[838] S. Lioba, (28. Sept.), auch Liuba, Lieba, Leuba, Leoba, Leobgytha, Liobgid, Truthgeba165, Abtissin des Klosters Bischofsheim, wird von dem Bollandisten [838] Joh. Perierus am 28. Sept. (VII. 748 bis 769) ziemlich ausführllich behandelt, wo er auch (pag. 761–768) ihre Vita gibt, welche der gelehrte Fuldaer Mönch Rudolfus auf Befehl seines sel. Abtes Rabanus Maurus, des nachmaligen Erzbischofs von Mainz, etwa 60 Jahre nach dem Tode der Heiligen nach dem Zeugnisse glaubwürdiger Personen, die ihre Schülerinnen Agatha6, Thekla, Nana und Eoliba noch kannten, und namentlich des Mönches Mago, der mit demselben sehr vertraut war, gewissenhaft verfaßt und der Klosterfrau Hadumont, wahrscheinlich Abtissin eines deutschen Klosters, gewidmet hat166. Hienach stammte die hl. Lioba von frommen vornehmen Eltern im westlichen England. Ihr Vater hieß Dimo (Dynno) oder, wie sie in ihrem Briefe an den hl Bonifacius7 selbst ihn nennt, Tinne und war, wie sie auch sagt, ein langjähriger Freund desselben; ihre Mutter Ebba (Ebbe) aber war mit dem hl. Bonifacius sogar nahe verwandt. Lange Zeit war diese Ehe kinderlos. Da träumte die Mutter Ebba einmal, sie trage in ihrem Schooße eine Glocke, die beim Herausnehmen einen Schall von sich gab, welchen Traum ihre alte Amme dahin erklärte, sie werde noch eine Tochter bekommen, die sie dem Herrn widmen solle etc. Wirklich wurde sie auch nach einiger Zeit mit einer Tochter beglückt, welche sie Truthgeba nannte mit dem Beinamen Liuba oder Lioba, weil sie besonders »lieb« und »geliebt« war. Nachdem ihre Eltern sie in aller Frömmigkeit erzogen hatten, schenkten sie sie dem Herrn, und so wurde sie denn der hl. Abtissin Tetta, welche nach Rudolfus eine Königstochter war und dem kurze Zeit vorher von der hl. Kuthburga (s.d.) gegründeten Kloster Winburn167 in Dorsetshire (Dorcestria) mit seinen fast 500 Klosterfrauen mit großer Einsicht und Weisheit vorstand, zum höheren Unterrichte in den göttlichen Dingen übergeben. Hier wuchs nun die junge Lioba heran und wurde von der Abtissin und allen Schwestern mit solcher Sorgfalt unterrichtet, daß sie nichts anderes kannte als das Kloster und das Verlangen nach himmlischer Weisheit. Sie war viel mit Gebet und geistlichen Uebungen beschäftigt, und »wenn sie nicht las«, sagt ihr Biograph, »so arbeitete sie mit ihren Händen das, was ihr auferlegt war«. Auch erlernte sie, wie das in jener Zeit namentlich bei Klosterfrauen nicht selten war, die lateinische Sprache und brachte es darin so weit, daß sie in derselben nicht nur die hl. Schriften, so wie die Kirchenväter und die kirchlichen Gebete lesen, sondern auch schreiben und Verse machen konnte. Als ihre Lehrerin hierin nennt sie selbst die Nonne Eadburga, welche vielleicht identisch ist mit Eadburgis3 mit dem Beinamen Bugga (Buggue), von welcher mir auch einen Brief168 an den hl. Bonifacius haben, die aber jedenfalls verschieden ist von der Abtissin Eadburga des Klosters Thanet in Kent, an welche der hl. Bonifacius mehrere Briefe geschrieben hat. Während unsere hl. Lioba, auch nachdem sie den hl. Schleier erhalten, in den Wissenschaften, so wie in allen Tugenden sich übte, sah sie einmal bei der Nacht int Traume einen Purpurfaden aus ihrem Munde hervorgehen. Da sie denselben herausziehen wollte, wurde er immer länger und länger, als wenn er aus ihren Eingeweiden hervorkäme, so daß sie nun anfing, denselben aufzuwickeln, und so am Ende in der Hand einen großen Knäuel bekam. Wie sie dann bei dieser mühsamen Arbeit vor Angst endlich aufwachte, dachte sie über diesen Traum längere Zeit nach und wünschte sehr, dessen Bedeutung zu erfahren. Nun war im Kloster eine alte Nonne, die im Rufe besonederer prophetischer Erleuchtung stand. Unsere hl. Lioba hätte hierüber gerne sie gefragt; aber aus Bescheidenheit ging sie nicht selbst zu ihr, sondern schickte eine Mitschwester, welche den Traum so erzählte, als wenn sie selbst ihn geträumt hätte. Die alte Nonne erkannte aber sogleich, daß nicht sie, sondern Lioba diesen Traum gehabt, und gab nun die Deutung dahin: der Purpurfaden bedeute [839] die Lehre der Weisheit, welche aus Lioba's Herzen durch den Mund hervorgehen werde. Der aus diesem Faden gebildete Knäuel in ihrer Hand bedeute, daß sie das, was sie mit dem Munde lehre, auch in der That ausführe. Der durch das Aufwinden entstandene runde Knäuel sei ein Bild des göttlichen Wortes, welches durch den Mund und die Handlungen der Prediger gleichsam gerollt (gedreht) wird und bald durch das thätige Leben unten sich aufhält, bald durch das beschauliche nach oben sich richtet. Durch dieses Zeichen habe also Gott zu erkennen gegeben, daß Lioba einst durch Wort und Beispiel großen