[285] 31S. Martinus, Pp. M. (12. al. 15. Nov., 13. u. 14. April, 1. u. 10. Aug., 16. u. 20. Sept.) Der hl. Papst und Martyrer Martinus, dieses Namens der Erste, geboren zu Todi an der Tiber, kam frühzeitig nach Rom, und zeichnete sich unter den Geistlichen dieser Stadt durch seine Kenntnisse und seine Gottesfurcht vortheilhaft aus. Papst Theodor (gest. am 13. Mai 649) vertraute ihm eine Legation nach Constantinopel an, um dort gegen die Monotheleten, welche in Christus nur Einen Willen, den göttlichen, lehrten, den menschlichen Willen aber verwarfen, zu wirken. Im Monat Juli d.J. 649 wurde er dessen Nachfolger und hielt noch im October desselben Jahres eine berühmt gewordene Synode gegen die Monotheleten.127 Die Lehre von nur Einem Willen in Christus sammt den darüber auf Veranlassung des ketzerischen Patriarchen Paulus erschienenen kaiserlichen Erklärungen (die fg. »Ekthesis«, d.i. »Auseinandersetzung von Heraclius« und der »Typus«, d.i. »Versinnlichung« von K. Constans II.) wurde verdammt. Doch schonte man die Person dieser Kaiser in der Art, daß man sie nicht namentlich excommunicirte. Es waren 105 Bischofe gegenwärtig. Man erkannte die gute Absicht des Kaisers an, als er, wie auch Papst Honorius, des kirchlichen Friedens halber beiden Theilen, den Monotheleten und Orthodoxen, Stillschweigen auferlegte, aber das Mittel hiezu, wurde beigesetzt, unterdrücke mit der Häresie zugleich die katholische Wahrheit und sei deßhalb verwerflich. Es stehe geschrieben: »Wirst du den Gerechten mit dem Gottlosen verderben, und wird der Gerechte eben so seyn wie der Gottlose?« Namentlich excommunicirt wurden wegen Begünstigung der Häresie: Cyrus, Bischof von Alexandria, Sergius, Patriarch von Constantinopel, Pyrrhus, des Sergius Nachfolger auf diesem Stuhle, Paulus, gleichfalls von Constantinopel, und Theodor, Bischof von Pharan in Arabien, so zu sagen als die Hauptleute der Monotheleten. Zugleich erließ der hl. Martinus eine Encyclica hierüber an die Gläubigen des Erdkreises, worin er darthut, daß die Lehre von nur Einem Willen in Jesus (welchen die Monotheleten lehrten) den Erlöser, Christum den Herrn verleugne, indem behauptet werde, Er habe nach seiner Knechtsgestalt oder nach seiner um unsertwillen angenommenen menschlichen Natur keinen Willen oder keine natürliche Thätigkeit des Willens. Umsonst hatte der Kaiser durch seinen Kämmerer Olympius Zwietracht in die Versammlung zu bringen getrachtet. Selbst einem Mordanschlag gegen den Papst hatte er zugestimmt, aber auch dieser war durch göttliche Fügung vereitelt worden. Uebrigens wird[285] letzteres von Vielen bezweifelt, obwohl die Legende den Mordanschlag bis ins Einzelnste ausmalt, den Mörder aber erblinden läßt. Bald darauf starb aber Olympius an den Folgen einer schweren Verwundung in Sicilien eines traurigen Todes. Da jedoch der Papst fortfuhr, dem Kaiser das Recht, in Glaubenssachen mitzuentscheiden, entschieden zu bestreiten, nahm der neue Exarch Theodor Kalliopas, dem man in Rom mit vielem Vertrauen entgegen gekommen war, den Papst im J. 653 im Lateran gefangen. Obwohl krank, wurde er auf ein Schiff gebracht, das geflissentlich recht langsam fuhr, zu Naxos überwinterte und erst nach einem vollen Jahre, am 17. Sept. 654, zu Constantinopel landete. Viele fromme Seelen brachten dem Papste unterwegs Geschenke dar, die aber seine Wächter für sich nahmen, während sie die Geber mißhandelten. Zu Constantinopel gab man ihn einen Tag lang am Ufer dem Muthwillen des Pöbels Preis, ließ ihn 93 Tage hilflos im Kerker schmachten, Hunger, Durst und Kälte leiden, und stellte dann den kranken Greisen am 19. Dec. 654 vor Gericht. Da er nicht gehen konnte, wurde er dahin getragen. Zwei Soldaten mußten ihn stützen, damit er stehend die Anklagen hören konnte; diese lauteten, aus dem Munde erkaufter Zeugen, auf hochverrätherisches Einverständniß mit den Mahomedanern in Afrika, denen er Waffen und Gelder zugeschickt habe. Der hl. Martinus wies diese Anklagen als unwahr mit edler Würde von sich ab. Es half aber nichts. Martinus wurde abgesetzt und des Todes schuldig erklärt, in Gegenwart des Kaisers des Palliums beraubt, in Ketten geschlagen, und mit einem Eisenring um den Hals durch die Straßen der Stadt geschleppt. Da regte sich das natürliche Mitleid des Volkes für den so mißhandelten Papst in einer Weise, daß die Regierung nicht mehr wagte, die Hinrichtung zu vollziehen. Man schleppte ihn wieder in den Kerker. Die Stiege die hinabführte, wurde von seinem Blute gefärbt. Aber der hl. Papst sprach nur: »Goti sei für Alles gelobt.