[195] Eudämonismus (gr. eudaimonismos) ist diejenige Richtung in der Ethik, welche die Glückseligkeit zum letzten Ziel alles Strebens, zum Maßstab des Guten und Schlechten, mithin zum Moralprinzip macht. Eudämonist heißt ein Anhänger dieser Ansicht. Da aber das Glück in sehr verschiedenen Dingen gesucht werden kann, so unterscheidet man gröberen und feineren Eudämonismus, und da als Ziel des Handelns nicht nur das eigene Wohlbefinden, sondern auch das des Mitmenschen gelten kann, so zweigt sich vom Eudämonismus als besondere Richtung der Utilitarismus (s. d.) ab. Der gröbere Eudämonismus, auch Hedonismus (Lustlehre) genannt, hält den Sinnengenuß für das Höchste; dieser Ansicht huldigten der Cyrenaiker Aristippos, ein Teil der Epikureer und einige Encyklopädisten, wie Helvetius, Holbach usw. Der feinere Eudämonismus sucht das Glück in der Beschäftigung mit Kunst und Wissenschaft, in Schmerzlosigkeit, Reisen, Macht und Ehre. Dieser wird durch Demokritos, Aristoteles, Epikuros, Leibniz, Strauß und auch andere vertreten. – Der Eudämonismus hat darin recht, daß er als Tatsache annimmt, daß der Mensch nach Glückseligkeit strebe und daß ein Motiv unseres Wollens die Lust sei. Aber zum ethischen Grundprinzip eignet sich das eudämonistische nicht, weil es das Ethische viel zu eng[195] und zu individualistisch bestimmt. Kant verwarf daher jedes ethische Prinzip, das Rücksicht auf unser Glück nimmt, und forderte, man solle den Begriff des Guten nur aus dem Pflichtbegriff ableiten. Aber seine Stellung war eine Konsequenz seines Formalismus in der praktischen Philosophie und zwang ihn, bei einem nur die Form des Wollens bestimmenden Sittengesetze stehen zu bleiben. Er spricht es selbst klar aus, daß alle materialen praktischen Prinzipien unter das allgemeine Prinzip der Selbstliebe oder der eigenen Glückseligkeit gehören (Krit. d. prakt. V. I, 1 §3, S. 40). Edm. Pfleiderer, Eudämonismus und Egoismus. Leipzig 1880.