Nutzen stiften werde; doch werde dieses weit von hier bei and eren Nationen geschehen, wohin sie reisen müsse etc. – Inzwischen war ihr Vetter, der hl. Bonifacius7, der in seinem apostolischen Verlangen nach Verbreitung des Christenthums im J. 716 zuerst nach Friesland, dann nach Deutschland gegangen war und dort längere Zeit segensreich gewirkt hatte, am 30. Nov. 723 bei seinem zweiten Aufenthalte in Rom vom Papste Gregorius II. zum Bischofe für Deutschland geweiht worden. Daß seine englischen Landsleute an seiner dortigen segensreichen Wirksamkeit ein großes Interesse nahmen, läßt sich denken und wird auch durch die noch vorhandenen Briefe bezeugt, die sie einander schrieben und mit welchen sie ihm wohl auch größere oder kleinere Missionsgaben an Geld oder Kirchenkleidern etc. schickten. Auch unsere hl. Lioba, welche sich hier Leobgytha nennt, sendete ihm einen Brief169, in welchem sie ihn an die alte Freundschaft mit ihrem 8 Jahre vorher verstorbenen Vater Tinne und an die Verwandtschaft mit ihrer zwar noch lebenden, aber altersschwachen Mutter Ebba erinnert und sie Beide seinem frommen Gebete empfiehlt. Um dieses bittet sie ihn auch für sich selbst, so wie zugleich um seinen sonstigen Beistand, da sie zu Niemanden auf Erden ein größeres Vertrauen habe als zu ihm. Mit dem Briefe sendet sie ihm ein kleines Geschenk, damit er bei der großen Entfernung, die sie trenne, sie nicht vergesse, bittet ihn um einige freundliche Worte, nach denen sie sich wahrhaft sehne, und schließt mit einigen lateinischen Versen, in welchen sie den Herrn anfleht, daß Er ihm Gesundheit und Heil spenden möge in dauernder Fülle. Wahrscheinlich hat ihr der hl. Bonifacius auf diesen Brief auch geantwortet, obwohl wir diesen seinen Antwortsbrief nicht haben170; jedenfalls kam ihm seine Base dadurch wieder in's Gedächtniß, und als er dann in der Erinnerung an den großen Einfluß, welchen die Frauen auf die Ausbreitung und Befestigung des Christenthums in England gehabt hatten, mit dem Gedanken umging, auch in Deutschland zur Unterstützung seiner Wirksamkeit nicht blos männliche, sondern auch weibliche Klöster zu gründen, so wendete er sich an die Abtissin Tetta von Winburn mit der Bitte, ihm seine Base Lioba, von deren Kenntnissen und Tugenden er auch sonst nur Rühmliches gehört hatte, zu schicken. Nur ungern ging Tetta daran, ihm diese Perle ihres Klosters zu überlassen; allein im Hinblick auf den erhabenen Zweck und aus Verehrung für den hl. Bonifacius willigte sie in ihre Abreise nach Deutschland, die damals sehr beschwerlich war und zu welcher die hl. Lioba nur aus Liebe zu Gott und Seiner Kirche, so wie aus Verehrung für den hl. Bonifacius sich entschließen konnte. Die Zeit ihrer Abreise wird verschieden angegeben. Nach Baronius, dem mehrere andere Schriftsteller folgen, wäre sie schon im I. 724 oder 725 erfolgt, also bald, nachdem der hl. Bonifacius von Rom als Bischof nach Deutschland zurückkehrte. Nach den Bollandisten aber, denen auch Zell beistimmt, hatte der hl. Bonifacius [840] um diese Zeit auf seine Bitte allerdings einige Gehülfen aus England erhalten171; aber die Berufung der hl. Lioba erfolgte erst viel später, nämlich um die Zeit, da der hl. Sturmius mit 2 Mitbrüdern vom hl. Bonifacius auf den Berg Cassino in Italien geschickt wurde, um dort die Regel des hl. Benedictus genau kennen zu lernen und dann die Leitung der deutschen Mannsklöster übernehmen zu können. »Zu gleicher Zeit« (similiter), sagt nämlich der Biograph Rudolfus, »schickte er auch Gesandte mit Briefen an die Abtissin Tetta mit der Bitte, daß sie ihm zum Troste seiner Pilgerschaft und zur Hilfe bei der ihm aufgetragenen Mission die Jungfrau Lioba schicken möchte« etc. Das Erstere geschah nun nach sicheren Urkunden des Fuldaer Abtes Eigil (s. Aegilis und Eigilus) im I. 748172. nachdem nämlich der hl. Bonifacius mit seinen Gehülfen schon einige Klöster gegründet hatte; also muß auch die Berufung der hl. Lioba in diese Zeit gesetzt werden. Wie er dann den hl. Sturmius nach seiner Rückkehr aus Italien zum ersten Abte des um das I. 744 von ihm gegründeten Klosters Fulda einsetzte und ihm auch die Oberleitung der deutschen Mannsklöster übertrug, so übergab er der hl. Lioba, die er bei ihrer Ankunft mit aller Verehrung aufnahm, mit der Oberleitung der übrigen deutschen Frauenklöster besonders das ebenfalls von ihm gegründete weibliche Kloster in Bischofsheim173, wo sich eine große Anzahl von Dienerinnen Gottes zusammen fand, welche nach dem Beispiele dieser ihrer frommen Lehrerin in der göttlichen Lehre, so wie in den damaligen Gegenständen unterrichtet wurden und darin solche Fortschritte machten, daß mehrere von ihnen