[497] 1S. Theresia a Jesu, V. (15. Oct. al. 27. Aug.) Das Lebensbild dieser großen Heiligen hat auf die drei Dinge zu achten, welche im Kirchengebete ihr zu Ehren hervorgehoben sind: die Freude über ihre Festfeier, die Andacht, zu welcher die Gnaden, welche Gott ihr geschenkt hat, uns erheben, und die himmlischen Lehren, die in ihrem Leben und in ihren Schriften enthalten sind. Ihr Name heißt spanisch Teresa; die bei uns gewöhnliche und gewiß auch etymologisch richtige Schreibweise ist Theresia. Diesen Taufnamen soll sie (nach Guerin XII. 356) von der gleichnamigen Gemahlin des in Spanien vielfach verehrten hl. Paulinus12 erhalten haben. Nach demselben Schriftsteller erhielt sie in der Pfarrkirche von St. Johann zu Avila die heil. Taufe. Die Geschichte ihres innern (nebenbei auch des äußern) Lebens bis zum Beginne der Ordensreform fing sie im J. 1562 auf Befehl ihres Beichtvaters zu schreiben an. Sie ist die Hauptquelle, welche wir hier benützt haben. Die erste und wichtigste Bearbeitung ihres Lebens ist von ihrem Beichtvater Ribeira, welche die Boll. (V. 538–725) in lateinischer Uebersetzung neu herausgegeben haben. Auch die Beigaben und Commentare, welche sich daselbst (109–537 und 725–790) finden, sind äußerst beachtenswerth. Außer den Legenden, welche ihr Leben sämmtlich mit verdienter Sorgfalt behandeln, (vgl. besonders [497] Butler, XV. 1–228) sind folgende deutsche Bearbeitungen ihres Lebens zu beachten: Marckovitsch, Geschichten von denkwürdigsten Begebenheiten, welche sich mit der hl. Jungfrau Therisia de Jesu zugetragen haben, Wien 1718; Buchfelner, Lebensgeschichte der hl. Jungfrau Theresia, Augsburg 1826; Leben der hl. Theresia, Cöln 1841; Pösl, Leben der hl. Theresia von Jesu, Stifterin des Barfüßer-Carmeliten-Ordens, Regensburg 1841. Gute Uebersetzungen ihres Lebens und ihrer Schriften sind von Schwab (3. Aufl., sorgfältig überarbeitet von Jocham), Fr. Schlosser Ludwig Carus und neuestens von der Gräfin Hahn-Hahn mit vorangeschickter Lebensbeschreibung der Heiligen, und (nach der Ausgabe von Bouix) von A. K. erschienen.
Im Eingange ihrer Lebensbeschreibung beklagt sich die Heilige, daß ihr nicht gestattet worden sei, vielmehr ihre Sünden zu beschreiben, als die ihr von Gott verliehenen Gnaden und ihre Weise zu beten. Wie ihre Selbstbekenntnisse bezeugen, hatte sie hierin große Freiheit, aber man mußte ihr Mäßigung auferlegen, weil sie in ihrer großen Demuth oft schwere Sünden sah, wo gewöhnliche Menschen kaum etwas Unvollkommenes entdecken. Doch wird Niemanden überraschen, daß, weil die göttliche Gnade in ihrer Kindheit und ersten Jugend die künftige Heilige erst vorbereitete und bildete, die Anfänge ihres heil. Lebens mancherlei Mängel und Unvollkommenheiten zeigen. Sie erblickte am 28. März d. J. 1515 in der Stadt Avila in Altcastilien das Licht der Welt. Ihre Eltern, Alphons Sanchez de Cepeda und Beatrix de Ahumada, rühmt sie (Selbstbiographie, Cap. 1) als tugendhaft und gottesfürchtig. Sie hatte noch zwei Schwestern und neun Brüder, von welchen drei aus der ersten Ehe ihres Vaters stammten. Sie war das letzte Kind, das den gottesfürchtigen Eheleuten geschenkt wurde. Von ihr selbst erfahren wir, daß der Vater gerne in guten, spanisch geschriebenen Büchern las, und auch seine Kinder in denselben lesen ließ. Damit ist zugleich gesagt, daß es ihnen an Unterweisungen und Belehrungen nicht fehlte. Ebenso gab er ein vortreffliches Beispiel. Er trug große Liebe zu den Armen und Kranken, war mild und menschenfreundlich mit den Dienstboten, ein strenger Liebhaber der Wahrheit und in höchstem Grade rechtschaffen. Niemals hörte man von ihm mürrische und zornige Reden, noch weniger Fluchworte; auch duldete er nicht, daß in seiner Gegenwart von den Fehlern Abwesender gesprochen wurde. Von ihrer Mutter erzählt sie, daß sie bei großer körperlicher Schönheit, obwohl erst 33 Jahre alt, so ehrbar und ernsthaft wie eine bejahrte Matrone, zugleich aber eine geistreiche und liebenswürdige Frau war, welche oft mit ihren Kindern betete, und ihnen eine besondere Andacht zur Mutter Gottes und gewissen Heiligen, zu deren Verehrung und Anrufung sie bestimmte Gebete auswendig lernen und hersagen mußten, einprägte. Sie starb, als die hl. Theresia beinahe zwölf Jahre alt war, eines frommen Todes. Die gute Tochter blickte nicht ohne schwere Besorgnisse in die Zukunft. Sie war von Natur aus lebhaft, empfindsam, schnell erregt, feurig, und nicht ohne Hang zur Eitelkeit. In ihrer kindlichen Frömmigkeit trat sie im Gefühle des großen Verlustes, der sie getroffen hatte, vor ein Marienbild, und bat flehentlich und unter vielen Thränen die heil. Jungfrau, ihr eine zweite, noch bessere Mutter zu sein. Eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen war, in freien Stunden mit ihrem Bruder Roderich die Lebensgeschichten der Heiligen zu lesen. Sie kamen dabei auf den Gedanken, das Martyrium sei der kürzeste und leichteste Weg in den Himmel, welcher durch die einfache Hinopferung des Lebens sehr billig erkauft sei, und verabredeten sich miteinander, sich zu den Mauren zu begeben, und als Martyrer zu sterben. Sie wußten aber keinen Weg und hatten kein Reisegeld. Diesen Mangel wollten sie zwar durch Betteln ersetzen, aber der Plan mußte doch aufgegeben werden, weil sie durch heimliche Entfernung ihre Eltern nicht betrüben wollten. Auf diese Art unterblieb das Vorhaben, so sehnlich die Geschwisterte dessen Erfüllung gewünscht hätten.22 Eine andere ihrer Unterhaltungen bestand in Gesprächen über die ewige Dauer der Belohnungen und Strafen im andern Leben. Um ihren Drang nach dem Einsiedlerleben [498] zu befriedigen, singen sie an, im Garten eine Klause zu bauen, aber dieselbe fiel immer wieder zusammen, weil sie den aufgeschichteten Steinen keinen Halt zu geben wußten. Andere fromme Uebungen, wie Almosengeben aus ihren Ersparnissen, gemeinsame Abbetung des Rosenkranzes an einsamen Orten und Aehnliches gingen besser von statten. So oft die Kinder auf die Frage kamen, was sie einmal werden wollten, so lautete die Antwort jedesmal: »Entweder Einsiedler oder Martyrer.« Uebrigens sagt die Heilige ausdrücklich, daß sie alle ihre Geschwistern sehr lieb hatte, und auch von ihnen geliebt wurde. Ihre Sehnsucht nach dem Martyrium verklärte sich allmählig in die Sehnsucht nach der Vereinigung mit Gott auf dem Wege der vollkommenen Liebe und der beständigen Versetzung in seine Gegenwart. Zu jener, sagt sie, hatte nicht die Liebe zu Gott, sondern lediglich das Verlangen, auf dem kürzesten und sichersten Wege in den Himmel zu kommen, den Anlaß gegeben. Der gütige Gott führte sie allmählig zu besserer Erkenntniß. Im elterlichen Hause befand sich ein Gemälde, das Jesus im Gespräche mit der Samariterin darstellte. Vor diesem Bilde kniete sie oft nieder und seufzte laut wie das Weib aus Sichem: »Gib mir, o Herr, dieses Wasser!« Diese Bitte trug sie durch ihr ganzes Leben in ihrer Seele; sie ist der Grundton, der in ihren spätern Betrachtungen und Belehrungen über das Gebet beständig nachklingt. Damit verband sie die oftmalige Uebung der gänzlichen Hingabe ihres Leibes und ihrer Seele an die göttliche Majestät.
So war und blieb es aber nicht immer; es gab auch Stunden und Tage, die mehr dem Weltsinne und der Eitelkeit zugeneigt waren, als dem lieben Gott. Je mehr sie körperlich reiste, desto mehr regte sich in ihr das Verlangen, schön zu sein und als schön zu gelten; sie flocht sorgfältig ihre Haare, und fand Wohlgefallen an schönen Kleidern und Wohlgerüchen. Noch gefährlicher wurde ihr (l. c., Cap. 2.) das Lesen von Rittergeschichten ohne und gegen die Erlaubniß des Vaters, aber mit heimlicher Zustimmung der Mutter, die solche Bücher selbst gerne las, und der zu vertrauliche Umgang mit einer weltlich gesinnten Verwandten, Letzteres jedoch erst nach dem Hinscheiden ihrer Mutter. Allmählig traten die frühern Kloster- und Einsiedlergedanken in den Hintergrund, während ihre derzeitige Vereheliehung Gegenstand des Nachdenkens wurde. Sie redete und that aber auch in den Jahren der erwachenden Sinnlichkeit nie etwas Böses, insbesondere mied sie ängstlich jede schwere Sünde und alles unehrbare Wesen, jedoch nach ihren Selbstbekenntnissen weniger aus Gottesfurcht, als um ihre Ehre unbefleckt zu bewahren. Wohl aus dieser Ursache wurde die Angabe, daß sie nie eine Versuchung gegen die Reinigkeit gehabt, zu Rom mit klugem Mißtrauen aufgenommen. Um sie diesen Gefahren zu entziehen, übergab sie der sorgsame Vater, weil er sie nach Verheirathung ihrer ältern Schwester nicht allein zu Hause haben wollte, ganz in der Stille den Augustinerinnen zu Avila zur weitern Ausbildung. Hier gewann sie (l. c. Cap. 3) im J. 1529 die Zuneigung einer Klosterfrau, die von entschiedenem Einflusse auf ihr künftiges Leben war. Auch was sie sonst im Kloster sah und hörte, machte auf sie einen günstigen Eindruck. Die Worte Jesu: »Viele sind berufen, Wenige aber auserwählt«, und der Lohn, welcher denen verheißen ist, welche um seinetwillen alles verlassen, lenkten ihre Gedanken wieder mehr den himmlischen Dingen zu. Sie fing an, viele mündliche Gebete zu verrichten, und empfahl ihre zukünftige Standeswahl öfter dem Gebete der Klosterfrauen. Zugleich machte sie in diesem Kloster, wie aus dem Folgenden hervorgeht, in ihrer nahezu wissenschaftlichen Bildung (auch etwas Musik scheint sie gelernt zu haben) große Fortschritte. Da sie aber erkrankte, nahm sie der Vater nach etwa 18 Monaten wieder zu sich, und schickte sie, nachdem das Schwerste überstanden war, behufs vollständiger Erholung auf das Land zu ihrer verheiratheten Schwester. Noch immer war sie, nach ihren Bekenntnissen, eine nachlässige Dienerin [499] Gottes. Auf dem Wege zu ihrer Schwester besuchte sie einen Onkel, bei welchem sie einige Tage blieb. Sie mußte ihm aus geistlichen Büchern vorlesen, woran sie damals noch wenig Freude hatte. Seine Gespräche von Gott und der Eitelkeit alles Irdischen erweckten gleichwohl in ihr die lebhafte Erinnerung an die Wahrheiten, welche sie in ihrer Kindheit so sehr begeistert hatten. Die Betrachtung der Hölle und des Fegefeuers erschreckte sie; sie fing an, sich Vorwürfe zu machen, daß sie das strenge und bußfertige Leben guter Klosterfrauen für zu schwierig ansehe, während Jesus für uns unendlich Schwereres freiwillig getragen habe, und durch seinen Beistand gewiß auch ihrer Schwäche zu Hilfe kommen würde. Die Briefe des hl. Hieronymus, welche sie um diese Zeit las, bestärkten diese Eindrücke, und so kam es, daß sie nach dreimonatlichen Kämpfen mit steh selbst eines Tags vor ihren Vater trat, ihn bittend, er möge ihr erlauben, in ein Kloster zu gehen. Die Bitte wurde abgeschlagen; nach seinem Ableben, sagte der Vater, könne sie thun, was ihr gut schiene. Dieses Zugeständniß befriedigte sie nicht; sie meinte, es sei hinreichend, wenn der Vater sich nichts ausbedinge, als die Wahl des Klosters, in welches sie einzutreten hätte. Die Vermuthung, daß sie mit dieser Bitte zuletzt durchgedrungen sei, dürfte nicht ungerechtfertigt sein, denn am 2. November d. J. 1035 (1533) nahm sie das Ordenskleid der Carmelitinnen. Es ist nicht anzunehmen, daß sie es gegen die Erlaubniß ihres Vaters that, denn sie selbst erzählt (l. c, Cap. 4), wie schwer ihr der Abschied vom Elternhause gefallen sei; sie hatte ein Gefühl, wie wenn alle ihre Gebeine, eines um das andere auseinander gerenkt würden. Auch besuchte sie der Vater sehr fleißig, fragte ihr nach, und sprang ihr bei, wenn sie erkrankte. Nachdem sie eingekleidet war, gab ihr der Herr zu erkennen, wie wohlgefällig es Ihm sei, wenn man sich um seinetwillen Gewalt anthue, obwohl äußerlich davon Niemand etwas bemerkte, sondern die größte Freude und freieste Hingabe zu erkennen glaubte. Sie erhielt wirklich bald große Zufriedenheit mit ihrem Stande, und die Trockenheit ihrer Seele ging in die innigste Andacht über. An allen, auch den niedrigsten Beschäftigungen, hatte sie die nämliche Freude, wie früher an Vergnügungen und Unterhaltungen. Von ihrer Profeßablegung schreibt sie: »Wenn ich mich erinnere, wie ich meine Profeß ablegte, mit welcher uneingeschränkten Entschließung und inneren Zufriedenheit ich mich mit deiner Majestät vermählte, so kann ich nicht ohne Thränen davon reden, aber diese sollten von Blut sein, und mir das Herz zerreißen in Anbetracht der großen Beleidigungen, welche ich dir später angethan habe.« Die Veränderung der Nahrung und Lebensweise fiel ihr aber auf die Dauer beschwerlich. Bald nach ihrer Profeß erkrankte sie sehr bedenklich. Herzleiden, öftere Ohnmachten, Athmungsbeklemmungen und ähnliche Beschwerden verursachten ihr unsägliche Schmerzen. Man brachte sie nach Bazeda zu einer Frau, die im Rufe einer Heilkünstlerin stand, in Wirklichkeit aber eine Quacksalberin war. Eine Freundin, Schwester Johanna Suarez, übernahm ihre Pflege. Drei Monate lang litt sie solche Schmerzen, daß sie später sich selbst wunderte, wie sie dieselben ertragen konnte. Neben dieser Leidensschule nahm sie der Herr während dieser Zeit noch in anderer Weise in seinen Unterricht. Die Kurzeit begann erst im April; sie ging aber schon am Anfange Winters auf das Land zu ihrer Schwester, bei welcher sie früher schon einmal gewesen war. Wieder kam sie zu ihrem Onkel, welcher ihr ein Buch mit dem Titel: »Das dritte Alphabet« zu lesen gab.23 Dasselbe enthielt eine Anleitung zum »Gebete der Sammlung«. Sie beschloß, dieser Anleitung gemäß zu beten und brachte es wirklich nach einiger Zeit dahin, daß es mit ihr besser wurde. Sie erzählt: »Der Herr fing an, mir auf diesem Wege seine Gunst zu erweisen und so liebend zu begegnen, daß er mir die Gnade des Gebetes der Ruhe schenkte, und ich allmählig zum Gebete der Einigung vordrang, obgleich ich damals noch nicht verstand, was das eine oder das andere eigentlich sei, oder wie hoch es zu schätzen [500] gewesen wäre, wenn ich es gewußt hätte. Die Einigung war allerdings jedesmal sehr kurz und dauerte kaum länger als ein Ave Maria, hinterließ aber so große Wirkungen, daß ich die Welt unter meinen Füssen sah, und, wie ich mich gleichfalls erinnere, großes Mitleiden mit denjenigen empfand, welche ihr, wenn auch in erlaubten Dingen, anhingen. Ich befliß mich so viel ich konnte, unser höchstes Gut, meinen Herrn Jesus Christus, in meinem Innern zu tragen, als ob Er gegenwäetig wäre, und ich gewöhnte mich auch so zu beten, daß ich mir bei jedem Schritte Ihn mir in meinem Innern vorstellte.