Leere

[325] Leere nennt man einen Raum ohne einen ihn erfüllenden Stoff. Von den alten Philosophen nahmen die Atomisten Leukippos (um 470), Demokritos (geb. um 460), Epikuros (geb. 341 v. Chr.), Lucretius (98-65) die Existenz solcher leeren Räume, die der Mathematiker durch Abstraktion aus den erfüllten Erfahrungsräumen gewinnt, in der Wirklichkeit an. Sie setzten als Grundbestandteile der Dinge das Volle. (plêres, naston) und das Leere (kenon, manon) an. Für die Annahme des letzteren beriefen sie sich auf die Bewegung, die Verdünnung und Verdichtung, das Wachstum und die Möglichkeit, in ein mit Asche gefülltes Gefäß noch Wasser gießen zu können, ohne daß dieses überlaufe (Arist. Met. I, 4, p. 985 b 4; Phys. IV, 6, p. 213 a 35). – Ob es in Wahrheit leere Räume gebe, ist fraglich. Die Bewegung des Lichtes, die Verzögerung der Kometenbewegung usw. scheint zu beweisen, daß auch der Weltenraum nicht leer ist. Der Plerotismus oder Kontinuismus leugnet das Leere, und schon Aristoteles (384-322) hat den Begriff des Leeren verworfen. Aber logisch steht der Annahme des Leeren nichts im Wege, und die Fernkraft spricht gegen den Plerotismus.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 325.
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