Wolfgangus, S. (1)

[822] [822] 1S. Wolfgangus (Wolfkangus), Ep. Conf. (31. al. 7. Oct.). Die älteste und zuverläßigste Lebensgeschichte dieses Heiligen ist von einem Zeitgenossen Namens Othlonus verfaßt, und in einer guten Ausgabe mit vorausgehender Einleitung (Pertz, mon. scr. IV. 521–42) von Waitz zum Drucke befördert worden. (Eine frühere Ausgabe besorgte Mabillon, analecta) Der Biograph war in den ersten Jahren des 11. Jahrh. im Bisthume Freising (Andere nennen Eichstädt) von ehrsamen und freien Eltern geboren, und studirte zuerst in Tegernsee, dann in Hersfeld, wo er im J. 1024 war. Später kam er nach Würzburg, und wurde dann Mönch bei St. Emmeram, wo er um das J. 1055 die Stelle eines Decanus begleitete. Seine Arbeit gewinnt an Glaubwürdigkeit, weil sie eigentlich nur eine verbesserte, mit einigen Zusätzen aus der Tradition vermehrte Ausgabe von zwei früher verfaßten Lebensbeschreibungen ist (eine von Arnolf ist noch vorhanden und wird sogleich von ihr die Rede sein, die andere non einem ungenannten Verfasser aus Franken), die er vereinigte und an einigen Stellen wörtlich abschrieb. Da er von der Heiligsprechung des hl. Bischofes durch Papst Leo IX. nichts weiß, muß er die Arbeit zwischen 1037 und 1052 unternommen haben. Genug, daß wir hier sehr festen Boden haben, und von Zeitgenossen über das Leben des großen Heiligen unterrichtet werden. Eine zweite Quelle ist die von dem Mönche Arnolf (Arnold) von St. Emmeram verfaßte und von Othlonus benützte Lebensgeschichte des heil. Ramnoldus. Da der Verfasser, ein geborener Graf von Cham und Vohburg, gleichfalls ein Augen-und Ohrenzeuge der Thaten unsers Heiligen ist, so verdient auch er besondere Beachtung. Zur Literatur über den hl. Wolfgang gehören aus neuerer Zeit: Neue hist. Abhandlungen Bd. V. S. 679. München, 1798, über die Frage: War der heil. Wolfgang ein geborener Graf von Pfullingen? (von Zirngihl.) – Contzen, die Geschichtschreiber der sächsischen Kaiserzeit, S. 136 (von uns benützt). – Sulzbeck, P. Franz Xaver, Leben des hl. Wolfgang, Regensb., 1844. – Sauter, K.-G. Schwabens, Nördlingen, 1864 (beide Werkchen gleichfalls von uns benützt). Besonders sorgfältig ist die Lebensgeschichte des Heiligen in W. W. Kirchenlexikon IX. 97–100 behandelt. Der hl. Bischof Wolfgang, oder wie Othlonus schreibt Wolfkangus, war von Geburt ein Schwabe (natione Suavigena). (Othlonus, l. c. S. 527). Sein Geburtsort ist Ahalm bei Reutlingen im heutigen württembergischen Schwarzwaldkreise49. Sein ungenannter Vater stammte aus dem gräflichen Geschlechte von Pfullingen50. Seine Mutter war Gertrud, Gräfin (?) von Veringen im jetzigen Regierungsbezirke Sigmaringen (Hohenzollern). Sie hatte vor seiner Geburt ein Gesicht, in welchem es ihr vorkam, daß sie einen Stern im Leibe trage. Wirklich wurde ihr Sohn ein schöner, leuchtender Stern, ein herrliches Kirchenlicht der deutschen Lande. Obige Angaben über die Herkunft und die Eltern des Heiligen stützen sich zwar auf ältere Zeugnisse, sind aber nicht ganz zuverlässig. Othlonus sagt, er sei von Eltern aus edelm Geschlechte (ex ingenuis parentibus) entsprossen, was nach Sulzbeck (l. c. S. 22 Anm.) eine Geburt lediglich aus guter Familie bedeutet, ohne nothwendig den Adelsstand in sich einzuschließen. Othlonus setzt aber bei: eximia prosapia genitus d. h. aus ausgezeichnetem Geschlechte entsprossen. Dieser Ausdruck läßt seine hochadelige Abkunft doch nicht recht bezweiseln. Ebenso unbekannt ist das Jahr seiner Geburt; die Angaben schwanken zwischen den Jahren 904 und 925. Seinen ersten Unterricht in den Wissenschaften empfing er in einem Alter von etwa 7 Jahren durch einen ungenannten Geistlichen, dann im Kloster Reichenau (Othlonus, S. 028), wo er in der dortigen vortrefflichen Klosterschule an Heinrich, dem Bruder des Bischofs Poppo I. von Würzburg, einen, Freund fand. der ihn beredete, im J. 950 mit nach Würzburg und im J. 956, als er Erzbischof von Trier wurde, auch dahin mitzugehen. Zu Reichenau hat er den eigentlichen Grund [823] zu seinem nachmaligen tugendhaften Leben gelegt; hier schöpfte er aus den Vorträgen seines Lehrers seinen Glaubenseifer und besonders die Demuth, die ihn befähigte, zu Würzburg die Neckereien eines hochmüthigen Lehrers, des Italieners Stephan. dem er bei einer Disputation sich überlegen gezeigt hatte, stillschweigend zu ertragen, zu Trier alle Aemter und Würden, welche ihm angeboten wurden, auszuschlagen, und zuletzt nothgedrungen nur den Unterricht der Jünglinge an der Domschule zu übernehmen. Obwohl noch nicht Priester (Othlonus, S. 529), aß er schon um diese Zeit niemals Fleisch, trug einfache, alles Schmuckes baare Kleidung, und übte sich im Nachtwachen, Fasten und Beten. Wie es scheint, hatte er auch die zeitliche Verwaltung der Domschule zu führen; denn es heißt, er habe sich nie. mals mit dem Geiste, sondern nur körperlich mit diesen ermüdenden Geschäften (saecularibus negotiis sat implicatus) abgegeben. Daher lehrte er seine Schüler nicht bloß die Wissenschaften, sondern er unterwies sie auch im sittlichen Leben (etiam moralibus informabat disciplinis). Nach einiger Zeit drang der Erzbischof Heinrich in ihn. die Leitung eines Klosters oder einer Genossenschaft von Klerikern (clericale vel monachile coenobium) zu übernehmen. Nach längerm Zögern, das er mit seiner Unwürdigkeit entschuldigte, ließ er sich endlich zum Decan der Kleriker an der Domkirche bestellen. Er mußte nicht bloß gute Worte, sondern sogar Drohungen anwenden, bis er sie dahin brachte, gemeinschaftlich zu essen und zu schlafen, Ausgänge zu meiden, dem Studium und der Betrachtung zu obliegen, was sie bisher gar nicht gewohnt waren, weil der Ueberfluß an Leibesnahrung sie zu einem freieren, den Vergnügungen ergebenen Leben einlud. Er muß sich hiebei Feinde zugezogen haben, denn als Heinrich im J. 914 zu Rom dem Tode nahe war, schrieb er noch vor seinem Ende an den Kaiser, er möge Allen verbieten, ihm irgend ein Leid anzuthun. Die bei einigen Schriftstellern aus seinen Bemühungen gezogene Folgerung, daß unter ihm alle Geistlichen geistlich lebten und Gott herzlich dienten, ist demnach nicht geschichtlich zu begründen. Das nämliche schließen wir aus dem Umstande, daß er nach dem Hintritte seines Gönners unverzüglich wieder die Heimat aufsuchte. Nur bei dem Erzbischof Bruno von Cöln hielt er sich eine Zeit lang auf, weil er einen so frommen Mann noch selten gesehen hatte (quia eidem Brunoni episcopo similem in omni probitate raro viderit). Sein Ziel war jetzt (Othlonus, S. 530) Einsiedeln, wo damals unter dem Abte Gregorius die klösterliche Zucht am besten eingehalten wurde (propter altiorem regulae disciplinam). Er wurde Mönch (monachum professus est, heißt es bei Arnolf) und blickte noch ernster in die zweifache Liebe zu Gott und den Menschen. Hier lernte ihn, wie wir gesehen haben (oben S. 593) der hl. Bischof Ulrich von Augsburg kennen, und weihte ihn wider seinen Willen unter Berufung auf das Gelöbniß des Gehorsames, also weil der Abt es verlangte, zum Priester. Der heil. Wolfgang hatte also um diese Zeit bereits die Gelübde abgelegt. Sein Aufenthalt in Einsiedeln vom J. 960 angefangen, diente ihm, noch während er dort eine Schule einrichtete und leitete, (Sauter, K.