« Außerdem las sie fortgesetzt in guten Büchern, welche bei dem Mangel eines Beichtvaters, der sie verstand, die Stelle eines Lehrmeisters im geistlichen Leben vertraten. Ohne Hilfsbuch getraute sie sich damals noch keine Betrachtung anzustellen, ausgenommen in der Zeit unmittelbar nach der heil. Communion: »Meine Seele fürchtete sich, ohne Buch dem innerlichen Gebete zu obliegen; sie empfand eine Art Bedrängniß und das Gefühl, als ob viel Kriegsvolk zusammengekommen wäre, gegen sie zu streiten.« Manchmal kam es aber vor, daß schon eine kurze Lesung sie so angeregt hatte, daß sie ohne Beihilfe eines Buches die Betrachtung längere Zeit fortsetzen konnte. Schon glaubte sie (l. c., Cap. 5), daß sie im Verlangen nach den ewigen Gütern bereits so gefestiget sei, daß sie nach ihrer Meinung auch die größten zeitlichen Uebel nicht mehr fürchtete. Der innere Drang war auch dieses Mal der Wirklichkeit vorausgeeilt, denn sie gesteht offen: »Meine Willensmeinung war gut, aber meine Willensthat war nicht gut; um vollständig gut zu handeln, hätte ich nicht das geringste Böse thun dürfen.« Als sie mit beginnendem Frühjahre an den Kurort kam, verschlimmerte sich sogleich ihr Zustand. Sie erzählt: »Nachdem ich gegen zwei Monate die Kur durchgemacht hatte, hatte die Stärke der Medicamente mir fast das Leben genommen. Mein Herzleiden, zu dessen Heilung ich hingegangen war, hatte arg zugenommen, so daß es mir manchmal vorkam, ich würde mit spitzigen Zähnen gebissen, und Viele meinten, ich sei wuthkrank. Meine Kräfte hatten so abgenommen, daß ich vor Appetitlosigkeit und Eckel an allen Speisen keinerlei Nahrung, weder trockene noch flüssige zu mir nehmen konnte; ich hatte beständig ein starkes Fieber und die Mittel, welche mir einen Monat lang täglich gereicht wurden, erschöpften mich so sehr, daß ich innerlich förmlich verbrannt war, und die Nerven anfingen, sich zusammenzuziehen, so daß ich Tag und Nacht keine Ruhe hatte. Dazu gesellte sich noch eine sehr tiefe Melancholie.« Nach solchen Erfolgen nahm sie der Vater wieder nach Hause, um sie der Obsorge gewöhnlicher Aerzte zu übergeben: »Sie gaben aber sämmtlich die Hoffnung auf und sagten, daß ich außer den übrigen Uebeln auch noch die Abzehrung hätte.« Sie machte sich wenig daraus, obwohl es ihr später beinahe unmöglich vorkam, daß sie so viele vereinigte Uebel hatte ertragen können. Der liebe Gott verlieh ihr die Gnade der Geduld und der Ergebung, so daß sie immer mit Ihm in Uebereinstimmung, und gewissermassen ganz mit Ihm verbunden war. Oft sprach sie mit dem Dulder Job: »Haben wir das Gute von der Hand des Herrn angenommen, warum nicht auch das Schlimme?« »So kam,« erzählt sie weiter, »das Fest Mariä Himmelfahrt, auf welches ich zu beichten verlangte. Da man glaubte, daß dieß aus Furcht vor dem Tode geschehe, wurde meine Bitte abgeschlagen, damit mein Vater nicht in Angst versetzt würde.« In derselben Nacht gerieth sie in einen todesähnlichen Zustand, der nicht ganz vier Tage andauerte. Man gab ihr die letzte Oelung, und erwartete jeden Augenblick ihr Ende. Da sie nicht zu sich kam, glaubte man wirklich, sie sei gestorben, besonders da ihre Augendeckel selbst gegen Wachstropfen, die man darauf fallen ließ, unempfindlich blieben. Ihr Vater war untröstlich; unaufhörlich schrie er zu Gott um Wiederbelebung, weil er sie nicht hatte beichten lassen, und fand Erhörung. Bereits hatte man in ihrem Kloster das Grab geöffnet, in welches sie gelegt werden sollte, und in einem andern den Leichengottesdienst gehalten, als sie wieder zu sich kam, ihre Beichte ablegen und communiciren konnte. Nun war die äußerste Gefahr allerdings vorüber, aber es folgten (l. c., Cap. 6) fast unerträgliche Schmerzen. Die Zunge war in Stücke zerbissen, der Schlund schien zusammengewachsen, [501] so daß sie nicht einmal Wasser ohne Schmerzen hinunterbringen konnte, der Kopf war betäubt, der Leib zusammengezogen wie ein Knäuel, ihre Hände und Füße, auch das Haupt lag regungslos da, als ob sie gestorben wäre, nur einen Finger der rechten Hand konnte sie willkührlich bewegen. Auch durfte sie Niemand anrühren, ohne daß es ihr Schmerz verursachte, weßhalb zwei Wärter sie auf einem Leintuche oben und unten hoben und legten, wie es nöthig war. So blieb es bis Ostern. Auf ihr sehnliches Verlangen trug man sie in ihr Kloster zurück, zwar nicht todt, aber mit einem Leibe, schlimmer als todt, denn sie war zum leeren Gerippe herabgesunken. Nach acht Monaten ging es langsam besser, aber des Gebrauches der Glieder war sie beinahe drei Jahre lang beraubt. Anfänglich mußte sie auf Krücken gehen. Ihren innerlichen Zustand um diese Zeit beschreibt sie also: »Alle diese Schmerzen und Krankheiten ertrug ich mit großer Gleichförmigkeit, und von Anfang bis zu Ende in großer Freude mit dem Willen Gottes, und erachtete sie für nichts im Vergleiche zu den Schmerzen und Peinen, welche ich am Anfange ertragen hatte. Ich wäre auch, wie mir scheint, gleichförmig mit dem Willen Gottes geblieben, wenn seine Majestät mich in diesem Zustande hätte lassen wollen. Verlangte ich, gesund zu werden, so war es nur, um ungestört beten zu können, wie ich war gelehrt worden, wozu im Krankenzimmer keine Gelegenheit war. Ich beichtete sehr oft, und redete viel von Gott, so daß ich allen Schwestern große Erbauung verursachte, und sie sich über die Geduld wunderten, welche mir der Herr gab. Ach, nur mit der Hilfe Gottes war es möglich, so große Uebel mit so großer Zufriedenheit zu ertragen. Eine große Gnade verlieh mir der Herr im Gebete, daß ich nämlich immer besser verstand, was es Großes sei, Ihn zu lieben, und in kurzer Zeit in mir neue Tugenden aufkeimen sah, wenn auch keine starken, weil sie nämlich unzureichend waren, mich im Guten zu bewahren. Ich hatte nicht die geringste Freude von irgend Jemandem auch das geringste Böse zu sprechen, und es mir zur Regel gemacht, allem Geschwätze aus dem Wege zu gehen, da ich nicht wollen dürfe, daß über Andere gesagt werde, was ich nicht von ihnen über mich hätte hören wollen.