Ludwig Philipp I.

[40] Ludwig Philipp I., König der Franzosen, geb. 6. Oct. 1773 zu Paris, ältester Sohn des Herzogs L.P. Joseph von Orleans, hieß zuerst Herzog von Valois, dann von Chartres, nach dem Tode seines Vaters Herzog von Orleans. Er schloß sich als seines Vaters Sohn der Revolution an, trat in den Jakobinerclub und in die Nationalgarde, focht als General bei Valmy u. Jemappes, entfloh am 4. April 1793 mit Dumouriez über die franz. Gränze. Er ging hierauf in die Schweiz, lebte einige Zeit in Zug, 8 Monate in einem Erziehungsinstitute im Schlosse Reichenau (Graubünden) unter dem Namen Chabot als Lehrer, bereiste dann die skandinavischen Länder u. lebte ziemlich dürftig in Hamburg. Als das Directorium für die Freilassung seiner Mutter und Geschwister die Bedingung stellte, daß er Europa verlasse, ging er 1796 nach Nordamerika. Von 1800–1808 lebte er in England, ging 1809 nach Palermo, wo er die königl. Prinzessin Amalie heirathete. Bei der Erhebung der span. Nation suchte er vergebens um ein Commando gegen Napoleon nach, kehrte 1814 zurück, bemühte sich 1815 vergeblich gegen Napoleon einen Widerstand zu organisiren u. blieb bis 1816 in England, weil er L. XVIII. verdächtig war. Später hielt er sich der Ultrapartei fern, unterstützte Künstler u. Gelehrte, schickte seine Söhne in die öffentlichen Unterrichtsanstalten etc. Daß er gegen die ältere Dynastie intriguirt habe, wie vielfach behauptet wird, ist durchaus unerwiesen. Ueber die Julirevolution u. seine Regierung s. Bd. II. S 770 ff. Am 24. Febr. 1848 verließ er Paris heimlich, hielt sich verkleidet und verborgen an der Küste der Normandie auf, bis ihn am 3. März der brit. Dampfer Expreß nach England abholte. Er lebte als Graf von Neuilly in dem Schlosse des belg. Königs, Claremont, wo er d. 26. Aug. 1850 st. (Montalivet, le roi L.P., Paris 1851; Lemoine, Abdication du roi L.P. racontée par lui même, Paris 1851).

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 40.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: