Dampfmaschine

[276] Dampfmaschine, nennt man jede Maschine, bei der die Spannkraft des Wasserdampfes als bewegende Kraft benutzt wird. Die hohe weltgeschichtliche Bedeutung der Erfindung der D., ihr mächtiger Einfluß auf das industrielle und sociale Leben hat unsere Zeit bereits erkannt, wie weit aber die Wirkungen dieser Erfindung in einer spätern Zeit durch Umgestaltung aller Verhältnisse gehen werden, liegt jetzt noch außer der Berechnung. Mit der Wirkung des Dampfes wurden schon frühe Versuche gemacht, so von Hero von Alexandrien 120 v. Chr., dem Spanier Blasco de Garay 1543, de Caus 1615, dem Italiener Branca 1629; sie kannten und benützten aber nicht die Spannkraft, sondern den Stoß des ausströmenden Dampfes. Die eigentliche Wirkung des Dampfes hat zuerst Papin durch das Ventil an dem nach ihm benannten Papinianischen Topf nachgewiesen, auch setzte er bereits durch Dampf einen Kolben in einem Cylinder in Bewegung, was der eigentliche Kern der Erfindung ist. Die erste Ausführung einer praktisch anwendbaren D. ist von dem Capitän Savery 1698. Eine wesentliche Verbesserung erhielt seine Maschine durch den Schmied Thomas Newcomen, sowie durch mehrere Deutsche, bis endlich mit Watt und Boulton 1769 eine neue Periode beginnt. – Nachdem einmal die Spannkraft des Dampfes bekannt war, so war die nächste Aufgabe die Auffindung einer passenden Art und Weise, diese Spannkraft in Wirkung treten zu lassen. Diese Aufgabe wurde gelöst durch die Anwendung des Kolbensystems, des passendsten, noch jetzt in allen D.n gebräuchlichen. Das Wesentlichste dabei ist, daß in einem hohlen Cylinder ein luftdicht an die Wandungen anschließender Kolben durch den Dampf auf und nieder bewegt wird; die Bewegung des Kolbens wird durch eine mit ihm verbundene Stange auf andere Theile der Maschine übergetragen bis zuletzt auf diejenigen Theile, deren Bewegung der eigentliche Zweck des Mechanismus ist. Die Einwirkung des Dampfes auf den Kolben ist in den verschiedenen Maschinen verschieden; entweder wirkt auf denselben abwechselnd mit dem Dampf zugleich der Druck der Atmosphäre (atmosphärische D.), oder es wirkt der Dampf allein. Im ersteren Fall bewegt sich der Kolben in einem oben offenen Cylinder. Von einem Dampfkessel führt ein Rohr zum unteren Ende des Cylinders, eine in dem Rohr angebrachte Vorrichtung, Hahn, Schieber etc. (die Steuerung genannt) hält je nach ihrer Stellung den Weg vom Kessel zum Cylinder offen oder sperrt ihn ab. Befindet sich der Kolben unten im Cylinder, und ist die Steuerungsvorrichtung offen, [276] so dringt der Dampf in den Cylinder, drückt gegen die untere Fläche des Kolbens und treibt ihn in die Höhe. Ist der Kolben oben, so wird die Steuerung geschlossen (die Dampfleitung abgesperrt); zu gleicher Zeit wird aus einem seitwärts angebrachten Gefäß (dem Condensator) kaltes Wasser in den Cylinder gespritzt, der dadurch abgekühlte Dampf verdichtet sich zu Wasser, es entsteht so unterhalb des Kolbens ein luftleerer Raum, und der Druck der Atmosphäre auf die obere Fläche des Kolbens drückt nun diesen nieder. Ist derselbe unten angekommen, so öffnet sich die Steuerungsvorrichtung und das Spiel beginnt von Neuem. Da hier Dämpfe von höherer Spannkraft angewendet werden müssen zur Ueberwindung des atmosphärischen Druckes, so nannte man sie Hochdruckmaschinen. – Bei den Maschinen zweiter Art, wo der Dampf allein auf den Kolben wirkt, ist der Cylinder oben u. unten geschlossen, im oberen Deckel befindet sich eine mit einer Stopfbüchse versehene Oeffnung zum Durchgang der mit dem Kolben verbundenen Stange, welche luftdicht durch dieselbe auf- und niedergeht. Zur Seite des Cylinders ist ein zweiter Cylinder (der Steuerungscylinder) angebracht, in dem sich die Steuerungsvorrichtung befindet, und in welchen aus dem vom Dampfkessel kommenden Rohre zunächst der Dampf strömt. Aus diesem Steuerungscylinder führen zwei Kanäle, der eine zum oberen, der andere zum unteren Theile des Hauptcylinders, durch welche der Dampf abwechselnd nach oben und nach unten strömt, vermittelt durch die Steuerung (hier gewöhnlich ein Schieber), die zugleich mit dem Kolben auf- und niedergeht, und den nach oben gehenden Kanal verschließt, während sie den unteren öffnet und umgekehrt. Ist der Kolben oben im Cylinder angekommen, so öffnet sich der nach oben führende Kanal, und der jetzt dahin strömende Dampf drückt den Kolben wieder nieder, umgekehrt in der unteren Stellung des Kolbens. Die nöthige Entfernung des Dampfes unter dem Kolben in der ersten Stellung desselben (welcher Dampf dem oben einströmenden das Gleichgewicht halten würde), sowie des über dem Kolben befindlichen in der zweiten Stellung geschieht auf zweierlei Weise, entweder durch Entweichen desselben durch eine eigene, ab u. zu sich öffnende u. schließende Röhre in die Luft (diese Maschinen gehören noch zu den Hochdruckmaschinen), oder durch Verdichtung vermittelst des Condensators. Diese letzteren Maschinen heißen Niederdruckmaschinen, indem bei ihnen ein Druck der Atmosphäre auf den Kolben nicht stattfindet, und so ein Dampf von geringerer Spannung angewendet wird. – Die Bewegung des Kolbens wird mittelst der Kolbenstange gewöhnlich zunächst auf einen Wagebalken (Balancier) übertragen, von diesem dann auf fernere Theile der Maschine. Die Umänderung der auf- und niedergehenden Bewegung in eine rotirende wird durch Anwendung der Kurbel bewirkt. Bei der oscillirenden D. bewegen sich die Dampfcylinder um Zapfen, durch welche der Dampfzufluß stattfindet; die Kolbenstange ist hier zu gleich die Lenkstange, welche in den Krummzapfen der Schwungradswelle greift und ihre Bewegung mitmachen kann, da der bewegliche Cylinder derselben zu folgen im Stande ist. – Die Construction der ganzen Maschine ist durch das Ineinandergreifen der vielen einzelnen Theile, die Genauigkeit in ihren gegenseitigen Bewegungen und die höchst sinnreiche Art, wie jeder derselben seine Aufgabe erfüllt, eine eben so kunstvolle als complicirte. Wir nennen davon den Apparat zur Dampferzeugung mit Sicherheitsventil und Dampfmesser, die Vorrichtung zur Bewegung der Steuerung, sowie zum Spiel des Condensators, die mit letzterem verbundene Luftpumpe zur Entfernung des aus dem condensirten Dampf gebildeten Wassers, die Pumpvorrichtungen, den Regulator, der nach Bedarf mehr oder weniger Dampf in den Cylinder läßt und so Gleichförmigkeit im Gang der Maschine erhält. – Die D.n dienen zum Treiben der mannigfaltigsten Maschinen, so zu Pumpwerken, Präge-, Druck-, Spinnmaschinen, Mühlen, Schiffen, Fuhrwerken etc. Die Stärke ihrer Wirkung wird [277] nach Pferdekräften bestimmt. – Lardner »die Dampfmaschine« aus dem Engl. 1834, 4. Aufl.; Bernoulli »die Dampfmaschinenlehre« 1843.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 276-278.
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