[274] ideal (französisch idéal) heißt 1. das der Idee, dem Musterbilde entsprechende Einzelne, 2. das Nichtwirkliche im Gegensatz zum Realen; in letzterer Bedeutung gebraucht man auch die Form ideell; der ersteren Bedeutung entsprechend gibt es so viel Ideales oder soviel Ideale (Musterbilder), als Gebiete menschlicher Tätigkeit vorhanden sind: Die Wissenschaft z.B. strebt nach dem Ideal, der Erkenntnis. Die Ethik zeichnet Ideale der Vollkommenheit, die Kunst strebt den Idealen der Schönheit zu. Und insofern manche Menschen diesen Idealen nahe gekommen sind, bezeichnet man sie selbst oder ihre Werke als Ideale. So nennt man den Apollon von Belvedere, Phidias Zenskopf, Rafaela Sixtina, Goethes »Hermann und Dorothea« Kunstideale, weil sie die Idee mustergültig zur Darstellung bringen. Das wahre Ideal wird zur adäquaten Darstellung der Idee in einem Individuum (W. v. Humboldt über Goethes »Hermann und Dorothea«, 1798). Auch der einzelne Mensch hat Ideale, d.h. höchste Ziele oder Musterbilder seines Strebens; das sind entweder historische Personen, wie Achilleus für Alexander, Cäsar für Napoleon I., oder frei von der Phantasie entworfene Bilder. Psychologisch richten sich die Ideale der Menschen nach ihrer Geistesbildung. Wie Einzelne, so haben auch ganze Zeiten und Völker ihre Ideale. – Idealisieren heißt ein Wirkliches einer Idee gemäß gestalten, also verklären. Der echte Künstler ahmt[274] die Natur nicht einfach nach, sondern idealisiert sie. Vgl. Schillers Gedicht: Die Ideale.