« Gleichwohl trug sie das Verlangen in sich, wieder ganz gesund zu werden. Später reute sie dieses Verlangen: »O mein Herr«, schreibt sie, »ich wünschte mir die Gesundheit, um dir besser dienen zu können, und eben sie war Schuld an meinem Verderben.« Um diese Zeit wählte sie den hl. Joseph zu ihrem Schutzpatrone. Er habe, sagt ste, auf Erden den Namen Vater des Erlösers getragen, und Ihm, obschon Er Gott war, befehlen dürfen, und deßhalb erhöre dieser, sein Pflegesohn, alle seine Bitten. Auch andere, welchen sie diese Andacht anrieth, machten die nämliche Erfahrung. Sie selbst wurde körperlich allmählich wieder gesund, aber auf dem Wege der Vollkommenheit kam sie deßhalb nicht vorwärts. Im Gegentheil hören wir sie gleichzeitig (l. c.., Cap. 7) bitter klagen über Zerstreuung im Gebete, Unterlassung des innerlichen Gebetes aus falscher Demuth, Vertiefung in Eitelkeiten dieser Welt, Mangel an Lust zum tugendhaften Leben. »Es war mir sehr klar«, sagt sie, »daß dieser Mangel nur daher kam, daß ich an dir selbst Mangel hatte.« Doch gestand sie dieß ihrem Vater nicht ein, als das Gespräch eines Tages hierauf gekommen war. Ein großer Theil dieser Unterlassungen kam jedenfalls daher, daß ihre Gesundheit keineswegs gut war. Auch suchte sie das eigene Unvermögen dadurch zu ersetzen, daß sie Andern, namentlich auch ihrem Vater, heilsame Rathschläge im geistlichen Leben ertheilte. Sie pflegte ihn auch in seiner letzten Krankheit, stand ihm im Sterben bei, und erbaute sich (ste war damals 24 Jahre alt) an seinem seligen Ende. Es war ihr dasselbe Veranlassung, auch das innerliche Gebet wieder aufzunehmen. Der Beichtvater ihres seligen Vaters hatte sie besonders darüber belehrt, wie die entgegenstehenden Hindernisse zu überwinden seien. Gleichwohl klagt sie (l. c., Cap. 8) fortwährend über den peinlichen Zwischenzustand, der sie immer noch festhielt: »Ich hatte weder an Gott eine rechte Freude, noch fand ich an der Welt meine Zufriedenheit.« Indessen war ihr Leben auch zu dieser Zeit in der Wirklichkeit doch ein heiliges Leben. Sie schreibt: »Es ist wahr, daß in diesen [502] Jahren viele Monate, manchmal ganze Jahre waren, in welchen ich mich sorgfältig hütete, Gott zu beleidigen und mich in hinreichender Weise dem Gebete ergab; es vergingen wenige Tage, an welchen ich dieses nicht that, und dann war ich entweder krank oder viel beschäftiget.« Ebenso darf nicht übersehen werden, wie sorgfältig sie alle ordentlichen und außerordentlichen Mittel anwendete, die ihr zu Gebote standen, um bis zur wirklichen Vollkommenheit vorzudringen. Um nichts zu sagen von ihren fleißigen und gewissenhaften Beichten, von denen sie selbst sagt, daß sie niemals unterlassen habe, Alles zu bekennen, was sie für sündhaft hielt, ohne dabei zwischen läßlichen und schweren Sünden – eine solche hat sie sicherlich nie begangen – zu unterscheiden, hörte sie auch mit großer Aufmerksamkeit und Freude die Vredigten an, obwohl ihr ganzer Bildungsgang, ihr Beruf und ihre Lebensweise sie davon freisprechen müßte, gleichfalls unterschiedslos, ob der Vortrag gut oder übel war, nur weil es Gottes Wort war und es ihr Vergnügen machte, von Gott reden zu hören. Sie macht jedoch hierüber folgendes Bekenntniß: »Von einer Seite empfand ich bei Anhörung der Predigten große Tröstung, von der andern aber große Pein; letzteres, weil ich erkannte, daß ich nicht sei, wie ich längst hätte sein sollen. Ich bat allerdings den Herrn, daß Er mir helfe, aber wie mir jetzt scheint, habe ich darin gefehlt, daß ich nicht ganz und vollständig mein Vertrauen nur auf seine Majestät setzte, und das Vertrauen auf mich selbst nicht ganz und vollständig bei Seite ließ. Ich suchte ein Heilmittel für meine Seele und zwar fleißig, bemerkte aber nicht, daß dieses alles wenig helfe, wenn wir nicht das Vertrauen auf uns gänzlich wegthun und es ganz auf Gott werfen. Ich verlangte zu leben, und sah gut ein, daß ich nicht lebte, sondern daß ich mit einem Schatten des Todes kämpfte, ich hatte Niemand, der mir das Leben gab, und es mir geben konnte. Der Herr aber, welcher mir es geben konnte, hat mir verdienter Weise nicht geholfen, weil Er mich schon oft zu sich zurückgeführt, und ich Ihn jedesmal wieder verlassen halte.« Je mehr sie aber so zu sagen, aus sich selbst auszog, desto höher stieg ihre Seele von Tugend zu Tugend. Gott selbst wurde ihr bester Führer und Rathgeber. Durch die beständige Versetzung in seine Gegenwart gewann sie die Gnade des beständigen Umganges mit Ihm. Die Mittel, welche sie hiebei zur Anwendung brachte, waren (Selbstbiographie, Cap. 9) theils Gebetsübungen, theils die Lesung, besonders der »Bekenntnisse« des hl. Augustinus, theils rein natürliche, wie z.B. das andächtige Ansehen heiliger Bildnisse, worunter die des leidenden Erlösers eine vorzügliche Stelle einnahmen, da sie bei der Betrachtung sich dieselben wieder vorstellte, und die Betrachtung der Natur: »Es ergötzte mich,« schreibt sie, »die Felder, die Gewässer und die Blumen zu sehen; ich fand in diesen Dingen die Erinnerung an den Schöpfer, sie dienten mir zur Sammlung des Geistes und ersetzten mir ein Erbauungsbuch.« Besondern Erfolg, schreibt sie, hatte eines Tages das Gebet, sie werde sich nicht vom Platze bewegen, bis sie erhört sei. Ihre tägliche Abendbetrachtung war seit vielen Jahren die Todesangst des Heilandes auf dem Oelberge gewesen. Außerdem trug sie großes Vertrauen zu der Fürbitte der hl. Büßerin Magdalena und des hl. Büßers Augustinus, dessen Verirrungen sie ja auch getheilt zu haben glaubte. Demungeachtet hatte sie manchmal große Trockenheit, die ihr viele Leiden verursachte. Ein einziges Mal rief sie zum Herrn, sie mit seiner süßen Gegenwart zu beglücken, aber dieses Gebet reute sie alsbald, weil es ihr schien, daß ihr die Demuth fehle. Das Höchste, was sie erlangte, war der vertraute Umgang mit dem Heilande selbst: »Es begab sich,« schreibt sie (l. c., Cap. 10) »in dieser meiner Vergegenwärtigung Christi, daß ich mich ganz nahe bei Ihm befand, es kam mir vor, Er stehe in mir, oder vielmehr, daß ich in Ihn ganz versenkt sei.« Von jetzt an erhielt sie zahlreiche innere Belehrungen, die der böse Feind durch falsche Einmischungen zu verderben suchte (l. c., Cap. 11–23). Je mehr Gnaden sie empfing, desto mehr gerieth sie in Furcht, wegen der Möglichkeit des Mißbrauches. Sie erkannte mit vollster Klarheit, daß die Tugendblumen, die der Herr in ihrer Seele hatte aufwachsen lassen, augenblicklich verwelken müßten, wenn sie [503] irgend eine Nachlässigkeit sich zu Schulden kommen ließe. Daher betete sie voll von Bekümmerniß: »Gestatte nicht, o Herr, daß eine Seele zu Grunde gehe, welche du mit so vieler Mühe erworben und von Neuem wieder aufgerichtet hast, und entreiße sie den Zähnen des erschrecklichen Drachen.« Ein anderes Mal betete sie: »Gib, o mein Gott, daß ich nichts Irdisches mehr werthschätze, oder nimm mich weg aus diesem Leben. Diese deine arme Magd kann so schwere Mühen nicht ertragen, welche ohne dich über sie kommen. Wenn ich leben soll, so will ich keine andere Ruhe haben, als die, welche Du mir gibst. Meine Seele wünscht nur frei zu sein: Essen tödtet sie, Schlafen quält sie; die Zeit des Lebens vergeht, und nichts als Du kann sie trösten, so daß sie gegen die Ordnung der Natur zu leben scheint, weil sie nicht in sich, sondern nur in Dir zu leben wünscht.« Eben deßhalb waren ihr gute, im geistlichen Leben erfahrene Gewissensräthe unentbehrlich. Sie suchte (l. c, Cap. 24) mit allem Eifer, ob sie nicht einen solchen fände: endlich führte ihr Gott einen frommen Priester der Gesellschaft Jesu zu, welchem sie eine Lebensbeichte ablegte. Wer es war, ist nicht angegeben, aber sie gewann an ihm einen tüchtigen Führer, der sie verstand, und vor allen Ueberschwänglichkeiten, die leicht gefährliche Täuschungen herbeiführen konnten, durch seine wohlgemeinten und guten Rathschläge bewahrte. Von ihrer zu großen Anhänglichkeit an den Umgang der Menschen heilte sie der Herr selbst, indem Er ganz vernehmlich zu ihr sprach: »Ich will, daß du von jetzt an nicht mehr mit den Menschen verkehrest, sondern mit den Engeln,« denn in Folge dieser Ansprache suchte sie nur mit gottesfürchtigen Menschen Gespräche und Verbindungen anzuknüpfen. Das Mißtrauen, welches sie in sich selbst setzte, wurde von vielen, sogar frommen und gelehrten Personen getheilt. Man warf ihr vor, daß sie als eine Heilige erscheinen wolle, welche sich in Sonderheiten gefalle, und erklärte alle ihre Gesichte und Offenbarungen als leere Selbsttäuschungen. Auch viele fromme Personen waren dieser Meinung, so daß sie nahe daran war, an sich selbst irre zu werden. Es ist schon erzählt worden, daß ihr Gott einen neuen Beichtvater aus der Gesellschaft Jesu gegeben hatte, welcher ihr den Rath ertheilte, alle besondern Uebungen, die nicht nothwendig und den Schwachen anstößig wären, zu unterlassen, eine neue Lebensordnung anzufangen und mit Verzicht auf alle nicht vorgeschriebenen äußern Andachtsübungen sich Abtödtungen und Bußwerke aufzuerlegen, und über die Geheimnisse des Lebens und Leidens Jesu fleißig zu betrachten. Auch der heilige Franz Borgias hatte sie bei seinem Aufenthalte in Avila hierin bestärkt und aufgemuntert. Ohne solche Beruhigung hätte sie zuletzt vielleicht selbst geglaubt, es seien alle ihre übernatürlichen Erlebnisse nur Trugbilder des Teufels. Besondern Trost und viele Belehrung im höhern Geistesleben erhielt sie von dem hl. Petrus von Alacantara, welcher längere Zeit ihr Beichtvater war. Was sie am meisten betrüben mußte, war die Beschuldigung der Besessenheit, die so ernstlich erhoben wurde, daß man schon Vorbereitungen traf, die kirchlichen Exorcismen gegen sie anzuwenden. Auch der Ketzerei wurde sie angeklagt, und die Strenge der Inquisition wider sie angerufen. Sie duldete alle diese Anfechtungen, welche nicht selten durch große innere Trockenheit noch verschärft wurden, mit großer Geduld. Ueber die Weise, wie Gott zu ihr sprach, schreibt sie (l. c. Cap. 25): »Seine Worte sind sehr deutlich, aber man hört sie nicht mit den leiblichen Ohren, wiewohl vernehmbarer, als wenn sie körperlich vernommen würden.« Eine Täuschung fürchtete sie anfänglich selbst, später nicht mehr; demungeachtet bildeten und blieben die Vorschriften und Gebote ihrer Beichtväter und kirchlichen Obern eigentlich die einzige Richtschnur ihrer Handlungen. Wäre der Fall eingetreten, daß eine Offenbarung dem Rathe oder Gebote des Beichtvaters widersprochen hätte, so würde sie diesem gefolgt haben. Sie hatte den Grundsatz, bei Gesichten und Offenbarungen sei Täuschung möglich; wenn sie aber ihrem Obern folge, sei kein Irrthum zu befürchten. Ihr späterer Beichtvater Alvarez sagte eines Tages: »Sie ist lenksam wie das gelehrigste Kind in Allem, was ich vorschreiben mag.« So hatte sie es in dem geheimnißvollen Umgange mit dew Bräutigam ihrer Seele längst gelernt; sie [504] schreibt (Selbstbiographie. Cap. 26): »Jedesmal wenn mir der Herr im Gebete Etwas thun hieß, und der Beichtvater mir etwas Anderes bestimmte, befragte ich wieder den Herrn, und jedesmal sagte Er mir, ich solle dem Beichtvater gehorchen, und das Weitere Ihm überlassen, worauf regelmäßig der Beichtvater dasselbe anordnete, was der Herr gewollt hatte.« Dieser Gehorsam konnte an und für sich ihren Beichtvätern ein Beweis für die Reinheit ihrer Offenbarungen sein, aber sie selbst hatte damals noch keine Visionen, deren sie erst später gewürdiget wurde, und die entgegenstehenden Urtheile und Zweifel des Beichtvaters, dem sie die gehörten Worte allemal offenbarte, vermehrten ihre Aengstlichkeit. Zudem schreckte sie ein strenges Bücherverbot, das sich über eine große Zahl spanisch geschriebener Bücher verbreitete, während sie die lateinischen, welche man ihr erlaubte, nicht recht verstand. Auch darüber tröstete sie der Herr, indem Er sprach: »Sei ohne Furcht, denn ich werde dir ein lebendiges Buch geben.« Wirklich vermehrten sich von diesem Tage an die himmlischen Belehrungen, so daß sie schreibt: »Seine Majestät ist mir das wahre Buch gewesen, in welchem ich die Wahrheit selbst gelesen habe.« Bald darauf hatte sie eine Vision, welche sie (l. c, Cap. 27) in folgender Weise erzählt: »Es war an einem dem glorreichen Apostel Petrus geweihten Tage, als ich mich im Gebete befand, daß ich ganz nahe bei mir sah oder nur vielmehr fühlte – denn ich sah nichts, weder mit den Augen des Leibes noch der Seele – daß neben mir, wie mir schien, der Herr Jesus Chrisius stand, der mit mir redete. Ich war in solchen Visionen ganz unwissend und hatte eine solche Furcht, daß ich nichts Anderes that, als weinen, bis Er ein einziges Wort zu meiner Versicherung sagte, worauf die gewöhnliche Ruhe zurückkehrte, und ich ohne alle Furcht bei dem Geliebten verweilte. Der Herr Jesus Christus schien immer an meiner Seite zu gehen, aber da es keine bildartige Vision war, sah ich von Ihm keine Gestalt. Um so klare fühlte ich, daß Er zu meiner Rechten stand und Zeuge war von Allem, was ich that« Bald darauf (I. c., Cap. 28) erzählt sie folgendes bildartige Gesicht: »Eines Tags hörte ich am Feste des hl. Paulus die Messe. Da stellte sich mir die ganze heiligste Menschheit Christi in der Gestalt, wie er als Auferstandener gemalt wird, mit unendlicher Schönheit und Majestät vor Augen.