selbst wieder Lehrerinnen Anderer wurden. Ihr Kloster wurde so zum Mutterhause vieler anderer Klöster, indem in jenen Gegenden kaum ein Frauenkloster war, welches nicht Schülerinnen von ihr als Lehrerinnen oder Oberinnen sich erbeten hätte, so daß also, wie der hl. Bonifacius der »Apostel Deutschlands« wurde, die hl. Lioba als die Mutter der deutschen Kloster-Lehrfrauen angesehen werden kann174. Als solche leitete sie nicht blos ihr ei genes Kloster in aller Weisheit, sondern besuchte auch andere vom hl. Bonifacius für Jungfrauen gegründete Klöster, deren Mitglieder sie als ihre geistige Führerin in ihrem gegenseitigen Wetteifer zu immer größerer Vollkommenheit hinleitete. Von den Schülerinnen der hl. Lioba wurden oben genannt Agatha, Thekla, Nana und [841] Eoliba. Von den zwei Letzteren ist etwas Näheresnicht bekannt, doch sind sie im Elenchus mit dem 22. Nov. aufgeführt, und in Art. Gyn. heißt es von ihnen, sie seien vom hl. Bonifacius aus dem Kloster Winburn in England berufen worden und mit der hl. Lioba, deren Schülerinnen sie gewesen, nach Deutschland gekommen, wo sie in großer Heiligkeit gelebt haben. Die hl. Agatha wird von den Bollandisten am 12. Juni (II. 506) unter den Prätermissen erwähnt mit dem Beifügen, daß sie von einigen Hagiologen als Klosterfrau zu Winbrunn in Deutschland erwähnt und als Engländerin bezeichnet werde; aber im Leben der hl. Lioba (pag. 755) wird von ihnen nachgewiesen. daß dieselbe vielmehr eine Deutsche gewesen sei und wohl im Kloster Bischofsheim gelebt habe, aber nicht im engl. Kloster Winburn, während in Deutschland ein Kloster Weinsbrunn gar nie existirte175. Ausführlicher sprechen die Bollandisten am 25. Oct. (VII. 59–64) von der hl. Thekla, einer Verwandten der hl. Lioba, die auch im Kloster Winburn lebte und die einzige war, von welcher es gewiß ist, daß sie die hl. Lioba nach Deutschland begleitet habe, wenn auch Rudolfus leider gar keine Begleitschaft erwähnt. Sie wurde dann Vorsteherin im Kloster zu Ochsenfurt und nach dem etwa im I. 766 erfolgten Tode der hl. Hadeloga (s.d.) Abtissin von Kitzingen, als welche sie dei Bruschius unter dem Namen Heilga (wahrsch. »heilig«) erwähnt wird und um das I. 790 starb. Uebrigens ist sie nicht zu verwechseln mit einer andern Nonne Thekla, die im engl. Kloster Berking lebte und unter den gelehrten Frauen genannt wird, denen der hl. Abt und nachherige Bischof Adelelmus2 sein Werk über den jungfräulichen Stand widmete. Daß auch die hl. Cynehilda, welche wir in unserem Werke unter dem Namen Chunihildis, S. Gunthildis2 und B. Hunechildis haben, einige Zeit im Kloster Bischofsheim unter der hl. Lioba lebte, geht aus dem oben erwähnten Briefe176 des hl. Bonifacius hervor. Hienach ist anzunehmen, daß auch ihre Tochter Berathgit (Bertgitha), die wir als S. Bergita und Brathgit177 haben, einige Zeit im Kloster Bischofsheim geweilt habe, bis sie Abtissin eines unbekannten Klosters in Thüringen wurde. Beide waren ebenfalls sehr wissenschaftlich gebildet. Daß die hl. Walburga (Waltpurgis), welche von Einigen als Verwandte178, von Pagius irriger Weise gar als Schwester der hl. Lioba bezeichnet wird, einige Zeit dort gelebt habe, wird zwar von Einigen behauptet, aber nicht bestimmt nachgewiesen, wie es auch nicht ganz gewiß ist, daß Beide verwandt gewesen und miteinander aus England nach Deutschland gekommen seien. Dieselbe gründete dann bei Heidenheim in der Diöcese Eichstädt, wo ihr hl. Bruder Willibald Bischof war, in der Nähe des von ihrem hl. Bruder Wunibald gestifteten und geleiteten Klosters ein Frauenkloster, dessen Abtissin sie war bis zu ihrem um das I. 778 erfolgten Tode. Auch die oben genannte hl. Chunidrut, die wir als Hunetrud haben, scheint einige Zeit im Kloster Bischofsheim gelebt zu haben, bis sie dann, wie Zell (S. 376) angibt, vom hl. Bonifacius nach Bayern geschickt wurde, um zu dem gleichen Zwecke wie ihre Gefährtinnen entweder als Vorsteherin eines Frauenklosters oder als Lehrfrau oder als einfache Klosterfrau zu wirken, obwohl man Näheres von ihr nicht weiß, während man übrigens von mehreren anderen Jungfrauen, die auf Veranlassung des hl. Bonifacius von England nach Deutschland kamen, nicht einmal den Namen kennt. – Im Kloster zu Bischofsheim wurde damals wie in England und auch sonst allgemein die Regel des hl. Benedictus beobachtet, welche etwas milder [842] war als die des hl. Columban und welche für die weiblichen Klöster nach den Umständen noch mehr gemildert wurde. Die Nonnen beteten bei Tag und Nacht die gewöhnlichen 7 kanonischen Tagzeiten und beschäftigten sich mit den Geschäften der Haushaltung und mit weiblichen Handarbeiten, dann mit Lesen und Studiren, so wie mit