« Oefter war er dem Tode nahe. Ohne Bett, der grimmigsten Kälte preisgegeben, lag er mit Ketten beladen auf einer Bank. Niemand, außer einem jungen Geistlichen, der sich ihm freiwillig angeschlossen hatte, durfte ihn besuchen. Er blieb noch ungefähr drei Monate im Gefängnisse, nämlich bis zum 10. März 655, wo er in den Taurischen Chersones verbannt wurde. Dort langte er am 15. Mai an und starb am 16. September in großem Elende. Nicht einmal aus der Stadt Rom bekam er Unterstützung, so daß er schrieb: »Die in Italien haben mich vergessen, als sei ich nicht mehr auf der Welt. Es befremdet mich dieß besonders von denen, die zur Kirche des hl. Petrus gehören. Welche Furcht kann die Glieder dieser Kirche verhindern, die Gebote der Liebe gegen die Unglücklichen zu erfüllen?« Der Klagebrief schließt mit den schönen Worten: »Was meinen zerrütteten Körper betrifft, so wird Gott für ihn sorgen. Der Herr ist nahe. Warum soll ich in Verwirrung und Muthlosigkeit versinken? Ich hoffe von seiner Barmherzigkeit, daß er meinem kummervollen Leben bald ein Ziel setzen werde. Grüßet Alle um des Herrn willen, auch jene, so aus Liebe zu mir Mitleid wegen meiner Gefangenschaft gezeigt haben.« Zur Erklärung der oben erwähnten falschen Anklage, oder vielmehr zur nähern Bezeichnung der in ihr enthaltenen Bosheit müssen wir hinzufügen, daß der Papst allerdings große Summen in alle von den Mohamedanern bedrängten Länder, nach Sicilien, nach Afrika und selbst nach Asien geschickt hatte, aber nicht in verrätherischer Absicht, sondern für die Christen, um ihr hartes Loos zu erleichtern und sie aus der Sklaverei loszukaufen. Hätte der Kaiser den Papst hierin unterstützt und statt in dogmatische Fragen sich zu verirren, in denselben dem Römischen Stuhle den schuldigen Gehorsam bewiesen, so würde der Islam nicht zuletzt das orientalische Kaiserthum selbst gestürzt und die Barbarei in dessen gesegnete Länder eingeführt haben. Nach Piazza (II. 457) hätte der hl. Martinus, ehe er zur päpstlichen Würde erhoben wurde, dem Orden des hl. Basilius angehört. Der hl. Martinus hat auch um die Kirche Deutschlands sich kräftig angenommen. Wir sehen dieß aus seinem Briefwechsel mit dem hl. Amandus2 von Lüttich (Mastricht), welcher bei seinem Klerus so vielen Widerstand fand, daß er sich nach drei (im J. 649) Jahren zur Abdankung entschloß. Der hl. Papst hatte ihm davon ab- und geistliche Strafen gegen die Widerspänstigen angerathen. Der Brief ist außerdem merkwürdig (Rettberg, K.-G. Deutschl. I. 555 u. II. 588), weil der hl. Martinus jetzt schon voraussah, daß die Kirche des Abendlandes, weil [286] von den griech. Kaisern verlassen, sich im fränkischen Reiche werde Hilfe suchen müssen, und daher durch den hl. Amandus den König Sigbert von Austrasien zu gewinnen suchte, ein Plan, der hundert Jahre später unter den Carolingern zur Ausführung kam. Außerdem benützte der hl. Martinus diese Gelegenheit, die fränkischen Bischöfe zu einmüthigem Zusammenstehen gegen die monotheletischen Irrthümer zu ermahnen. Der Leib des hl. Martyrers wurde Anfangs bei Cherson begraben, dann nach Constantinopel und von da nach Rom gebracht. Die Griechen feiern sein Andenken hauptsächlich am 16. Sept., die Lateiner am 12. Nov. Außerdem findet sich sein Name noch zum 13. u. 14. April, 1. u. 10. Aug. und 20. Sept. Im Mart. Rom. der Benedictiner steht er am 15. Nov. In Rom wird er vorzüglich in der schönen Kirche S. Martino ai Monti, wo sein hl. Leib ruht, verehrt. Ebendort zeigt man auch eine Stola und eine Manipel von ihm. Andere Reliquien von ihm verehrt man in der Kirche S. Maria Traspontina. Da er für die Reinheit des Glaubens an unsern Erlöser, also um Jesu willen, so Vieles mit unglaublicher Geduld gelitten hat, wird er seit alter Zeit als Martyrer verehrt. Nach einem Schreiben des Papstes Gregorius II. wurde schon in Cherson sein Grab von den umwohnenden Völkern heilig gehalten und fanden zahlreiche Krankenheilungen daselbst statt. Sofern hiedurch der hl. Martinus feierlich als Heiliger erklärt wird (at beatum Martinum esse et sanctum testatur Civitas Chersonensis etc.) wäre hier die älteste Canonisation durch das Haupt der Christenheit gegeben. In bildlichen Darstellungen sieht man ihn öfter, wie er im Gefängnisse schmachtet, neben sich die Insignien der päpstlichen Würde. Manchmal trägt er ein Schwert, zu dem er verurtheilt war.
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