Erinnerung

[186] Erinnerung ist nach der Auffassung der vulgären und der Vermögenspsychologie die Fähigkeit des Geistes, Vorstellungen, die früher einmal in der Seele gewesen sind, zu[186] erneuern und wiederzuerkennen, ohne daß der Gegenstand selbst in Wirklichkeit vor unsere Sinne tritt. Vom Gedächtnis unterscheidet sich die Erinnerung dadurch, daß jenes die Fähigkeit zur unwillkürlichen, unmittelbaren, diese die Fähigkeit zur absichtlichen, mittelbaren Reproduktion und Wiedererkennung früherer Vorstellungen, jenes mehr passiv, diese mehr aktiv ist. Was die Erinnerung reproduziert, bringt sie als persönliches Erlebnis, während das Gedächtnis Fremdes bewahrt. Schon Platon und Aristoteles machten diesen Unterschied (mnêmê und anamnêsis) – Die Erinnerungsvorgänge gehören nach Wundt (Grundr. d. Psychol. § 16 S. 293ff.) zu den sukzessiven Assoziationen; ihre Vorstufen sind die gewöhnliche simultane Assoziation und der simultane und der sukzessive Wiedererkennungsvorgang. Vgl. Assoziation, Reproduktion, Gedächtnis. Jean Paul, Levana §141ff., F. Kirchner, ü. d. Gedächnis. Berlin 1891.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 186-187.
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