[461] Projektion (lat. proieotio = Hinausverlegung, v. proiicio = hinwerfen) nennt man in der Mathematik die Abbildung eines Raumgebildes auf einer ebenen oder krummen Fläche durch gerade Linien, die entweder von einem Zentrum aus (Zentralprojektion) oder, indem dieses Zentrum ins Unendliche verlegt wird, parallel gezogen werden (Parallelprojektion). Jedem Punkt des Gebildes entspricht dann ein Punkt seiner Projektion, und aus der Projektion lassen sich Lage, Gestalt, Größe und gegenseitige Beziehungen der projizierten Gegenstände rechnerisch bestimmen (deskriptive Geometrie). – Projektion der Empfindung heißt in der Psychologie die Hinausverlegung derselben in die Außenwelt, deren Folge ist, daß wir sie nicht für einen subjektiven Vorgang, sondern für einen objektiven Gegenstand und Vorgang halten. So wird zunächst die Druckempfindung nach außen als Leib, die Muskel- und Tastempfindung als Außending projiziert. Dies erhellt z.B. aus der Tatsache, daß ein Glied, das infolge abnormer Einwirkung die Druckempfindung verliert, uns alsbald als etwas Fremdes, zur Außenwelt Gehöriges erscheint. Auch die Empfindungen der anderen Sinne werden projiziert, freilich erst mit Hilfe des Tastsinns, und so, daß das Gesicht wieder das Gehör leitet. Betonte Empfindungen werden nach dem Grade ihrer Betonung lokalisiert, unbetonte im Verhältnisse der Bestimmtheit ihres Inhalts projiziert. Betastet man ein Objekt mit einem Stabe, so wird die Tastqualität vor das Ende des Stabes projiziert. Bei Berührung projiziert das nervenreichere Glied seine Empfindung auf das nervenärmere, das bewegte auf das unbewegte, das frische auf das ermüdete. Neugeborene projizieren[461] noch nicht; denn sie schließen weder die Augen vor dem sich nähernden Gegenstand, noch wenden sie ihm das Ohr zu. Ebensowenig projiziert der Erwachsene im Halbbewußtsein. Das Projizieren auch der Traumbilder nach außen beweist, daß es überhaupt ein rein psychischer Vorgang ist. Vgl. W. Volkmann, Psychol. II, 127 f. 3. Aufl. 1885.