« Diese Erscheinungsweise war und blieb unter allen die vorherrschende, und man darf hinzusetzen die einzige. Auch in der heil. Hostie sah sie den Herrn in dieser Weise, und selbst wenn sie Ihn im Garten, oder mit der Dornenkrone, oder das Kreuz tragend erblickte, was am öftesten zu ihrer Stärkung an leidensvollen Tagen geschah, erschien Er ihr jedesmal im Zustande der Verklärung (l. c. 29). Jedesmal nach solcher Gnadenerweisung spürte sie in sich eine Zunahme der göttlichen Liebe, eine Erfahrung, welche sie den Zweifeln über die Wahrheit dieser Erscheinungen mit gutem Grunde entgegenstellen konnte. Diese Liebe erkannte sie deutlich als ein Sterben ihres eigenen Lebens und als Hineinleben in Gott, verbunden mit großen innerlichen Süssigkeiten und öfterm Außersichsein. Dazwischen kamen aber auf eine ihr unerklärliche Weise mancherlei innere und äußere Anfechtungen. Besonders klagt sie (l. c. 30) über Trübsinn und eine fast unwiderstehliche Neigung zum Zorne und zur Unverträglichkeit (ebenda). Das Nämliche spürten die sie behandelnden Beichtväter, welche nicht selten statt des Trostes und der Aufmunterung harte Worte gegen sie gebrauchten, dabei aber das Geständniß ablegten, daß sie gegen ihre Absicht ihr wehe thaten. Es geschah das am öftesten, wenn sie von ihren Gesichten und Offenbarungen den Beichtvätern erzählt hatte. Oefter sah sie den bösen Feind, gegen welchen sie das heil. Kreuzzeichen und geweihtes Wasser jedesmal mit Erfolg anwandte. Dabei machte sie die Beobachtung, daß die Teufelserscheinungen bei Anwendung des Kreuzzeichens augenblicklich zwar aufhörten, aber bald wieder zurückkehrten, während die Besprengung mit dem geweihten Wasser sie gänzlich vertrieb. Die bekannte Engelserscheinung erzählt sie in folgender Weise: »Ich sah ihn, einen langen, goldenen Wurfspieß in der Hand, dessen Spitze von Eisen und, wie mir schien, etwas glühend war; mit demselben stieß er mich [505] einige Male so heftig in das Herz, daß er bis in die Eingeweide vordrang; beim Herausziehen kam es mir vor, daß er es mit sich nahm und mich völlig entbrannt von der Liebe Gottes zurückließ. Der Schmerz war so groß, daß er mir laute Seufzer auspreßte, und doch von so überaus großer Süßigkeit, daß ich ihn, wie groß er auch war, nicht wegwünschen konnte.« Aber auch der Böse zeigte sich ihr in sichtbarer Gestalt (l. c., Cap. 31) und mit abscheulichem Gestcht, und erschreckte sie mit entsetzlichen Reden, wobei ihr schien, als schlage eine große Flamme, hell und schattenlos, aus seinem Leibe. Ein anderes Mal peinigte er sie beiläufig fünf Stunden lang innerlich und äußerlich mit Schmerzen und Unruhe. Sie erkannte, daß es der Teufel war, indem sie einen äußerst häßlichen Mohren, der wie verzweifelnd mit den Zähnen fletschte, an ihrer Seite sah. Wieder ein Mal sah sie eine große Menge böser Geister um sich her, sie selbst aber kam sich vor wie in einem großen Lichtglanze stehend, der sie von allen Seiten einschloß, so daß sie ihr nicht zu nahen vermochten, woraus sie den Schutz Gottes erkannte, der verhinderte, daß sie Ihn auf irgend eine Weise beleidigte. Ueber die Art dieser Gesichte bemerkt sie, daß sie den Teufel oft ohne bestimmte Gestalt, selten in einer solchen gesehen habe, doch seien beiderlei Gesichte gleich deutlich gewesen. Als diese Dinge bekannt wurden, begann für sie in vielen Besuchen von zum Theil vornehmen Personen ein neues Leiden. Sie meinte, daß sie bei ihrer Nichtswürdigkeit nicht werth sei, daß man von ihr rede, und würde, wenn ihr Beichtvater es zugelassen hätte, ein anderes, mehr verschlossenes Kloster ihres Ordens aufgesucht haben. Dieses Verlangen nahm zu, als öfter Verzückungen eintraten, in welchen sie mit dem Leibe emporgehoben wurde, so daß sie in freier Luft schwebte, ohne durch eigene oder fremde Kraftanstrengung es verhindern zu können. Sie wurde darüber so traurig, daß sie schreibt: »Ich wollte lieber, man würde mich lebendig begraben.« Aber der Herr beruhigte sie, indem Er zu ihr sprach, daß hier nur zwei Dinge möglich seien: entweder werde über sie gemurrt, wenn die Leute es nicht glauben, oder Er werde in ihr gepriesen, wenn sie es glauben; sie aber werde in jedem Falle Vortheil daraus ziehen. Wie sie im Kloster mit ihren Mitschwestern lebte, von Allen lernte, und das Benehmen keiner ihr lästig fiel, erkennt man aus dem, wie sie sagt, ihrem eigenen Leben entnommenen Rathe, welchen sie später brieflich einer Adspirantin ertheilte: »Befleißigen Sie sich, zu leben, als wären nur Gott und Sie allein im Kloster. So lange Sie kein Amt haben, das Ihnen die Verbindlichkeit auferlegt, auf Etwas außer Ihnen zu achten, dürfen Sie sich um gar nichts annehmen. Streben Sie nach der Tugend, welche Sie an jeder Nonne sehen, um sie eben deßhalb mehr zu lieben, und daraus Nutzen zu ziehen, aber beachten Sie nicht die Gebrechen, welche Sie an Anderen bemerken.« Als schwere Prüfung darf man gewiß auch ihr Gesicht von der Hölle betrachten (l. c., Cap. 32), welches ungefähr ins J. 1555 gesetzt werden muß. Sie stand im Gebete, und sah sich, sie wußte nicht wie, an einen Ort der Hölle versetzt. In ihrer Demuth schreibt ste, der Herr habe zeigen wollen, was sie eigentlich, ihrer Sünden wegen, verdient hätte: »Eine lange, enge Gasse (ähnlich einem Ofenloch, tief und dunkel, auf dem Boden stinkendes, verfaultes Wasser mit vielen bösartigen kleinen Thierchen), an deren Ausgang sich in einer Mauer eine Nische mit einer Art Schrank befand, führte dahin. Ich hatte eine Empfindung wie von Feuer in der Seele, kann aber nicht sagen wie es war, und empfand unaussprechliche Schmerzen, in Vergleich zu welchen alle bisher ausgestandenen Nichts waren, besonders weil ich zugleich erkannte, daß sie niemals aufhören würden. Aber auch diese Schmerzen des Leibes waren wieder wie nichts im Vergleiche zu den Bedrängnissen und den Aengsten, in welche sich die Seele versetzt sah, die das Herz in eine solche Hoffnungslosigkeit und Trübsal versenkten, für welche mir jeder Ausdruck fehlt. Wollte ich sagen, daß es war wie ein beständiger Todeskampf, so ist es zu wenig, denn damit würde sich die Vorstellung verbinden, daß man aufhören müßte, zu leben, aber es war, als ob die Seele sich selbst in Stücke auseinander reiße. Kurz, ich finde keine Worte, um dieses innerliche Feuer, diese [506] Verzweiflung über so große Peinen und Schmerzen zu beschreiben. Ich sah nicht, wer mir dieselben zufügte, aber ich fühlte mich verbrennen und in Stücke zertheilen; doch kann ich sagen, daß dieses Feuer und die innere Verzweiflung, der Aufenthalt an einem so pestartigen Orte, ohne Hoffnung auf irgend eine Tröstung, das Aergste ist. Man kann nicht sitzen oder liegen, ich kam mir vielmehr vor wie ein eingemauerter Klotz, da diese Mauern, welche so erschrecklich anzusehen sind, so zu sagen erdrücken und ersticken. Es gibt kein Licht, alles ist ins tiefste Dunkel gehüllt, und doch sieht man, ich weiß nicht, wie dieß beim Abgange alles Lichtes möglich ist, Alles was vorgeht, um Strafpeinigung zu verursachen.« Dieses Gesicht wird von den meisten Schriftstellern als nächste Veranlassung ihrer Klosterreform angegeben. Sie selbst schreibt: »Nachdem mir der Herr dieses und andere große, geheimnißvolle Dinge gezeigt hatte, besonders von der Herrlichkeit, welche den Guten und von der Bein, welche den Bösen zu Theil wird, wuchs in mir das Verlangen, durch Bußübung diesen Uebeln auszuweichen, und ein so hohes Gut zu erlangen. Es war mir deutlich, daß ich vor Allem dem Rufe folgen müsse, welchen Gott an mich hatte ergehen lassen, indem ich Klosterfrau wurde, und daß ich meine Regel so vollkommen als möglich befolgen müsse.« Da dieses in dem Kloster von der Menschwerdung nicht so geschehen konnte, wie es ihrem Geiste vorschwebte, kam ihr der Gedanke, ein neues Kloster dieser Art zu errichten, und eine fromme Wittwe, mit welcher sie darüber redete, versprach ihre Beihilfe. In heißen Gebeten empfahl sie dem Herrn diese Angelegenheit. Nach einiger Zeit hatte sie nach Empfang der heil. Communion ein Gesicht, in welchem ihr befohlen wurde, keine Anstrengung zu scheuen, um diesen Gedanken auszuführen, und das neue Kloster dem heil. Joseph zu weihen. Auch dieses Gesicht offenbarte sie ihrem Beichtvater, und bat ihn, der Sache nicht in den Weg zu treten. Hiedurch hatte sie die Höhe ihres Berufslebens erreicht. Ungefähr um diese Zeit, beiläufig im J. 1560, wird sie das Gelübde gemacht haben, allzeit in ihrem Thun und Lassen dasjenige zu vollbringen, was sie nach reiflicher Ueberlegung als das Vollkommenere erkannt haben würde. Alle Führungen und Gnadenerweisungen Gottes mit ihr hatten den zweifachen Zweck: sie selbst zum Musterbilde eines abgetödteten und heiligen Lebens für Zeitgenossen und spätere Geschlechter darzustellen, und in den von ihr errichteten und verbesserten Klöstern der Kirche eine Schaar frommer Beter und Beterinnen zuzuführen, welche die Priester und Missionäre in ihren Kämpfen und Leiden für das Evangelium unterstützen sollten. Ebendamals spritzten nämlich die in Deutschland und der Schweiz entstandenen Ketzereien das Gift der Irrlehren nach allen Seiten aus. Außerdem beabsichtigte sie bei ihrer Ordensreform, den Klosterfrauen durch strenge Beobachtung der Clausur und der heil. Gelübde ihren Beruf zu erleichtern. Am 24. Aug. des J. 1562 halte sie die Freude, zu Avila nach Ueberwindung der größten, unüberwindlich scheinenden Hindernisse (l. c. Cap. 32–36) das erste Kloster der Reform, eingeweiht und von den ersten vier Novizinnen bezogen zu sehen. Sie selbst durfte mit vier andern Klosterfrauen ein halbes Jahr später in die neue Ansiedlung hinüberziehen, und deren Leitung übernehmen. Die päpstliche Bestätigung der Reform erfolgte durch Pius IV. am 17. Juli d. J. 1560. Während dieser ganzen Zeit hatte sie ihrer Stiftung wegen Vieles zu leiden, erfuhr aber auch vielen innern und äußern Trost. Sie stand mit dem Bräutigam ihrer Seele in beständigem Verkehre, sah Ihn an ihrer Seite und in ihrem Herzen, redete und unterhielt sich mit Ihm, wie mit einem Freunde (l. c., Cap. 37). Sie erzählt: »Einmal befand ich mich Abends so unwohl, daß ich mich vom (innerlichen) Gebete dispensiren wollte, und nahm deßhalb, um mündlich zu beten, einen Rosenkranz in die Hand; jedoch stand ich äußerlich gesammelt in einem Oratorium. Derlei Veranstaltungen helfen aber wenig, wenn es dem Herrn gefällt (seine Gnade zu erzeigen). In kurzer Zeit überfiel mich eine Verzückung des Geistes so heftig, daß ich nicht zu widerstehen vermochte. Es kam mir vor, als wäre ich im Himmel; die ersten Personen, welche ich sah, waren mein Vater und meine Mutter; dann aber sah ich in kurzer Zeit, [507] die kaum ein Ave Maria dauerte, so große Dinge, daß ich außer mir war« (l. c., Cap. 38). Ein anderes Mal sah sie den Herrn selbst etwas länger als eine Stunde; nachdem Er ihr viele wunderbare Dinge gezeigt hatte, sprach Er zu ihr: »Siehe, meine Tochter, wie Vieles diejenigen verlieren, welche wider mich sind, und höre nicht auf, es ihnen zu sagen.« Sie erwiederte: »O mein Herr, wie wenig helfen meine Worte bei solchen, die durch ihre eigene Schuld nicht sehen, wenn nicht deine Majestät sie erleuchtet!« Uebrigens übte sie mit dem größten Vertrauen das Gebet der Fürbitte für Alle, von denen sie hörte, daß sie am Leibe oder an der Seele Noth litten, und spendete Almosen, so viel sie konnte. Ihre außerordentliche geistige Begabung und ihre stete Vereinigung mit Gott befähigte sie nicht bloß zu Klostergründungen und zur Leitung solcher Anstalten, sondern auch zur Rath ertheilung an Bischöfe, Priester und Weltleute, auch wenn diese sich in sehr hohen Stellungen befanden. Ihre große und bewunderungswürdige Demuth hinderte sie nicht, wo es nothwendig schien, auch zu tadeln und strenge Verweise zu geben. Ebenso würde man sehr irren, wenn man etwa glauben wollte, ihr Gebetsleben habe sie kopfhängerisch und mürrisch gemacht. Eine ihrer Vorschriften lautete vielmehr, man solle nie von dem gewöhnlichen Wege abgehen und sich vor jeder Uebertreibung hüten. Auch geht aus ihren Briefen deutlich hervor, daß sie an unschuldigen Unterhaltungen Freude hatte und solche gerne auch Andern bereitete. Sie hatte nichts Finsteres an sich, und konnte es auch an Andern nicht leiden. Man sehe z.B. folgende Stelle eines Briefes an eine Priorin, ihre Nichte, die vor lauter Mediciniren nicht gesund werden konnte: »Hören Sie doch um Gottes Willen einmal auf, Arzneien zu gebrauchen. Befleißigen Sie sich vielmehr, nach Appetit zu essen, nicht allein zu bleiben, und immer nachzusinnen. Unterhalten und erheitern Sie sich, wie und wann Sie können. Wäre ich nur bei Ihnen, ich hätte Stoff genug, mit Ihnen zu reden und Sie zu unterhalten!« An schwer geprüfte Klosterfrauen schreibt sie nach Anführung geistlicher Trostgründe: »Seid also fröhlich und bedenket, daß Alles, was man thut und leidet zur Ehre unseres guten Gottes, der für uns so Vieles gelitten hat, immer nur sehr wenig ist.« An einen frühern Beichtvater schreibt sie unter Anderm: »Ich scheine nur zu leben, um harmlos zu essen (freilich genoß sie nur Brod und gekochte Kräuter, bisweilen ein Ei oder etwas an Fischspeisen) und zu schlafen.« Dergleichen Dinge sollten diejenigen, welche Lebensbeschreibungen der Heiligen verfassen, nicht übergehen; sie können schwächeren, noch wenig in der Vollkommenheit fortgeschrittenen, aber heilsbegierigen Seelen sehr zur Aufmunterung dienen. Denn sie fühlte demungeachtet, daß das Verlangen nach der Liebe Gottes, die sie sehnlichst auch allen Andern einzuflößen wünschte, in ihr immer zunahm. Früher hatte sie gebetet: »Herr, leiden oder sterben!« In ihren spätern Jahren konnte sie bei aller Anstrengung nicht mehr so beten. Sie schreibt: »Die Unterwerfung des eigenen Willens unter den göttlichen Willen ist so kräftig, daß die Seele weder den Tod noch das Leben verlangt, ausgenommen auf ganz kurze Augenblicke, in welchen die Sehnsucht nach der Anschauung Gottes die Oberhand gewinnt.« Aus einem im J. 1579 geschriebenen Briefe der Heiligen entnehmen wir, daß damals ihre körperlichen Leiden sehr nachgelassen hatten, und nur das Kopfweh noch fortdauerte. Ihre Klosterstiftungen sind (W. W. K.-L. X. 901) folgende: Im J. 1562 zu Avila, 1567 zu Medina del Campo, 1568 zu Malagon und Valladolid, 1569 zu Toledo und Pastrana, 1570 zu Salamanca, 1571 zu Alba, 1574 zu Segovia, 1570 zu Veas und Sevilla, 1576 zu Caravaca, 1580 zu Villano und Palentia, 1581 zu Soria, 1582 zu Granada und Burgos. Beinahe überall hatte die Heilige fast unübersteigliche Hindernisse zu überwinden, aber Widerspruch und Verfolgung hatten bei ihr die gegentheilige Wirkung, und das Vertrauen auf Gott erfüllte ihre Seele in den bittersten Tagen des Leidens mit dem süßesten Troste und der innigsten Freude. Auch die Mannsklöster ihres Ordens wurden durch sie nicht nur innerlich und äußerlich gehoben, findern sie stiftete folgende neue, in welchen die strengere Regel beobachtet wurde (W. W. K.-L. [508] l. c. 902): Im J. 1568 zu Dirvelo, 1569 zu Pastrana, 1570 zu Mancera und Complut, 1571 zu Altomira, 1572 das Kloster de Subsidio. 1573 zu Granada und Rupecula, 1574 zu Sevilla, 1575 zu Almodovar, 1076 zu Veas, 1579 zu Baëza. 1581 zu Valladolid und Salamanca, 1582 zu Lissabon. Dreimal brach sie den linken Arm, der gleich vom ersten Male für immer gelähmt blieb. Diese Lähmung erstreckte sich mehr und mehr über den ganzen Leib und später kam dazu noch häufiges Erbrechen. Demungeachtet war und blieb sie in voller Thätigkeit. Als einfache Nonne vollzog sie im pünktlichsten Gehorsam alle ihr aufgetragenen Arbeiten, und zwar desto lieber, je niedriger sie waren. Dazu kam später ihr großartiger Briefwechsel und die Abfassung zahlreicher geistlicher Schriften. Es sind folgende: 1) Die Geschichte ihres Lebens; 2) das Buch der Klosterstiftungen; 3) Weg der Vollkommenheit; 4) Ermahnungen an die Klosterfrauen; 5) Sieben Betrachtungen über das heil. Vater unser; 6) Ergießungen des Herzens; 7) Die Seelenburg; 8) Gedanken über die Liebe Gottes; 9) Art und Weise, die Klöster zu visitiren; 10) Briefe Wer sie andächtig und heilsbegierig liest, wird in ihnen ein wahres Seelenbrod finden. Die meisten dieser Schriften sind in alle europäischen Sprachen übersetzt. So z.B. erschien die von uns vergliehene gute italienische Uebersetzung ihres Lebens mit vorgedruckter Abbildung der Heiligen zu Rom schon im J. 1601, zu Cöln eine lateinische Uebersetzung ihrer Werke im J. 1620 und eine deutsche im J. 1640. (Ueber die neueren deutschen Uebersetzungen und Bearbeitungen ist Eingangs schon geredet.) Der äußere Verlauf ihres Hinscheidens war ziemlich rasch. Ein Blutsturz, welcher sie gegen Ende Septembers befiel, war der erste Todesbote. Da sie seine Sprache sogleich verstand, ließ sie ihren Beichtvater kommen, und begehrte die heil. Wegzehrung. Es erfolgte eine heil. Liebesglut, der ihre Leibeskräfte nicht mehr gewachsen waren. Am nämlichen Abende empfing sie die letzte Oelung und gab den Schwestern ihre letzten Ermahnungen. Sie sollten sich ja hüten, ihrem Leben nachzufolgen, ihr verzeihen, und getreu die Ordensregeln erfüllen. Ihr letztes Gebet war der Bußpsalm Miserere, aus welchem sie die Worte: »Ein zerknirschtes und gedemüthigtes Herz wirst du, o Gott, nicht verachten,« so lange wiederholte, bis sie die Sprache verlor. Sie betete jetzt noch mit den Augen, die sie unverwandt auf das Cruzifi, das sie in der Hand hielt, hinheftete. So verschied sie, »ein Schlachtopfer der göttlichen Liebe«, wie es im Vesperhymnus heißt, am 14. (4) October d. J. 1582 in einem Alter von 68 Jahren, von welchen sie 27 in dem Kloster der Menschwerdung und 20 andere in den verschiedenen Ordenshäusern ihrer Reform zugebracht hat, in dem Kloster zu Alba, wo sie in dem untern Chore ihre Ruhestätte fand. Nach ihrem Tode kehrte sie gewissermassen in die Jugendjahre zurück: ihr Angesicht verlor jede Runzel und eine leichte Röthe überflog ihre Wangen; ihre Glieder zeigten nach vier Jahren noch keine Spur von Verwesung. Ihre Heiligsprechung geschah am 12. März d. J. 1622 durch Papst Gregor XV. nach genauester Prüfung ihres Lebens und der auf ihre Fürbitte geschehenen Wunder. Da genaue Abbildungen von ihr vorhanden sind, würden die Künstler am besten thun, sich an diese zu halten. Sie ist mittelgroß und breitschulterig, das Gesicht und die Wangen etwas dick, die Augen groß und scharf blickend, der Mund klein, die Nase lang und niedrig, die Hände sind zum Gebete gefaltet; sie trägt das Ordenskleid der Carmelitinnen, und kniet vor dem leidenden Heilande oder empfängt durch einen Engel den feurigen Stich, der ihr Herz durchbohrt, oder es schwebt über ihr der heil. Geist; vor ihr liegt ein offenes Buch mit Schreibzeug. Ein Spruchband enthält die Worte: Misericordias Domini in aeternum cantabo – zu deutsch: Ewig will ich die Gnadenerweisungen Gottes besingen. Hie und da trägt sie, um ihre Liebe zum Leiden Jesu zu zeigen, die Leidenswerkzeuge, oder sie erscheint (in einer Abbildung bei den Boll.) mit den Insignien eines graduirten Doctors (Birett, Kette und Buch). Die Abbildungen, welche sie mit einem brennenden Herzen in der Hand, oder mit zwei aus der Brust hervorwachsenden Baumästen darstellen, sind unhistorisch. Wo so viele geschichtliche Motive gegeben sind, soll der Künstler[509] nicht nach Symbolen suchen. Viele fromme Ordensfrauen sahen den Glanz ihrer Herrlichkeit: die Eine erblickte über dem Kirchendache, im Chore und über ihrem Schlafgemach eine Menge himmlischer Lichter; eine Andere sah den Heiland, von einer großen Schaar von Engeln umgeben, an ihrem Sterbebette; Eine sah im Augenblicke ihres Hinscheidens eine glänzend weiße Taube aus ihrem Munde zum Himmel emporfliegen;24 ein seit langer Zeit ausgedorrter Baum fing gegen alle Zeit und Natur zur Stunde ihres Hinganges zu blühen an. Mit Recht nennen sie viele Schriftsteller die seraphische Jungfrau. Ihre Reliquien sind (Guerin, l. c 378) an verschiedene Kirchen vertheilt worden. Zu Rom befindet sich zu St. Maria de la Scala ein Fuß, und der Zeigefinger der rechten Hand im Kloster Regina Coeli daselbst, zu Lissabon ihre linke Hand; das unverwesene Herz, welches einen himmlischen Geruch von sich gibt, und der linke Arm ruhen zu Avila; der Mittelfinger der rechten Hand tam nach Paris, wohin auch ihr Mantel gebracht wurde; ein kleiner Finger wurde den Carmelitinnen in Brüssel, ein anderer Finger denen zu Sevilla geschenkt. Auch in ihrem in eine Kirche unngewandelten väterlichen Hause zu Avila befinden sich mehrere ihrer Reliquien; das früher dabei bestandene Carmelitenkloster ist aufgehoben. Am 27. Aug. darf nach päpstlichem Indult von den unbeschuhten Carmeliten das Fest ihrer Herzensdurchbohrung (transverberatio cordis) gefeiert werden. Sie ist durch Papst Urban VIII. als besondere Schutzheilige Spaniens erklärt worden.
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