Sorītes

[308] Sorītes (gr.), 1) so v.w. Acervus 2); 2) Kettenschluß, Schluß, der aus mehrern enthymematisch abgekürzten u. so mit einander verbundenen Schlüssen besteht; daß sie alle einen gemeinschaftlichen Schlußsatz enthalten. A) Von den kategorischen Soriten sind zweierlei zu unterscheiden: a) der ordentliche (S. ordinarius) od. gemeine S., Aristotelische (weil er schon von Aristoteles aufgestellt wurde); in diesen werden die Untersätze u. die Schlußsätze der einzelnen Schlüsse weggelassen, außer dem ersten Untersatz, mit welchem man anfängt, u. dem letzten Schlußsatz, mit welchem man schließt; die Obersätze folgen der Reihe nach so, daß das Prädicat des vorhergehenden das Subject des folgenden wird; im Schlußsatz endlich wird das erste Subject mit dem letzten Prädicat verbunden; z.B. N. läßt sich von den Leidenschaften[308] beherrschen; wer sich von seinen Leidenschaften beherrschen läßt, zerstört seine Gesundheit auf unmoralische Weise; wer seine Gesundheit auf unmoralische Weise zerstört, verkürzt sein Leben pflichtwidrig; wer sein Leben pflichtwidrig verkürzt, der ist ein Selbstmörder; also ist N. ein Selbstmörder. b) der umgekehrte (S. inversus), Goclenianische (zuerst von Goclenius aufgestellt), in diesem werden die Obersätze weggelassen; das Subject des vorhergehenden Satzes wird das Prädicat im folgenden u. im Schlußsatz wird das letzte Subject mit dem ersten Prädicat verbunden: z.B. wer sein Leben pflichtwidrig verkürzt, ist ein Selbstmörder; wer seine Gesundheit auf unmoralische Weise zerstört, verkürzt sein Leben pflichtwidrig; wer sich von Leidenschaften beherrschen läßt, zerstört seine Gesundheit auf unmoralische Weise; N. läßt sich von seinen Leidenschaften beherrschen, also ist N. ein Selbstmörder. B) Außer den kategorischen kann es auch hypothetische S-n geben, z.B. wenn Alles nach dem Schicksal geschieht, so geschieht es nach Ursachen; wenn dies ist, so geschieht Alles nach natürlicher Verbindung; wenn dies ist, so wirkt die Nothwendigkeit Alles; wenn dies ist, so steht es nicht in unserer Macht: aber nun steht Manches in unserer Macht; also geschieht nicht Alles nach dem Schicksal. Die Gültigkeit eines S. hängt wesentlich davon ab, daß je zwei folgende Glieder immer einen Begriff mit einander gemein haben, also von der Continuität seiner Mittelbegriffe; um von daher zu prüfen, muß man die S. zu einer regelmäßigen Schlußkette ergänzen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 308-309.
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