[813] S. Willigisus, Ep. Conf. (23. Febr. al. 18. Apr.). Dieser hl. Erzbischof von Mainz, welchen die Boll. (Apr. II. 521) unter den Uebergangenen nennen, wird gewöhnlich Willegisus, öfter auch Willigus, Willegus, Willigizus genannt; er bestieg am 29. Juni d. J. 975 den Hirtenstuhl, und starb nach ruhmreicher und verdienstvoller Wirksamkeit am 23. Febr. d. Jahres 1011. Er war nach dem Berichte Thietmars und vieler Anderer (erst in neuester Zeit behauptet der Mainzer Geschichtsforscher Falk seine vornehme Abkunft) aus niederem Stande37 in dem kleinen Orte Schöningen38 (im Braunschweig'schen) geboren. Als seine Mutter mit ihm guter Hoffnung ging, sah sie einmal aus ihrem Schooße die Sonne hervorleuchten und mit flammenden Strahlen die Welt erhellen, ein Vorzeichen, das sich vollständig bewahrheitete. Der Knabe zeigte frühzeitig gute Talente und Neigung zum geistlichen Stande. Als junger Priester wurde er bald Kanonikus in Hildesheim, und dem Kaiser Otto II. so gut empfohlen, daß ihn dieser als Erzkaplan in seine Kanzlei aufnahm. Er arbeitete hier mit großem Geschicke und gab Proben so außerordentlicher Klugheit, Treue und Frömmigkeit, daß ihn Otto II. im J. 975 ungeachtet Viele wegen der niedrigen Abkunft des Heiligen (wie wieder Thietmar berichtet) sich dagegen aussprachen39, zum Erzbischofe von Mainz und zugleich zum Erzkanzler des Reiches ernannte. Papst Benedikt VII. gab ihm das Pallium. Seinen Bemühungen dankte Otto III die Kaiserkrone, welche er ihm im J. 983 zu Aochen aufs Haupt setzte. Während dessen Minderjährigkeit führte er nach dem Hinscheiden der Kaiserin Theophano (s. d.) drei Jahre lang mit der Kaiserin Adelheid die Regierung des Reiches. Als Reichsregent machte er sich, was hier nicht übergangen werden darf, um die Verbreitung des Christenthums im Norden, besonders in Schleswig, Holstein, Dänemark und Schweden, sowie um die Erhebung würdiger und verdienter Männer auf die deutschen Bischofsstühle große Verdienste. Er sah darauf, daß die Bischöfe ihre Residenzpflicht beobachteten, und die Kirchendisciplin gut handhabten. Unter [813] seinen Amtshandlungen nennen wir die feierliche Einweihung der neuen Hauptkirche in Halberstadt in Anwesenheit des Königs, der Kaiserin Adelheid, der Abtissin Mathilde von Magdeburg und vieler geistlicher und weltlicher Großen. Zu Mainz hatte er den Dom von Grund aus neu erbaut, als derselbe am Einweihungstage gänzlich niederbrannte. Demüthig nahm er diese Prüfung hin, und begann sogleich wieder den Neubau, mußte aber seine Vollendung dem hl. Bardo, seinem Nachfolger, überlassen. Auch die St. Stephanskirche in Mainz verdankt ihm ihre Entstehung. Das St. Victorskloster bereicherte er mit Gütern und Einkünften. Die Abtei Disibodenberg in der Nähe von Kreuznach hat er neu gestiftet im J. 976. Mehrere Bischöfe erhielten von ihm (Butler III. 185.) die Consecration: der hl. Adalbert, Bischof von Vrag und Rathar von Paderborn im J. 983, Bernward von Hildesheim im J. 993, Burchard von Worms im J. 997, Eberhard, der erste Bischof von Bamberg, im J. 1000 u. A. Sein größtes Verdienst ist aber, daß er mitten in Reichsgeschäften und fortwährenden Welthändeln, sowie in den höchsten weltlichen Ehren, welche für ihn eine schwere Versuchung zu einem ehrgeizigen und äußerlichen Weltleben hätten werden können, eine kindliche und innige Gottesfurcht und eine unter solchen Verhältnissen doppelt bewundernswerthe Demuth sein ganzes Leben hindurch bewahrte. (Major erat humilitas sua, quam potentiae suae magnitudo magnifica) Der Wohlstand und die Blüthe des deutschen Reiches galt in seinen Augen das Meiste, das Reich Gottes Alles, weßhalb er mit großer Strenge bei Geistlichen und Laien auf Zucht und gute Sitte drang. Ein Zeitgenosse und Augenzeuge schreibt von ihm (Katholik, 1869. 