieselben durch Geduld und Sanftmuth. Er starb in der Kirche auf einem Aschenkreuz liegend um das J. 665 (nach Bucelin 664) am 16. April, auf welchen Tag sein Name auch im Mart. Rom. gesetzt ist. Er ward begraben im Kloster St. Peter zu Montella, und von da sein Leib nach Compostell über. setzt. Er wurde durch viele Wunder verherrlicht und deßhalb als Schutzpatron nicht weniger Kirchen erwählt. (II. 430.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 2. Augsburg 1861, S. 323-324.
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