Sorites

[585] Sorites (gr. sôreitês = Häufelschluß von sôros = Haufe) heißt ein gehäufter Schluß oder Kettenschluß. Er entsteht durch enthymematische (s. Enthymem) Abkürzung mehrerer Schlüsse, deren Unter- beziehungsweise Ober- und Schlußsätze fortgelassen werden. Der Sorites hat also entweder 1. den Ober- und [585] Untersatz des ersten Syllogismus, 2. die Obersätze sämtlicher anderer Syllogismen und 3. den Schlußsatz des letzten; oder er hat 1. den Ober- und Untersatz des ersten Syllogismus, 2. den Untersatz aller anderen Syllogismen und 3. den Schlußsatz des letzten. Der erste heißt der aristotelische, der zweite der goklenische (K. Goklenius, 1547-1628); jener läßt denjenigen Schlußsatz fort, der im jedesmal folgenden Schlüsse Untersatz, dieser den, der Obersatz wird. Jener ist regressiv, dieser progressiv. Der Schluß ist für

den aristotelischen:

S ist M[1] (Untersatz)

M[1] – M[2] (Obersatz)

M[2] – M[3] (Obersatz) usw.

M[n-1] – M[n] (Obersatz)

M[n] – P (Obersatz)

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SP (Schlußsatz)

den goklenischen:

M[n] ist P (Obersatz)

M[n-1] – M[n] (Untersatz) usw.

M[2] – M[3] (Untersatz)

M[1] – M[2] (Untersatz)

SM[1] (Untersatz)

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SP (Schlußsatz)

Jeder Sorites kann leicht zerlegt werden. Seine Schlußkraft beruht auf dem ununterbrochenen Zusammenhang seiner Unter- oder Überordnungen; daher müssen alle Zwischenglieder allgemein bejahend sein; sonst entsteht ein Sprung (saltus in concludendo). Ein Beispiel für den aristotelischen Sorites hat Aristot. Poetik 6: Das Handeln ist das, worin Glückseligkeit liegt; das, worin diese liegt, ist das Ziel; das Ziel ist das Höchste – also ist das Handeln das Höchste. (Aristoteles meint: das Höchste von den Bestandteilen des Dramas, Handlung, Charaktere, Gedanken). Ein Beispiel für den goklenischen ist: Wer ein Wesen als wirklich annimmt, leugnet nicht alles; wer an sich selbst glaubt, nimmt ein Wesen als wirklich an; jeder Skeptiker glaubt an sich selbst – folglich leugnet kein Skeptiker alles. (Siehe Überweg, System der Logik, § 125.)

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 585-586.
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