-G. Schwabens S. 100) zur Vorbereitung auf die Missionsreisen, die er jetzt in der Sehnsucht »nach höhern Gnadengaben« (Arnolf: majora [meliora] cupiens charismata) vorhatte. Auch kamen Viele aus benachbarten Klöstern, welche er mit Erlaubniß des Abtes in der klassischen Literatur (in auctoralihus disciplinis), in den freien Künsten, und was mehr ist, im gottgefälligen Leben unterrichtete. Um das J. 971 begab er sich als Glaubensprediger mit geringer Begleitung (Arnolf: cum humili comitatu) nach Noricum und kam auf dieser Reise, beständig lehrend und predigend, bis an die Grenzen von Pannonien. Hiebei soll er, wie Einige schreiben, einmal einen so großen Eindruck bei den Zuhörern gemacht haben, daß an einem Tage 5000 die Taufe annahmen. Auf dieser Wanderung soll er ferner in dem Bezirk von Chudenitz, eine Meile von der Stadt Klattau, geprediget und eine Einsiedelei angelegt haben. Die Quellen erzählen davon nichts; unser Gewährsmann beruft sich aber auf Crugerius (gest. zu Prag im J. 1671) Diarium. Bis auf den heutigen Tag wird bei Chudenitz ein Stein gezeigt, wo man die Fußtapfen [824] des hl. Bischofes eingedrückt sieht. Es wird kaum gefehlt sein, dieses Unternehmen dadurch zu erklären, daß Bischof Piligrin (Peregrin) von Passau sich um diese Zeit nach Arbeitern in diesem fast unbebauten Felde seines ausgebreiteten Bisthumes umsah, und die Mönche von Einsiedeln durch die Absendung unsers Heiligen einem deßfalls an sie gestellten Ansuchen entsprechen wollten, obwohl die Biographie hievon keine Erwähnung macht, sondern (Othlonus, S. 531) nur seiner Abberufung durch den genannten Bischof gedenkt, weil alle für die Pflanzung des Glaubens in jenen Gegenden aufgewendete Mühe damals noch vergeblich war (cum frugem fidei inseminare frustra laboraret, a Piligrino pontifice ab incepto revocatus est opere). Auf dem Rückwege hielt sich der Heilige einige Tage (Arnolf: aliquot diebus) in Passau auf. Piligrim bevorwortete dafür ohne sein Vorwissen aus Dankbarkeit für die unternommene Mission bei Kaiser Otto II. seine Wohl zum Bischofe von Regensburg (am Ende des J. 972 und Anfang des J. 973). Er entschloß sich nach inbrünstigem Gebete (se suaque Deo commendans ex intimis sagt Arnolf) das Bisthum anzunehmen, und begab sich nach Regensburg, wo seine Wahl stattfand. Hierauf wurde er nach Frankfurt geführt. wo der Kaiser sich aufhielt, welcher ihm (per pediam episcopalem heißt es bei Arnolf, also) durch Ueberreichung des Bischofsstabes die Investitur ertheilte. Unter allgemeinem Jubel hielt er sodann seinen Einzug in Regensburg, zog zuerst in die St. Emmeramskirche, dann in die übrigen Klosterkirchen und zuletzt in den Dom (Peterskirche), wo der Erzbischof Friedrich I. von Salzburg ihm (Othlonus, S. 532) die bischöfliche Weihe gab. Seine erste Sorge als Bischof richtete der Heilige auf die Reformation der Klöster. Er sagte: »Haben wir nur einmal gute Mönche, so wird alles Uebrige in Ordnung kommen; Mönche die nach der Regel leben, sind den Engeln vergleichbar, weltlich gesinnte Mönche sind nicht besser, als Apostaten.« Er beschloß also, zunächst die alte Stiftung von St. Emmeram, über welche seit mehr als hundert Jahren die Bischöfe als Aebte gewaltet hatten, ihrer ersten Bestimmung zurückzugeben, und stellte ihr, ungeachtet die Domherren widersprachen, zwei Drittel der Güter wieder zu. Dann berief er von Trier einen strengen Mann, sein Geschwisterkind, mit Namen Ramnoldus, der früher unter dem Erzbischofe Heinrich sein Mitcaplan gewesen war, und nun im Kloster zum hl. Maximin in großen Tugenden leuchtete, und machte ihn zum Propste und nachher zum Abte von St. Emmeram. (Er steht in der Hatish. mon. I. 99 mit dem Titel selig). Dann ging er (Othlonus, S. 533) an die Restauration der Frauenklöster Ober- und Niedermünster, und wahrscheinlich zur nämlichen Zeit (Othlonus, S. 534) auch an die Verbesserung der Kanoniker. Er verordnete (disposuit). daß sie gemeinsam im Refectorium speisen, und im nämlichen Dormitorium schlafen, niemals zu ungelegenen Stunden das Kloster (claustrum) verlassen und zur festgesetzten Zeit das Stillschweigen beobachten sollten; ebenso befahl er (praecepit). daß die jüngern unter ihnen den Unterrichtsstunden fleißig beizuwohnen hätten, während er strenge darauf hielt (decrevit), daß die ältern dem Psalmensingen, den Lesungen und den Gebeten oblägen. Es verdient besonders hervorgehoben zu werden (Othlonus, S. 535), daß er sich sehr oft (frequenter) die Dictandoübungen der Schüler vorlegen ließ, um sich von ihren Fortschritten zu überzeugen, und den Bessern durch Verleihung von Beneficien die Mittel verschaffte, auch fremde Lehranstalten aufzusuchen, den Nachlässigen und Faulen aber strenge Rügen ertheilte (increpavit). Auch erbaute er (Sulzbeck. S. 133) auf eigenem bischöflichem Grunde innerhalb der Stadtmauer ein neues Frauenkloster nach der Regel des hl. Benedictus und nannte es St. Paul (Mittelmünster). Der Stiftungsbrief ist vom 29. Juni 983 datirt. Der Ruf seiner Klostereinrichtungen verbreitete sich so sehr, daß auch Herzog Heinrich II. von Bayern seine Tochter Brigitta dem Kloster Mittelmünster übergab. Daß er schon im J. 973 zu Augsburg das Begräbniß seines Freundes, des heil. Bischofes Ulrich vollzog, haben wir bei diesem Artikel schon erzählt, und wird von Sulzbeck mit Unrecht bezweifelt. Bald nach seiner Erhebung auf den bischöflichen Stuhl nahm er auch eine allgemeine Bisthumsvisitation vor, und verbreitete überall den [825] Duft der heilsamen Lehre des Evangeliums (totam perlustrans suam dioecesim cunctos salutiferae praedicationis odore aspersit). Bedenkt man, daß sein Sprengel damals noch den Donaugau, die Hälfte des Cheles- und Quinzgaues, den Westermangau, den Chamrich, die ganze böhmische Mark und ganz Böhmen umfaßte (W. W. K.-L. IX. 98), so kann man sich leicht denken, daß er hiebei sich sehr großen Anstrengungen unterziehen mußte. Dafür hatte er die Freude, daß er die Gläubigen so sehr an den Besuch des Gottesdienstes gewöhnte, daß an den festlichen Tagen kaum Wächter zu finden waren, welche zu Hause bleiben wollten. Als einmal der Teufel, um seine Rede zu stören, einen so großen Lärm in der Kirche verursachte, daß vor Schrecken Alles davon lief, stellte er durch ein kurzes Gebet Ruhe und Aufmerksamkeit sogleich wieder her. So oft nämlich der heil. Bischof predigte. war Alles Aug und Ohr, und sein Wort drang durch die Gnade des heil. Geistes so tief in die Herzen, daß die Zuhörer selten oder niemals ohne Thränen zu vergießen weggingen. Auch Arnolf sagt in andern Worten dasselbe, und setzt hinzu: »Der fromme Oberhirte wollte nur Nützliches, und was zum christlichen Leben dienlich wäre, vortragen (summopere desiderans esse utilis et aptus); wenn er von dem Streben, das Reich Gottes zu erlangen, und von der Verachtung der Eitelkeiten der Welt sprach, so redete er nicht in hochklingender und sophistischer Weise, sondern mäßigte geflissentlich die Anmuth der Sprache durch ernste Worte, aber so, daß er die Gefühle eines jeden seiner Zuhörer in einfacher und sehr gelungener Rede zu treffen verstand, und dieselben oft zu Thränen, welche die eingetretene Rührung der Herzen offenbarten, hinriß.« Er änderte aber (Othlonus, S. 536) in seiner neuen Würde nichts an seiner Lebensstrenge. Manche Nächte brachte er betend in der Kirche zu, so daß, wenn die Domherren zur Matutin kamen, der Heilige sie bereits erwartete. Wenn es nach Beendigung derselben noch nicht dämmerte, schlief er eine Zeit lang (parum) in den Kleidern. Mit wie vieler Sorgfalt, mit wie vielem Seufzen und Weinen er die heil. Geheimnisse des Leibes und Blutes Christi verrichtete, das zu beschreiben, findet sich der Biograph fast außer Stande. Die Bettler und die Armen pflegte er seine Herren und Brüder zu nennen; er zog sie an seinen Tisch, wo sie auf weichen Polstern saßen, wobei er genau Acht gab, ob sie gut bedient wurden. Wenn recht Viele kamen, fanden immer die ärmsten unter ihnen Zutritt; keiner aber durfte unbeschenkt weggehen. Daher schreibt Arnolf: »Er war von großem Ansehen bei den Bischöfen, als Kanoniker ein Beobachter der Regel, als Mönch einer der frömmsten, höher als Alle durch seine Demuth, Allen angehörend durch die Liebe, aber besonders ausgezeichnet durch Werke der Mildthätigkeit.« Die Landpfarrer (pagenses sacerdotes) besuchte er öfter und forschte sorgfältig nach, wie sie ihre Anbefohlenen tauften und lehrten; er untersuchte, wie die kirchlichen Gefäße und Gewänder, die heil. Bücher und Oele beschaffen waren, und mahnte sie oft und dringend, die Keuschheit des Wandels wohl zu bewahren. Es kam einmal vor (Othlonus, S. 537), daß gewisse Priester, weil sie keinen Wein hatten, mit Wasser oder andern Getränken die hl. Messe feierten; darüber weinte der Heilige so viel, daß man für seine Gesundheit fürchtete. Er begnügte sich jedoch nicht, den Betroffenen scharfe Verweise zu ertheilen, sondern verordnete, um die Wiederkehr solcher Uebel für die Zukunft abzuschneiden, daß jeden Monat zwölf Priester aus seinem Keller mit Wein versehen würden, welchen sie dann an andere vertheilen sollten. Besonderer Hilfe war (Othlonus, S. 538) das neu bekehrte Böhmen um so mehr bedürftig, als es seine Götzenbilder nur ungern (tepidus) weggeworfen hatte, und einen eigenen Bischof nöthig halte. Als nun Kaiser Otto I. den Heiligen um ein besonderes Bisthum für das Land bat, und das Domcapitel widersprach, sagte er die denkwürdigen Worte: »Wir sehen, daß in jenem Lande ein kostbarer Edelstein verborgen ist, den wir nicht erlangen, wenn wir nicht alle unsere Habe verkaufen. Also höret was ich sage: Ich gebe mich und alles was mir gehört freudig hin, damit die Kirche Gottes dort ausgebaut und gefestiget werden könne.« So wurde Prag ein Bischofsitz. Von seiner Herzensgüte und Liebenswürdigkeit [826] erzählt die Biographie noch folgende Züge: Einst verehrten ihm Kaufleute goldene und silberne Geschirre und Becher; er aber ließ sie mit Speisen und Getränken füllen und mit Danksagung den Gebern zurückstellen. Ein Dieb, welcher Kleider gestohlen hatte, redete sich aus, daß er aus Mangel an Kleidern habe stehlen müssen; der hl. Bischof befahl, ihn straflos zu lassen und zu kleiden, und setzte hinzu: »Stiehlt er jetzt nochmal, dann mag er bestraft werden.« Dazu kommen einige (Othlonus, S. 539) Wunder: Bei der Firmung zu Eglofsheim traf ein Bote, nachdem der hl. Bischof die Allerheiligenlitanei gebetet hatte, sein Pferd. nach welchem man früher vergeblich gesucht hatte, wieder an; dem Kleriker Buozzo machte er die kranken Augen wieder gefund; in der Nähe der St. Paulskirche zu Regensburg befreite er eine Besessene, ein Wunder, das sich später (Othlonus, S. 540) wiederholte; in Weltenburg half er dem vom Blitze getroffenen Freunde Taginus durch bloße Berührung wieder zum Leben. Hier hält die Biographie des Othlonus inne, um sogleich das selige Ende des hl. Bischofes zu erzählen, und läßt einige merkwürdige Thatsachen, welche von andern glaubwürdigen Schriftstellern berichtet werden, unberührt. Es ist vor Allem nicht zu bezweifeln, daß den Heiligen sein früheres Missionsfeld oft beschäftigt hat, und daher hat die Angabe, er habe von Regensburg aus geistliche Colonien nach den an Ungarn grenzenden österreichischen Gegenden abgeschickt, sehr viel Wahrscheinliches, und nur von daher ist hinreichend und ohne Künstelei zu erklären, warum er den Kaiser Otto II. bat, zur Abhaltung der feindlichen Anfälle der Ungarn den befestigten Ort Wieselburg anzulegen. Im J. 978 rettete er den Kaiser Otto II. und sein Heer bei Ueberschreitung des Flusses Aisne (Axona), wobei indessen auch der Graf Gottfried vom Ardennenlande erhebliche Dienste leistete. Einige Jahre früher fällt seine Einsamkeit im Salzburger Gebirge. Anlaß dazu sollen die kriegerischen Mißhelligkeiten zwischen dem Kaiser Otto II. und dem Herzoge Heinrich II. von Bayern gegeben haben. Letzterer führt bekanntlich den Beinamen »der Zänker« und strebte selbst nach der Kaiserkrone. Es gab unter diesen Umständen für den hl. Mann, der ohnedem die stille Zurückgezogenheit von der Welt am meisten liebte, um nicht in das Getriebe der Parteien hineingezogen zu werden, kein besseres Mittel, als sich auf einige Zeit von Regensburg zu entfernen. Ließ sich doch im J. 976 Herzog Heinrich II. dazu verleiten, von dem Bischofe Abraham in Freysing die deutsche Königskrone in der Kirche zu St. Emmeram anzunehmen. Fern von diesen Händeln erbaute sich also der Heilige um diese Zeit51 eine Zelle auf dem Falkenstein am Attersee (von dem Aufenthalte des Heiligen später auch St. Wolfgangssee genannt), welche noch heutzutage zu sehen ist, und lebte hier, von aller Welt abgeschlossen, in Werken der Buße und der Abtödtung. Als eines Tages, so erzählt die Legende, der ihn bedienende Laienbruder nicht mehr zurückkehrte, war er genöthiget, bewohnte Orte aufzusuchen, wobei er sich mit einem Beile den Weg bahnte. Da er nicht wußte, wo er sich niederlassen sollte, warf er nach einem kurzen Gebete von einer Anhöhe aus das Handbeil gegen den See hinunter; wo es niederfiele, da wollte er sich eine Hütte bauen. Er fand das Beil wieder weit weg von der Stelle, wo der Wurf geschehen war, an einem Felsen am Seegestade und errichtete daselbst mit Hilfe der Anwohner eine Zelle mit einem Capellchen, bis zu Regensburg die Ruhe wieder hergestellt war.52 Herzog Heinrich II., welcher von dem Kaiser Otto III. sein Herzogthum wieder zurück erhielt, wurde seit dem J. 984 ein so sanftmüthiger Fürst, daß er von jetzt an der »Friedfertige« genannt wurde. Er übergab dem heil. Wolfgang vier seiner Kinder: Heinrich, den[827] nachmaligen hl. Kaiser, Gisela, die spätere Königin von Ungarn, Bruno, den spätern Bischof von Augsburg, und Brigitta, welche wir schon als Abtissin von Mittelmünster kennen gelernt haben, zur Erziehung. Daß er bis in seine letzten Lebensjahre seines Amtes treu waltete, ersehen wir aus der Geschichte seines seligen Hinscheidens (Othlonus, S. 541). Im Jahr 994 begab er sich nämlich in die Gegend von Pagoaria (nach Pechtlarn in Unterösterreich), wo ihn ein langsames Fieber überfiel (febricitare coepit). Im Vorgefühle seines Todes traf er sogleich die nöthigen Anordnungen; seine letzte Habe schenkte er noch den Armen. Bei Puppingen (zwischen Linz und Passau) ließ er sich in das Oratorium des hl. Otmar bringen, welchen er von Jugend auf verehrt und angerufen hatte, und vor dem Altare auf den Boden niederlegen. Da wurde es mit ihm besser, so daß er sich wieder aufrichten konnte. Nun legte er seine Beichte ab, und ließ sich die Wegzehrung reichen. Den umstehenden Priestern gab er so rührende Ermahnungen, wie sie nur aus dem Herzen eines vollkommenen Mannes kommen konnten. Auch vieles Volk eilte herbei, um ihn sterben zu sehen, und der Meßner wollte deßhalb die Kirchenthüre schließen. Der Heilige gestattete es nicht, sondern sprach: »Jeder mag an unserm Tode sehen, was er bei seinem eigenen Tode fürchten und vorsehen solle. Möge Gott sich meiner erbarmen und mir armen Sünder, der ich nun sterbe, und jedem, der mich mit Furcht und Demuth sterben sieht, ein gnädiges Ende verleihen.« Nach diesen Worten gab er seinen Geist auf, am 31. Oct. des J. 994. (Baronius in seinen Noten zum Mart Hom. nennt mit großer Bestimmtheit das J. 999). Sein Begräbniß geschah mit großer Feierlichkeit. Es wurde von dem Erzbischofe Hartwicus von Salzburg im Beisein des Grafen Aribo (Arrabo), eines besondern Verehrers des Heiligen, und einer überaus großen Volksmenge am 7. Tage nach dem Tode des Heiligen vollzogen. Der Leichnam wurde zuerst in den Dom zu St. Peter, wo die Exequien gehalten wurden, hierauf in alle Klöster der Stadt geführt und zuletzt seinem Wunsche gemäß in seinen Pontificalkleidern in der St. Emmeramskirche begraben. Die Verehrung des Heiligen nahm sogleich nach seinem Hinscheiden den Anfang und hat seitdem nie mehr aufgehört. Denn zahlreiche Wunder, welche an seinem Grabe geschahen, zogen zahlreiche Wallfahrer herbei. Noch Arnolf erzählt die Heilung eines Blinden, eines Bresthaften und eines Lahmen. Nicht blos in Regensburg, sondern auch, mit Ausnahme von Passau, in allen angrenzenden Diöcesen, besonders auch in Augsburg wird sein Festtag gefeiert, und nicht bloß tragen viele Kirchen, sondern ganze Ortschaften seinen Namen, um hiedurch ihr Vertrauen auf den Schutz und die Fürbitte des heil. Bischofes zu bezeugen. Daß der nachmalige Kaiser Heinrich II. gerne an seiner Gruft betete, und einmal eine merkwürdige Erscheinung hatte, ist in unserm Werke schon erzählt. Die älteste Grabschrift lautete: PRI. KL. NOV. WOLFKANGVS EP. OB. 994; zu Deutsch: am Tage vor dem 1. Nov. starb Bischof Wolfgang im J. 994. Der hl. Papst Leo10 IX vollzog zu Regensburg im J. 1052 seine und des hl. Bischofes Erhardus Heiligsprechung, und am 7. Oct. des n. J. die erste feierliche Erhebung. Die Abteikirche St. Emmeram, welche niedergebrannt und nun wieder neu aufgebaut war, wurde von ihm bei dieser Gelegenheit geweiht. Ueber dem Sarge wurde das Bild des heil. Bischofes in liegender Stellung angebracht und mit einem eisernen Gitter überdeckt. Eine zweite Erhebung feierte im J. 1613 am 5. Mai Bischof Wolfgang II. Acht Tage lang blieb der heil. Leib in der Domkirche zur Verehrung auf dem Altare ausgestellt, worauf er am 12. des näml. Mon. in der erneuerten Gruft zu St. Emmeram wieder beigesetzt wurde. Die letzte amtliche Untersuchung des Grabes hat am 4 Dec. des J. 1839 stattgefunden. Am 6. Sept. 1840 bei Gelegenheit der eilfhundertjährigen Jubelfeier des Bisthumes wurde der heil. Leib neuerdings mit großer Feierlichkeit in den Dom getragen und zur Verehrung ausgestellt, und befindet sich jetzt seit beendeter Jubelfeier in der Wolfgangsgruft bei St. Emmeram auf (nicht mehr wie früher unter) dem Altare. In der Sacristei bei St. Emmeram werden noch die Insul, das Meßgewand und der Hirtenstab des heiligen [828] Wolfgang aufbewahrt. In der St. Paulskirche verehrte man einen Finger des Heiligen; ebendaselbst befand sich ein von demselben benedicirtes Glöcklein, das gegen Ungewitter geläutet wurde. Ebenso werden zu St. Wolfgang am Attersee einige Reliquien des heil. Bischofes verehrt. Hier steht auch eine schöne und große Kirche zu seiner Ehre. Auch bei Chucknitz in Böhmen steht eine St. Wolfgangscapelle, zu welcher seit alter Zeit viel gewallfahrtet wurde. Der dortigen Quelle schreibt man heilende Kraft zu und leitet dieselbe gleichfalls von den Zeiten des hl. Wolfgang her. Daß die Böhmen ihn zu ihren Patronen zählen (Rad. Bav. S.) ist selbstverständlich. Bei Hack (Bilderkreis) finden wir angemerkt, daß die Hilfe des Heiligen vorzüglich gegen den Schlagfluß angerufen werde. Die St. Otmarscapelle zu Pupping, in welcher der Heilige gestorben war, wurde bald ein Anziehungspunkt vieler frommer Pilger und Wallfahrer, welche daselbst die Gnadenerweisungen des Himmels erfuhren. Seit dem J. 1476 stand daselbst eine zu Ehren der hhl. Otmar und Wolfgang erbaute große und schöne Kirche mit einem Franciscanerkloster. Dasselbe wurde im J. 1784 aufgehoben, und im J. 1801 sammt der Kirche abgebrochen. Jetzt steht wieder ein neues schönes Kirchlein mit Kloster an dieser Stelle; am 25. August 1879 wurde daselbst wieder der erste feierliche Gottesdienst gehalten. (Siehe St. Francisci-Glöcklein, Innsbr. 1879 S. 57). Sein Fest wird im Bisthume Regensburg am 31. Oct. mit Octave gefeiert, wobei das Kirchengebet dem zu Ehren der heil. Kirchenlehrer gebräuchlichen gleich ist; die Translationsfeier wird am 7. Oct. begangen. Das Kirchengebet an diesem Tage lautet: »Verleihe uns, o Herr, daß wir in feierlicher Begehung der Uebertragung deines heil. Bischofes Wolfgang, unsers Vaters, so wie wir ihn aufs andächtigste verehren, ebenso auch seine Handlungen getreulich nachahmen.« Auch schriftliche Arbeiten des Heiligen sind (Sulzbeck, S. 38 Anm.) der Nachwelt überliefert worden, nämlich eine fromme Umschreibung des 50. Psalmes und andächtige Gebete, über denselben. Sulzbeck hat von letzteren eine deutsche Uebersetzung geliefert, nachdem erstere durch Pez (thes. anecdot. I. 13–20) dem Drucke übergeben worden sind. Das Werkchen von Sulzbeck hat durch diese »Zugabe« so an Werth gewonnen, daß es schon dieser wegen die weiteste Verbreitung verdient. Wir bedauern nur, daß der lateinische Text nicht beigegeben ist. Der Heilige hat sich in dem kurzen, aber körnigen Gebete so treffend selbst geschildert, wie es kaum die beste Feder zu thun vermag. Man steht in demselben seinen Glauben und seine Buße, sein ernstes, kräftiges Streben nach Vollkommenheit unter dem Beistande der göttlichen Gnade, seine innige Gottesliebe und Andacht, mit einem Worte: den vollendeten Heiligen. Auf Bildnissen wird er (Rambeck, IV. 246) als Benedictiner mit den bischöflichen Insignien dargestellt; in der Linken trägt er meistens eine einthürmige Kirche, in der Rechten manchmal ein Zimmermannsbeil, in Erinnerung an sein Einsiedlerleben, wo er sich seine Zelle selbst zimmerte53. Ebenso findet er sich öfter abgebildet, wie er seinem Zöglinge, dem hl. Kaiser Heinrich II. erscheint, wobei die Worte: Post sex zu sehen sind, oder wie er in einer Clause betet, in welchem Falle das Beil auf dem Dache des Kirchleins im Hintergrunde angebracht ist. Manchmal ruht (wohl nur eine Anspielung auf seinen Namen) ein Wolf zu seinen Füßen.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 822-829.
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