[224] Geiz, die Ausartung der Sparsamkeit, ist das übertriebene Streben nach Gutem, welches, Zweck und Mittel verwechselnd, den Besitz nur um des Besitzes willen begehrt, nicht, um für sich oder andere daraus Nutzen zu ziehen. Der Geizhals selbst genießt nichts von seinem Besitz; er genießt höchstens in der Einbildung, nie in Wirklichkeit, was ihm sein Geld verschaffen könnte. In der Sucht, sich die Mittel für ein frohes Leben zu sammeln, verabsäumt er, das Leben zu nutzen. Dieses völlige Zurücktreten des Zweckbegehrens hinter das Begehren des Mittels tritt am leichtesten gegenüber dem Gelde, dem Allmittel, auf. Leidenschaften schützen bis zu einem gewissen[224] Grade vor dem Geize oder heilen davon. Darum ist die Jugend seltener geizig; dagegen disponiert das Alter, das durch ein langes Leben den Wert des Geldes erkannt hat, mehr zum Geize. Vgl. Molière, »L'Avare«.