49. Jahrg. S. 224 ff.): »Sein Angesicht blieb sich beständig gleich; noch beständiger aber war er am Geiste. Er redete wenig, aber seine Worte fanden viel größern Glauben, als unzählige Eide von Andern. Alle seine Geschäfte verrichtete er zur bestgelegenen Zeit, und strebte in allen nach höchster Vollkommenheit. Die kirchlichen Tagzeiten betete er so, daß er bis zur Mittagszeit mit seinen Pflichtgebeten fertig war.« Die freie Zeit widmete er den Staatsgeschäften und den nothwendigen Privatangelenheiten, dem Studium und besonders, die süßeste Speise für sich und die Seinigen, der Lesung der heil. Schriften. Täglich hatte der Custos seiner Capelle 30 Arme mit Speise und Trank zu erquicken, 13 Andere durften die köstlichsten Speisen an seinem eigenen Tische genießen und erhielten von ihm noch ein Geschenk an Geld. Nach der Complet begab er sich bald zur Ruhe. Konnte er nicht schlafen, so ließ er sich in kein Gespräch ein, nur Gelesenes wollte er in diesem Falle hören. Der einzige noch dunkle Fleck in seinem Leben ist der Streit, welchen er wegen des Aufsichts-(Jurisdictions-) Rechtes über das Frauenstift und die Kirche zu Gandersheim, welcher Ort gerade an den beiderseitigen Bisthumsgrenzen lag, mit dem hl. Bernward, Bischof von Hildesheim, führte, worauf wir uns hier nicht einlassen können. Der Streit endete zu seinen Ungunsten. Darauf entsagte der demüthige Erzbischof öffentlich allen seinen Ansprüchen, und machte so das Vielen unzweifelhaft gegebene Aergerniß wieder gut. Vor der versammelten Gemeinde sprach er zu dem hl. Bernward: »Mein Bruder und Mitbischof, ich verzichte auf alle Ansprüche an diese Kirche und übergebe dir diesen Bischofsstab zum Zeugniß, daß weder ich noch meine Nachfolger je diese Ansprüche erneuern werden.« Daß er hiebei im guten Glauben geredet, geschrieben und gehandelt hat, geht zur Genüge daraus hervor, daß am Schlusse seines Lebens auch der Biogxaph des heil. Bernward ihm das Zeugniß nicht versagen kann, er sei »an Tagen und an guten Werken voll zum Herrn hinübergewandert.« Er wurde, wie es scheint, sogleich nach seinem Tode als Heiliger verehrt; in der St. Stephanskirche hatte man ehedem einen eigenen Meßritus auf seinen Sterbetag. Sein Grab erhielt er in der St. Stephanskirche; später wurden seine Reliquien in einen besondern Schrein (capsa ossium) eingeschlossen. Zwei Meßgewänder, eines zu St. Stephan in Mainz, das andere in der Schloßcapelle zu Aschaffenburg (nach der Vermuthung von Falk, Katholik 1869 S. 223. 49. Jahrg., ursprünglich gleichfalls in Mainz, bei St. Victor) sind von ihm noch vorhanden. Die fg. Willigis-Kelche sind nicht von ihm selbst, wurden[814] aber in alter Zeit an seinem Gedächtnißtage gebraucht. Auf Bildnissen hat er ein Rad als besonderes Kennzeichen. Sein Fest wird dermalen in der Diöcese Mainz als duplex minus begangen.