Gudrun

[180] Gudrun, Name eines Heldengedichtes, welches etwa im 13. Jahrh. aus uralten Volksliedern entstand, dem Sagenkreis der Nordsee mit ihren Seekönigen und Raubfahrten angehört, durch Kaiser Max I. im Schloß Ambras im Tyrol erhalten u. 1817 zum erstenmal untersucht wurde. Man fand darin die »Nebensonne der Nibelungen«, letztern ebenbürtig durch echtepischen Ton, denselben jedoch überlegen durch feste, sichere Charakteristik, größern Gedanken- und Sprachreichthum u. durch den Ausgang, indem sittl. Schönheit und Würde über das Schicksal siegen. Die Liebes- und Leidensgeschichten dreier Generationen werden in 32 Abenteuern erzählt; die Heldin G. selbst ist das Ideal eines altdeutschen, durch das Christenthum veredelten Frauencharakters, um sie reihen sich vortreffl. gezeichnet Hagen u. Hilde, der Stormarnkönig Horant, Frute und Wate, Hettel, der König von Hegelingen (Friesland), G.s Räuber Hartmuth, ihre Retter Bruder Ortwin und Herwig. – Bearbeitung von A. Keller im Versmaße des Originals, die beste von W. von Plönnies, Leipzig 1853.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 180.
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