dem Unterrichte und der Erziehung der weiblichen Jugend, die ihnen anvertraut wurde, wodurch sie zur Befestigung im Christenthume so wie zur allgemeinen Bildung und zur Verbesserung der Sitten ihrer Umgebung wesentlich beitrugen. Die hl. Lioba war auch ganz geeignet zur Leitung dieser Bildungsanstalten; denn nach Rudolfus war sie eine Frau von großen Tugenden und im Festhalten des von ihr gewählten Lebensberufes so standhaft, daß sie darüber Vaterland und entfernte Freunde vergaß. Ihr Augenmerk war ganz und gar darauf gerichtet, daß sie selbst untadelhaft vor Gott sich erweise und allen ihren Untergebenen ein Vorbild sei, nach dem sie zur Erlangung des Heiles sich richten könnten. Daher hütete sie sich immer, Andere etwas zu lehren, was sie nicht vorher selbst gethan hätte. Sie war frei von Stolz und Anmassung, und zeigte sich Allen ohne Unterschied der Person stets freundlich und liebreich. Sie sah aus wie ein Engel, war sanft in ihrer Rede, von klarem Verstande und großer Umsicht; sie war katholisch in ihrem Glauben, unerschütterlich in ihrer Hoffnung und unbegränzt in ihrer Liebe. Obwohl sie immer heiter war, sah man sie doch nie übermäßig lachen. Niemals hörte man ein zorniges oder schmähendes Wort aus ihrem Munde. Während sie gegen Andere bezüglich Speise und Trank sich sehr milde bewies, genoß sie selbst nur sehr wenig, und hatte auch einen kleineren Trinkbecher als die Uebrigen, von welchen daher derselbe scherzweise »der Kleine der Lieben« (Dilectae parvus) genannt wurde. Dem Lesen ergab sie sich so eifrig, daß sie nur zur Zeit des Gebetes und der nothwendigen Erholung des Körpers durch Speise und Schlaf die heil. Schrift aus der Hand ließ. Da sie dabei mit großem Eifer um ihre wissenschaftliche Fortbildung sich bemühte, so erreichte sie durch das vereinte Zusammenwirken von natürlichen Gaben und angestrengtem Fleiße eine bedeutende Stufe der Gelehrsamkeit. Sie durchforschte das alte und neue Testament mit Scharfsinn und prägte ihren Inhalt dem Gedächtnisse ein. Dazu fügte sie noch die Kenntniß der Schriften der heil. Väter und des kirchlichen Rechts. Sie bewies in allem ihrem Thun einen richtigen Tact, sah immer auf ein practisch erreichbares Ziel und hütete sich sehr, unüberlegter Weise etwas anzufangen, was sie später nicht hätte durchführen können. Weil sie wohl erkannte, daß zum Beten und Lesen eine Anstrengung des Geistes erfordert werde, so pflegte sie im Wachen, wie überhaupt in Allem, Maß zu halten. So war es denn, wie in anderen Klöstern, besonders in denen, welche das nächtliche Chorgebet hatten, auch eingeführt, daß sowohl sie selbst als auch die Mitschwestern nach der Hauptmahlzeit, besonders den ganzen Sommer hindurch, immer ein wenig schliefen, und wenn auch eine derselben sich um diese Zeit den Schlaf entziehen wollte, so erlaubte sie es nicht, indem sie sagte: Wenn man sich wider die eingeführte Ordnung den Schlaf abbreche, so werde der Sinn abgestumpft, besonders für das Lesen. Aber vor dem Schlafe Nachts und auch Mittags hatte sie die Gewohnheit, sich immer etwas aus der heil. Schrift vorlesen zu lassen, was durch jüngere Klosterfrauen geschah, welche der Reihe nach abwechselten. Dabei geschah es, daß von der Vorleserin kein Satz, ja keine Silbe übergangen werden konnte, ohne daß die hl. Lioba, auch wenn sie zu schlafen schien, es bemerkte. Manche suchten sie, wie sie später gestanden, auf die Probe zu stellen, indem sie zuweilen absichtlich fehlerhaft lasen, wenn sie zu sehen glaubten, daß sie wirklich im tiefen Schlafe liege; aber sie kamen niemals ungerügt davon. Sie konnte also wohl sagen mit den Worten des hohen Liedes: »Ich schlafe, aber mein Herz wacht.« Die Tugend der Demuth übte sie in so hohem Grade, daß sie, obwohl sie durch ihr persönliches Verdienst und durch ihre Würde als Oberin Allen voranstand, sich doch im Herzen als die geringste ansah und auch so in Worten und in ihrer ganzen Haltung sich äußerte. Die Gastfreundschaft ließ sie sich besonders angelegen seyn. Allen fremden Gästen gewährte sie Obdach und Nahrung. Nach der Anordnung des Herrn wusch sie Allen mit ihren eigenen Händen die Füsse. – Nach dieser Schilderung erzählt Rudolfus einige Wunder, die auf ihre Fürbitte geschahen. Es konnte nämlich der böse Feind so viele Tugenden nicht ohne Neid [843] ansehen, und da er der hl. Lioba selbst und den ihr untergebenen Jungfrauen durch seine Versuchungen nichts anhaben konnte, so suchte er wenigstens ihren guten Ruf zu trüben. Er bediente sich hiezu einer armen Weibsperson, welche täglich zur Klosterpforte kam und von der Abtissin aus Liebe zu Gott Kleidung und Nahrung erhielt. Diese führte jedoch heimlich einen schlimmen Lebenswandel und hatte dazu noch die Bosheit, daß sie das hienach von ihr heimlich geborne Kind zur Nachtszeit in die Tauber warf an einer Stelle in der Nähe des Klosters, wo das Wasser wegen der innerhalb des Klosters liegenden Mühle gestaut war. Am folgenden Tage sah eine Frau, welche dort Wasser holte, den Leichnam des Kindes, erhob darüber einen großen Lärm und scheute sich nicht, gegen das Kloster einen Verdacht auszusprechen, der auch bei Manchen von der herbei gekommenen Ortsbevölkerung Eingang fand. Als die hl. Lioba dieses erfuhr, rief sie alle Schwestern des Klosters zusammen und es fehlte keine als die Schwester Agatha179, welche sich mit Erlaubniß der Oberin vor ein Paar Tagen wegen wichtiger Familien-Angelegenheiten zu ihren Eltern begeben hatte. Dieselbe wurde dann sogleich zurückberufen, und nun veranstaltete die hl. Lioba ein Gebet mit Procession um das Kloster, wobei alle Klosterfrauen einmüthig zu Gott flehten, daß Er den klösterlichen Verein von diesem Verdachte reinigen möchte. Als sie dieses schon zweimal gethan hatten und zur neunten Stunde alle Nonnen in die Kirche gingen, außerdem das ganze Volk daselbst versammelt war, da trat Lioba zum Altare, stellte sich vor das Kreuz, welches man setzt zum dritten Male vorzutragen sich anschickte, hod die Hände gegen Himmel, betete unter Thränen und Seufzen und sprach: »Herr Jesus Christus, König der Jungfrauen, der Du die Unschuld liebst, unbesiegbarer Gott! zeige Deine Kraft und erlöse uns von dieser Schmach; denn die Schmähungen der Schmähenden sind über uns hereingebrochen.« Kaum hat sie dieses gesagt, da erhebt sich plötzlich, wie von einem Geiste ergriffen und ganz außer sich, jene Bettlerin, ruft den Namen der hl. Abtissin Lioba und gesteht laut das von ihr begangene Verbrechen. Das ganze Volk staunt über dieses wunderbare Ereigniß; die Dienerinnen Gottes weinen vor Freude, und Alle preisen einmüthig das Verdienst der hl. Lioba und die Macht des göttlichen Erlösers. So ergab es sich, daß der Ruhm des Klosters, welchen der böse Feind beeinträchtigen wollte, nur um so heller strahlte. Schließlich bemerkt Rudolfus noch, Gott habe zwar früher durch seine Dienerin schon mehrere Wunderzeichen gethan, die aber nicht bekannt geworden seien; dieses aber sei das erste gewesen, das in Deutschland geschah, und deßwegen um so berühmter, da es ganz öffentlich war. – Ein anderes Mal wurde eine im Orte ausgebrochene Feuersbrunst, welche die mit Strohdächern versehenen Häuser schnell verzehrte und auch das Kloster zu zerstören drohte, dadurch gelöscht, daß sie, die allein ruhig und besonnen blieb, Wasser aus dem Flusse herbeibringen ließ, in dasselbe etwas von dem vom hl. Bonifacius geweihten Salze streute und dann sagte: »Gehet und gießet dieses Wasser in die Flamme; dann soll alles Volk aus dem Flusse Wasser schöpfen und das Feuer damit löschen«. Als sie dieses thaten, legte sich sogleich die Gewalt des Feuers und das Kloster blieb verschont; das Volk aber lobte Gott, der durch den Glauben und durch das Gebet Seiner Dienerin Lioba Solches gewirkt hatte. – Wieder ein anderes Mal wüthete ein heftiger Sturm mit Gewitter so arg und so lang, daß endlich alles Volk in die Klosterkirche eilte, weil man glaubte, der jüngste Tage nahe heran. Da erscheint die hl. Lioba unter ihnen, richtet ihre Hoffnung auf Gott und ermahnt sie zum Gebete. Sie selbst wirst sich vor den Stufen des Altars auf das Angesicht nieder und betet. Aber der Sturm wird imm er ärger und droht das Gebäude nieder zu werfen. Voll Schrecken eilt das Volk zu ihr und bittet sie, aufzustehen. Auch ihre Base Thekla180 ruft ihr zu: »O Liebe, Liebe! [844] auf dir beruht die Hoffnung dieses Volkes hier und das Ziel ihrer Wünsche. Steh auf und rufe zu Deiner Frau, der heiligen Gottesgebärerin, auf daß wir durch ihre Fürbitte von der Gefahr dieses Sturmes errettet werden.« Auf diese Worte steht sie auf, legt ihren Mantel ab, öffnet das Thor der Kirche, stellt sich auf die Schwelle des Eingangs und macht da das Zeichen des Kreuzes, indem sie zum Schutze gegen das Wüthen des Sturmes den Namen der göttlichen Majestät ausspricht. Dann ruft sie mit ausgestreckten Armen dreimal laut die Erbarmung Christi an und bittet Ihn um der Fürbitte und Verdienste Seiner Mutter Maria willen, dem Volke Seine Hilfe zu gewähren. Darauf verstummen die Donner, der Sturm legt sich, die Heiterkeit des Himmels kehrt zurück, und alles Volk lobt Gott für diese durch die hl. Lioba erhaltene Gnade. – Einmal war eine von den Klosterjungfrauen, Namens Willeswind, welche sich durch ihren Lebenswandel sehr auszeichnete, so krank, daß sie nicht im Kloster bleiben konnte, weßwegen sie mit Erlaubniß der Abtissin zu ihren nahen Eltern getragen wurde. Da man nach einiger Zeit ihren Tod erwartete, ließen die Eltern die Abtissin bitten, daß sie durch ihr Gebet die scheidende Seele bei Gott empfehlen möchte. Die hl. Lioba kam nun selbst und fand ihre Verwandten klagend um das Bett stehen, die Kranke aber mit einem Tuche bedeckt, wie wenn sie schon gestorben wäre. Lioba ließ das Tuch wegnehmen, berührte die Kranke und überzeugte sich, daß sie noch lebe, was sie auch den Umstehenden mittheilte. Dann ließ sie aus dem Kloster Milch holen und den Löffel, welchen sie selbst gewöhnlich bei Tisch gebrauchte. Sie segnete die Milch und träufelte mit dem Löffel etwas davon der kranken Schwester in den Mund. Dadurch wurde sie so erquickt, daß sie die Augen aufschlug und wieder zu sprechen begann. Am folgenden Tage konnte sie schon andere Speise genießen und nach 7 Tagen kehrte sie wieder in's Kloster zurück. Sie lebte nachher noch mehrere Jahre nach dem Tode der hl. Lioba in einem Kloster in Thüringen, bis zur Zeit des Königs Ludwig des Frommen, der im I. 814 zur Regierung kam, da der Biograph Rudolfus schon Mönch in Fulda war, der dann Prediger und Beichtvater bei dem Könige Ludwig wurde. Durch solche Wunderzeichen, sagt erschließlich, wurde der Glaube in den Völkern noch stärker angefacht und der gute Ruf des Klosters verbreitete sich immer mehr, so daß viele edle und mächtige Männer ihre Töchter demselben anvertrauten und viele Matronen die Welt verließen und dort den Schleier nahmen. Uebrigens hatte sie, da das Kloster Bischofsheim keine ergiebige Fundation gehabt zu haben scheint, auch mit manchen Sorgen für den Lebensunterhalt ihrer Un tergebenen zu kämpfen, wie aus dem Trost-Briefe181 hervorgeht, den der hl. Lullus – wahrscheinlich im Auftrage des hl. Bonifacius – an sie geschrieben hat, in welchem er unter Hinweisung auf Aussprüche Christi sie ermahnt, diese Armuth geduldig zu ertragen, ihm das, was ihr am Nothwendigen mangle, durch den Diakon Grundwin anzuzeigen und eifrig für ihn zu beten, da er durch Angriffe des bösen Feindes und seiner Diener setzt ebenfalls in großer Bedrängniß sich befinde etc. – Inzwischen rüstete sich der hl. Erzbischof Bonifacius zur Abreise nach Friesland, um dort neuerdings das Evangelium zu verkünden. Er rief daher seinen Schüler Lul, der dann sein Nachfolger als Erzbischof von Mainz wurde, übertrug [845] ihm die Sorge für die gläubigen Völker und gab ihm sonst noch mehrere Aufträge besonders wegen des von ihm gegründeten Klosters und der Kirche in Fulda, namentlich auch den, daß er ihn nach seinem Tode dort begraben solle. Auch der hl. Lioba gab er noch mehrere väterliche Ermahnungen, sie solle in ihrem Vorhaben muthig ausharren und bei den Trübsalen des Lebens stets an das Paulinische Wort sich erinnern, daß diese in keinem Vergleiche stehen zu der Herrlichkeit, die uns einst dort drüben erwarte. Dann empfahl er sie dringend dem Erzbischofe Lullus und den älteren Mönchen des Klosters Fulda, welche zugegen waren, indem er sie ermahnte, daß sie mit aller Verehrung für sie sorgen und nach ihrem Tode sie an seiner Seite begraben sollten, um so miteinander den Tag der Auferstehung zu erwarten, da sie im Leben in gleicher Weise miteinander Christo dem Herrn gedient hätten. Hierauf gab er ihr zum Andenken seine Cuculle182, indem er sie nochmal ermahnte, das Land ihrer Pilgerschaft nicht zu verlassen, und reiste dann nach Friesland, wo er nach kurzem Aufenthalte am 5. Juni 755 den Martyrtod erlitt. Die hl. Lioba aber verharrte standhaft im Werke Gottes, indem sie nicht die Erde, sondern den Himmel erben wollte. Sie war wegen ihrer Weisheit von Allen hochgeachtet, die sie kannten. Auch vom Frankenkönige Pipin wurde sie sehr geehrt, so wie von seinen Söhnen Karl und Karlmann, besonders aber von Karl dem Großen, welcher nach dem Tode seines Bruders, mit dem er einige Jahre regiert hatte, die Herrschaft allein führte und von Rudolfus, seinem Zeitgenossen, ein großes Lob erhält. Derselbe lud die hl. Lioba häufig zu sich ein, empfing sie mit großer Verehrung und beschenkte sie reichlich. Auch seine Gemahlin Hildegard, mit der er im I. 771 sich vermählte, hatte eine große Verehrung für sie; ja dieselbe liebte sie wie ihre eigene Seele und wünschte, daß sie immer bei ihr bleiben möchte, um an ihren Worten und Beispielen sich zu erbauen. Aber die hl. Lioba scheute das Hofleben und kehrte immer bald wieder in ihr Kloster zurück oder besuchte als Führerin die andern Frauenklöster, um die dort wohnenden Jungfrauen zur Vollkommenheit des geistlichen Lebens zu leiten. Manchmal kam sie des Gebetes wegen auch in das Kloster der Mönche von Fulda, wo sie in Rücksicht auf die Empfehlung des hl. Bonifacius Zutritt hatte. Bei solchen Besuchen ließ sie ihre Begleiterinnen in einer dem Kloster nahen Wohnung zurück und ging nur mit einer älteren Nonne ins Kloster, wo sie nur unter Tags verblieb und Abends nach verrichtetem Gebete und eingenommener Collation wieder zu ihren Begleiterinnen zurück kehrte. – Nachdem die hl. Lioba auf solche Weise unter vielen Beweisen von Hochachtung und Verehrung, aber auch unter manchen Kämpfen und Sorgen ein hohes Alter erreicht und wohl mehr als 25 Jahre lang das Kloster Bischofsheim geleitet, auch alle andern Klöster, die unter ihrer Obsorge gestanden, in gute Ordnung gebracht hatte, zog sie sich nach dem Rathe des hl. Erzbischofs Lullus in den 4 Meilen südlich von Mainz gelegenen Ort Schonersheim (Schornsheim?) zurück, wo wahrscheinlich auch schon ein Frauenkloster war oder etwa durch sie erst gegründet wurde, und wo sie mit den dortigen Dienerinnen Gottes dem Herrn Tag und Nacht in Gebet und Fasten diente. Da sich während dieser Zeit König Karl, der damals noch nicht Kaiser war, einmal in seinem Palaste zu Aachen aufhielt, schickte die Königin Hildegard zur hl. Lioba und ließ sie bitten, sie möchte doch zu ihr nach Aachen kommen, weil sie sehr wünschte, sie nochmal zu sehen, ehe sie das Zeitliche verließe. Obe wohl diese Reise der hl. Lioba beschwerlich fiel, verstand sie sich wegen der alten Freundschaft doch dazu und wurde bei ihrer Ankunft von der Königin mit gewohnter freudiger Begrüßung empfangen. Nachdem sie sofort die Gründe der Einladung gehört hatte, bat sie alsbald um die Erlaubniß, wieder in ihr Kloster zurückkehren zu dürfen. Obwohl [846] die Königin dringend verlangte, daß sie noch einige Tage bei ihr bleiben möchte, so weigerte sich doch die hl. Lioba, stürzte aber mit erregter Stimmung in die Arme der Freundin, küßte ihr den Mund, die Stirne und die Augen, blieb lange in diesen Umarmungen und verließ sie zuletzt mit den Worten: »Lebe wohl auf ewig, geliebte Frau und Schwester! lebe wohl, du kostbarer Theil meiner Seele! Christus, unser Schöpfer und Erlöser, verleihe uns, daß wir am Tage des Gerichts uns ohne Beängstigung wieder sehen; in diesem Leben werden wir uns von heute an nicht wieder sehen.« Diese Vorhersagung ging auch in Erfüllung; denn als sie nach dem Kloster Schonersheim zurückgekehrt war, fühlte sie sich wenige Tage nachher unwohl, und da sie bei der Zunahme der Krankheit die Zeit ihres Heimgangs herannahen sah, ließ sie den ehrwürdigen Priester Torabert zu sich rufen. Dieser war von Geburt ein Engländer und stets in der Umgebung der hl. Lioba, der er mit Verehrung und Anhänglichkeit zugethan war. Sie empfing von ihm die letzte Wegzehrung und gab dann Gott die Seele, welche sie von Ihm erhalten, rein und unbefleckt mit Freude wieder zurück. Sie starb am 28. Sept., und zwar nach den Bollandisten um das I. 779, während Wilson sie um das I. 757, Pagius um das I. 768 und Mabillon um das I. 772183 gestorben seyn lassen. Rudolfus selbst hat ihr Todesjahr leider auch nicht einmal angedeutet; wegen ihres Begräbnisses aber sagt er weiter: Ihren Leib brachten die Fuldaer Mönche in Begleitung vornehmer Personen in ihr Kloster nach Fulda, um ihn neben dem hl. Bonifacius zu begraben, wie es dieser ausdrücklich verlangt hatte. Weil sie sich aber doch scheuten, das Grab des hl. Martyrers zu öffnen, so begruben sie denselben an der nördlichen Seite des Altars, welchen der hl. Bonifacius selbst zu Ehren des göttlichen Heilandes und Seiner 12 Apostel eingeweiht hatte. Da nach mehreren Jahren die Kirche durch Umbau vergrößert und im I. 819 zur Einweihung hergerichtet wurde, versetzte der schon oben erwähnte Abt Eigil, welcher vom I. 817 bis 822 das Kloster Fulda regierte, mit Erlaubniß des Erzbischofs Aistulps (Hestulfus, Heistulfus) von Mainz die Gebeine der hl. Lioba nach der südlichen Halle neben den Altar des hl. Martyrers Ignatius, in dessen Nähe bei dieser Gelegenheit auch die irdischen Ueberreste des am 17. Dec. 779 gestorbenen hl. Sturmius gebracht wurden. An ihrem Grabe geschahen viele Wunder; zwei davon hat ihr Biograph Rudolfus aufgezeichnet, nämlich von einem Manne, dessen Arm unmittelbar auf der Haut mit einem eisernen Ringe so fest umschlossen war, daß das Fleisch darüber wuchs, welcher Ring dann, nachdem er am Grabe der hl. Lioba gebetet hatte, von selbst abfiel, und von einem Spanier, der ein beständiges Zittern und Schütteln an allen Gliedern hatte, von welchem Uebel er, nachdem er überall vergebens Hilfe gesucht hatte, am Grabe der hl. Lioba befreit wurde. Am Schlusse seiner Vita sagt der Biograph Rudolfus: »Auch noch viele andere Zeichen hat Gott auf die Fürbitte der hl. Lioba gewirkt, welche ich hier weglasse; aber diese zwei Ereignisse, welche von mehreren noch lebenden Mitbrüdern als Augenzeugen bezeugt werden, und bei welchen ich, als sie geschahen, selbst gegenwärtig war, wollte ich, weil sie ganz sicher und gewiß sind, aufzeichnen zum Lobe und zum Ruhme des Namens unsers Herrn Jesus Christus« etc. – Die Bollandisten erwähnen nun noch mehrere Translationen der Reliquien unserer Heiligen. Es hatte nämlich der sel. Abt Rabanus Maurus auf dem Peters berge bei Fulda eine Kirche gebaut, welche [847] auf Befehl des Erzbischofs Otgar von Mainz von seinem Weihbischofe Reginbald im J. 837 geweiht wurde, und dahin wurden denn von dem genannten Abte mit mehreren anderen Reli Quien auch die der hl. Lioba, oder doch der größte Theil derselben, gebracht. Im 15. Jahrhunderte (1478) sind sie wieder als in der Kirche von Fulda befindlich erwähnt. Da im J. 1613 der Herzog Wilhelm von Bayern einige Reli Quien von Fulda zu erhalten wünschte, öffnete man einige Schreine und auch das Grab der hl. Lioba, in welchem man aber nur mehr westoph B row er (Antiq. Fuld. l. 2. c. 8) den damaligen Kriegszeiten und andern Unfällen zuschreibt, und woran wohl auch der Umstand Schuld ist, daß viele Reliquien von ihr auch an andere Kirchen abgegeben wurden. Dieß muß schon frühzeitig geschehen seyn, wie aus den Versen hervorgeht, die der sel. Abt Rabanus Maurus als Aufschriften für diese Kirchen machte, so z.B. im Kloster Kling der Diöcese Speier, im Kloster Hersfeld, in der Kirche zu Heiligenstadt etc. Schließlich bemerkt der Bollandist Perier noch, daß die hl. Lioba schon frühzeitig in Deutschland, namentlich in Fulda, verehrt worden sei, und er führt ein Propr. Fuld. vom J. 1670 an, nach welchem das Fest der hl. Jungfrau Lioba am 28. Sept. sub ritu dupl. 2. Cl. gefeiert wird. Hiezu gibt Karl Zell (S. 358) noch die weitere Notiz, daß auch zu Tauber-Bischofsheim, dem Hauptschauplatze ihres Wirkens, ein Theil ihrer Reliquien sich befinde. Ueber die Schicksale des dortigen Frauenklosters sagt er (S. 359 f.), daß es uns ganz an Nachrichten darüber fehle und daß es wohl schon kurz nach der Uebersiedelung der hl. Lioba nach Schonersheim sich aufgelöst habe. Im J. 1636 wurde nach Seiters (S. 208) das »Hospital und Kloster der hl. Lioba« in Bischofsheim vom Erzbischofe Anselm Casimir Franciscanern übergeben, und da erbat dann, wie Zell nach einer alten Druchschrift weiter bemerkt, der Provincial, der im J. 1655 bei Visitation der Provinz Thüringen auch nach Fulda kam, von dem damaligen Abte Graf v. Gravenegg eine Partikel der hl. Lioba für das Kloster Tauber-Bischofsheim, und erhielt von demselben einen Theil des Schulterblattes, das auf dem Petersberge aufbewahrt wurde, und außerdem auch noch eine andere von den Reliquien in Fulda. Diese Reliquien wurden zu Bischofsheim mit aller Feierlichkeit in Empfang genommen. der hl. Lioba, welche im J. 1661 der damalige Kurfürst-Erzbischof von Mainz den Franciscanern zu Bischofsheim verehrte. Schon vorher war für diese eine neue Kirche gebaut worden, welche nebst den dazu gehörigen Klostergebäuden noch besteht, und in welcher der Hochaltar der hl. Lioba geweiht ist. Als zu Anfang dieses Jahrhunderts diese Gegend von Kurmainz an Baden fiel, wurde der Franciscaner-Convent aufgehoben, das Gebäude aber dem dort schon von den Franciscanern besorgten, nach ihrem Erlöschen neu organisirten Gymnasium eingeräumt. Die ehemalige Klosterkirche ist jetzt Gymnasiumskirche. »Auf diese Art ist das Gedächtniß der gelehrten und hl. Jungfrau Lioba durch ihre Reliquien, den ihr gewidmeten Altar und ihr Bild erhalten und an eine Anstalt geknüpft, wo dieselben liberalen Studien betrieben werden, die sie selbst in ihrer Jugend betrieb.« Ein Breve des Papstes Innocenz IX. vom I. 1684 ertheilt denen, die das Fest der hl. Lioba auf dem Petersberge bei Fulda fromm begehen, einen Ablaß von 7 Jahren. Um ihre Fürbitte wird sie besonders angerufen zur Heilung kranker Kinder und bei großen Ungewittern, wozu in ihrem Leben Veranlassung gegeben war. Dargestellt wird sie in der Kleidung einer Benedictiner-Nonne, mit dem Stabe der Abtissin in der einen Hand, und in der andern mit einem Buche, worauf eine kleine Glocke steht, die an den Traum ihrer Mutter erinnert. Da diese merkwürdige Klosterfrau, welche den hl. Bonifacius in seiner Wirksamkeit zu Gunsten der christlichen Bildung unseres deutschen Vaterlandes so wesentlich unterstützte, bei uns weniniger bekannt ist, als sie es verdiente, so woll ten wir ihre Lebensgeschichte ausführlicher geben. Auch im Mart. Rom. steht sie am 28. Sept. (VII. 748–769).
Buchempfehlung
In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro