Virgilius, S. (2)

[736] 2S. Virgilius, Ep. Conf. (27. Nov. al. 26. Sept.). Der hl. Virgilius (der Name ist nach Stabell, Lebensbilder II. 730, aus dem irischen Namen Feargil latinisirt34, unter den Bischöfen von Salzburg in der Reihenfolge der fünfte oder nach anderer Zählung der neunte, leitete diese Kirche vom J. 745 (7547) bis zum J. 784. Auch er war, wie seine Vorgänger, gleichzeitig oder doch vorher Abt von St. Peter. Die ältern Martyrol. kennen ihn nicht, aber alle neueren, auch das Mart. Rom., feiern den 27. Nov. als seinen Gedächtnißtag. Es darf als sehr zweifelhaft angesehen werden, ob er jener Virgilius sei, welcher die irrige und verkehrte Lehre verkündete, »daß unterhalb der Erdenländer[736] noch eine andere Welt und andere Menschen seien«, denn es kommt in den Briefen des heil. Papstes Zacharias der Name Virgilius zweimal vor. Von dem Virgilius, welcher diese Irrlehre, die etwas ganz Anderes sagt, als daß es Antipoden gebe, was schon zu seiner Zeit kein Gebildeter für unmöglich halten konnte, verkündete, sagt der Papst, er wisse nicht, ob er Priester sei35, den andern aber, also wahrscheinlich den nachmaligen Bischof, nennt er ausdrücklich Priester. Daß er aus Irland stammte, ist sicher. Alle alten Urkunden bestätigen diese seine Herkunft. Bei Alcuin ist beigesetzt, daß er hier auch seine Bildung und Erziehung empfangen habe. Wahrscheinlich war er in der berühmten Schule zu Jona (Hy) gewesen. Als junger Priester ging er in der Absicht, als Glaubensprediger in Deutschland zu wirken, zum Hausmeier Pipin, welcher damals schon den Königstitel führte, und dieser gewann ihn wegen seiner Gelehrsamkeit und der Ehrbarkeit seiner Sitten so lieb, daß er ihn zwei Jahre lang zu Chiersy (Carisiacum) als Hofprediger behielt.36 In Begleitung eines Landsmannes, Namens Dobda, welcher die bischöfliche Weihe empfangen hatte, und nachmals Abt von Chiemsee und Gründer der dortigen Schule wurde, kam er unter dem Herzoge Odilo, welchen er als Gefangenen zu Chiersy kennen gelernt halte, nach Salzburg, wo er zuerst dem St. Peterskloster als Abt vorstand. Ob er als solcher eine Romreise gemacht habe, und wann er den Bischofsstuhl bestieg, darüber schwanken die Angaben und zwar bezüglich der Uebernahme des Bisthums zwischen den Jahren 740 und 76637. Letzteres Jahr nennt die älteste Biographie als das seiner Bischofsweihe, setzt aber seine Ernennung ein paar Jahre früher. Er war ein frommer, einsichtsvoller und eifriger Mann, welcher unausgesetzt dem Lehramte oblag (die noctuque docuit), und durch Nachtwachen, Beten und Liebeswerke den Seinigen als Beispiel voranleuchtete. Von seinen Amtshandlungen sind die Wiedererbauung der Kirche und des Klosters St. Peter, welche ihn zwölf Jahre lang in Anspruch nahm, die Verlegung des Bischofssitzes und die Uebertragung der Gebeine des hl. Rupert non da in die gleichfalls neu erbaute St. Rupertsdomkirche, für welche er zur Besorgung des Gottesdienstes zwölf Weltpriester anstellte, und seine Missionsthätigkeit für und in Kärnthen die berühmtesten. Als erster Priester, welchen er dorthin bestimmte, wird ein gewisser Majorannus angegeben. Bald darauf war er schon in der Lage, einen Weihbischof Namens Modestus, die vier Priester Wato, Reginbert, Gozar und Latinus, den Diacon Euchardus und andere Kleriker dahin zu senden. Zu Liburnia (Tiburnia) wurde eine Muttergotteskirche erbaut und eingeweiht. Andere Kirchen erhoben sich fast überall im Lande. Gleichwohl war der hl. Virgilius wegen dreimal wiederholter Aufstände genöthigt, nach dem Tode des Bischofes Modestus, welcher un heutigen Maria Saal residirte, und im J. 760 starb, seine Priester auf kurze Zeit zurückzurufen. Als aber hernach der Herzog Watung neuerdings um Priester bat, schickte er deren eine größere Zahl als früher dahin ab. Von jetzt an hörte der Widerstand des Adels gegen das Christenthum auf und der hl. Bischof konnte das ganze dem Evangelium nahezu gewonnene Land von Ort zu Ort bereisen, und seine Reise bis weit über die Grenzen von Kärnthen, in die Gegend des heutigen Essegg an der Grenze des Hunnenlandes erstrecken, wo die Drau in die Donau einmündet. Außerdem nennen wir die Weihe einer Zelle in Otting im Chiemgau inicht mit Oetting zu verwechseln), jetzt eine Pfarrei im Decanate Teisendorf, im J. 767 zu Ehren des hl. Stephanus, und seine Theilnahme an der Synode von Dingolfing im J. 772. Sein besonderer Gönner war der Herzog Odilo von Bayern, welcher die Kirche von Salzburg mit der Ortschaft Metmingheim und andern Ländereien, besonders am Parnsee, beschenkte und ihr zugleich das Jagd- und Fischrecht übertrug. Das hinderte aber den hl. Bischof nicht, seine Rechte auf die Villa Albina im Pongau, [737] welche der Herzog aus Unkenntniß früherer Verhältnisse einem Priester Namens Ursus geschenkt hatte, standhaft zu vertheidigen, und selbst eine ihm in der Gegend von Laufen angebotene Entschädigung auszuschlagen. Gleichwohl blieben ihm sowohl der Herzog Odilo als Thassilo II. bis ans Ende seines Lebens gewogen und verwehrten die Besitzungen der Kirche von Salzburg durch weitere Schankungen und Gutheißungen von solchen in Chiemgau. Der hl. Bischof wurde non letzterm auch als Zeuge bei der Stiftung des Klosters Kremsmünster im J. 777 beigezogen. Ferner hat er (Niedermayer, das Mönchthum in Bajuwarien, S. 158) die Maximilianszelle restaurirt, die Heilquellen von Gastein zugänglich gemacht und die alten eingegangenen Erzgruben wieder eröffnet. Die Schule von Chiemsee verdankte ihm viel von ihrer Blüthe. Sein ganzes Leben und Streben zeigt ihn uns als streng katholischen Bischof. Nicht der leiseste Schatten fällt auf seine Rechtgläubigkeit. Als der hl. Bonifacius irriger Weise ihm gegenübertrat, weil er eine unter der Formel: in nomine patria et filia et spiritu sancta von einem des Lateins nicht hinreichend kundigen Priester vollzogene Taufe nicht wollte wiederholen lassen, indem er deren Giltigkeit behauptete, bestritt er nicht die apostolische Vollmacht des Legaten, wohl aber mit gutem Grund die Rechtmäßigkeit seines Verfahrens, und ergriff – ein Beweis seiner ächt katholischen Gesinnung – Berufung an den Papst, welcher dann auch in seinem Sinne entschied. Die protestantischen Fanatiker, welche auch diesen Iren, wie sie seit langer Zeit gewohnt sind, um ihren Abfall von Rom zu beschönigen, in Opposition mit dem Papste bringen wollen, argumentiren hier wie überall nicht für, sondern gegen sich. (Vgl. die Tendenzschrift von Werner über den hl. Bonifacius, S. 176 u. 315.) Von seiner Missionsreise, die ihm den Namen »Apostel von Kärnthen« erworben hat, heimkehrend, sprach er: »Hier ist der Ort meiner Ruhe;« Gott hatte ihm die Nähe seiner Anflösung geoffenbart. Wirklich ging er am 27. Nov. d. J. 784 (nach Mabillon 780) nach kurzer Krankheit, nachdem er vorher noch die hl. Messe gelesen hatte, in die ewige Ruhe ein. Sein Leib wurde an der Epistelseite der von ihm neuerbauten Klosterkirche beigesetzt und im J. 1181 erhoben. Papst Gregor IX. setzte ihn im J. 1223 in die Zahl der Heiligen. Abgebildet wird er als Bischof, das Modell seiner Kirche in der Hand, manchmal auch (z. B. in der Bav. S. von Raderus) wie er einen Besessenen heilt, wobei vermöge künstlerischer Licenz ein lange nach seinem Tode geschehenes Wunder in seine Lebenszeit verlegt ist, oder wie ihm der Baumeister den Plan der Domkirche zeigt38; im Hintergrunde sieht man Neubauten aufführen. Die älteste über ihn vorhandene Lebensgeschichte stammt von einem unbekannten Verfasser aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrh.; sie ist (nach der Recension von Mabillon, A. S. S. o. s. Bened. Saec. III. p. 2. ed. Venet. 279–288) unserer Darstellung zu Grunde gelegt. Die Boll. nennen ihn zum 26. Sept., bemerken aber zugleich, daß sein Fest am 27. Nov. begangen wird. Alcuin sagt von ihm unter Anderm, er sei gewesen:


Virpius et prudens, nulli pietate secundus;


Zu Deutsch:


Fromm und klug war der Mann, und keinem an Tugend er nachstand.


Die Stadt Liburnia39 muß in der Gegend zwischen Spital und Sachsenburg gestanden haben, wo man es heute noch das »Lurnfeld« heißt, eine schöne fruchtbare Ebene. Zu Friesach stand am »Virgilienberge« ehedem eine schöne, nun ganz zerfallene Kirche zu Ehren des hl. Bischofes. Auch im Decanate Windisch-Matrei, das früher zu Salzburg gehört hatte, jetzt aber dem Bisthume Brixen zugetheilt ist, befindet sich eine St. Virgiliuspfarrkirche, nach welcher das ganze Dorf »Virgen«, und das auf- und abwärts liegende Thal das »Virgenthal« genannt wird.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 736-738.
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