Anno 1709
§ 102

[250] Dieses 1709te Jahr gehört auch unter die merkwürdigsten meines Lebens, insonderheit, was das Ende desselben anbetrifft. Es kann mit dem 1695. 1704. 1717. 1728. und 1736sten verglichen, und denselben, was den merkwürdigen Zustand meines Leibes und Gemütes anbetrifft, in welchem ich mich befunden, an die Seite gesetzet werden. Anno 1695 stund ich Sünden-Angst, Anno 1704 Höllen-Angst, und in diesem 1709ten Jahre habe ich vom andern [zweiten] Advent an bis Oculi [3. Fastensonntag] 1710 Todes-Angst ausgestanden. Gott warf mich dem Tode in Rachen, da er mich vor 5 Jahren dem Satan aus seinen Klauen gerissen hatte. Oder er ließ mich doch bei einer anwandelnden[250] abzehrenden Krankheit auf die Gedanken geraten, daß ich unfehlbar in kurzem sterben würde. Ich war in meinem Leben noch niemals krank gewesen. Im 13den und 16den Jahre hatte ich etwan auf ein paar Wochen das Fieber gehabt, so ich aber durch Fasten gar bald vertrieben. Und das war alles. Wenn man nicht Krankheiten unterworfen ist, so denket man nicht sonderlich an seinen Leib, noch an die Mittel, seine Gesundheit zu erhalten. Philosophie hatte ich wohl studiret, und schon ein und das andere mal auch andern einen Cursum Philosophicum gelesen; die Oeconomie unsers Leibes aber hatte ich sehr schlecht inne. Vielleicht ist es ein Stück der Weisheit Gottes, daß wir Menschen öfters, wenn wir auch schon viel andere Dinge gelernet, in großer Unwissenheit, was unsern Leib anbetrifft, liegen und stecken bleiben, damit wir hernach durch Krankheiten desto besser und länger können geprüfet und geübet, und dadurch viel Gutes in uns könne gewürket werden. Hätte ich damals das Erkenntnis von meinem Leibe gehabt, das ich jetzund habe, in einer Woche hätte ich mir helfen, und aller Sorge, Furcht, und Geld-Unkosten überhoben sein wollen. Aber so sollte ich sterben lernen, und durch Einbildung eines bevorstehenden Todes mein Herz erforschen, meinen Zustand prüfen, mir selbst noch mehr bekannt werden, und eine rechte Zubereitung auf den Tod anstellen. Das tat ich auch, und habe noch beinahe ein ganz Buch, in welches ich zusammen getragen und colligiret, wodurch ich mich wider das Schrecken des Todes damals zu schützen suchte.

Nämlich um das Ende des Sommers bekam ich ganz niederträchtige [verzagte] und kleinmütige Gedanken. So viel Applausum ich auch schon hatte, wenn ich predigte, so wollte mich doch niemand vociren [berufen]. Ich verdiente zwar schön Geld mit den Collegiis, aber, dachte ich, wie wirds aussehen, wenn du wirst älter und schwächer werden? denn die vielen Collegia hatten mich schon ziemlich abgemattet. Ich war also schlüssig, mich ins Johannis-Spital zu kaufen, und wenn ich am Alter zu, und an Kräften noch mehr abnehmen sollte, die Collegia ganz aufzugeben, und den Rest meines Lebens zur Zubereitung auf den Tod anzuwenden. Inzwischen sann ich auf Mittel, meine Gesundheit zu vermehren, und meinen Leib zu stärken, dessen Kräfte mir sehr schwach zu sein, und abgenommen zu haben schienen. Wo ich speisete, fieng einer, mit Namen Täubenfüßer, den ich jetzt noch zuweilen auf der Gassen gehen sehe, von Blutreinigungen an zu reden, und gab vor, es wäre keine bessere Blutreinigung, als wenn man eine Zeit lang von purem Sassefras,[251] wie von Thée tränke. Ich resolvirte alsbald solche Kur zu gebrauchen, soff ganze Kannen Wasser mit Sassefras aus; es währte aber kaum 4 oder 5 Tage, so merkte ich, daß mich die Hitze dieses Holzes ausgetrocknet, und den Leib verstopfet hatte. Ich schritt also wieder zum ordentlichen Thée, den wir aber damals, von Bontekoe und andern Exempeln, welche dieses Getränke in großem Maße zu brauchen geraten, und bis in Himmel erhoben, eingenommen, zu anderthalb Kannen auf einmal, und dies bis 10 und 11 Uhr Vormittag in Leib schütteten, und darauf nicht nur von großem Hunger zu unmäßigem Essen, insonderheit zu Braten und Salat, sondern auch zum Aquavit verleitet worden, den durch das viele Wasser erkalteten und aufstoßenden Magen wieder zu erwärmen. Krahns Branntewein schien mir noch zu schwach zu sein, die Ructus [Aufstoßen] zu dämpfen; Herr Gehr beredete mich, daß ich mir abgezogenen [destillierten] Branntewein von Burditz bringen ließe, welcher aber wie pures Feuer brennte, so daß ich dessen mich kaum 2 Wochen bedienet hatte, als ich schon merkte, daß er mich auf der rechten Lunge brennte, und ich mich beim Schlafengehen auf die linke Seite zu legen gezwungen wurde. Wir hatten einen recht ungesunden Herbst, der mit lauter Regen und Winden bis in Advent anhielt; und doch ließ ich mich verleiten, auf die Kirmes nach Taucha zu gehen bei höchst ungesundem, und stürmendem Regen-Wetter. Wiewohl das Wetter mir eben so viel nicht würde geschadet haben, wenn ich nur nicht durch überflüssiges Essen und Trinken, zu welchem man auf Kirmessen leicht verleitet wird, den ohnedem schon schwachen Leib noch schwächer gemacht hätte. Gegen Martini [11. Nov.] wurde ich zum Catecheten erwählet, obwohl hernach allerhand Dinge dazwischen kamen, welche ich besser unten anführen will, welche machten, daß ich erst zwei Jahre drauf Anno 1711 in Weihnachten zu solchem Amte vociret und eingesetzet wurde. Als mir die geschehene Wahl kund getan wurde, so geriet ich zu allem Unglück auf den törichten Einfall, daß ich mir den Tabak abgewöhnen wollte. Denn ob ich schon des Tages ordentlicher [normaler] weise über zwei bis drei Pfeifen nicht zu rauchen pflegte; so wollte ich doch nicht gerne einmal als Prediger das geringste Ding an mir haben, das mir bei meinem Amte eine Blame und Vorwurf sein könnte. Ich unterließ ihn also auf einige Zeit, wodurch aber der Magen, und Concoction [Verdauung] ganz ungemein geschwächet, oder so dieses nicht geschahe, doch die ordentlichen Sedes [Stuhlgang] und Öffnungen des Leibes, die der[252] Tabak zu machen pfleget, gehemmet worden. Inzwischen rückte unser Jubilæum Academicum heran, in welchem ich nach Dr. Rüdigers Methode und Consilio [Rat] durch eine Debauche [Exzeß] an Bier und Tabak bei einer guten Compagnie von Vesper-Zeit an bis auf den späten Abend den Magen auszuscheuren dachte; aber ich befand gar bald, daß ich übel nur ärger gemacht; indem es mich die folgenden Tage auf der Brust und Lunge gewaltig zu drücken anfieng, und ich bei diesem Dolore gravativo [drückenden Schmerz] auch den ganzen Tag mit Ructibus [Aufstoßen] geplaget war. Es verdroß mich nicht wenig, daß D. Rüdigers Kur, die er in seinen Collegiis manchmal zu recommendiren pflegte, nicht besser angeschlagen war, und noch mehr, daß ich um dieser Ursachen willen, und wegen des Jubilæi und Besuchs, den ich von Jenensern, und Hallensern, so auf das Jubilæum zu kommen versprochen, vermutete, den Gebrauch des Heiligen Abendmahls aufgeschoben hatte.

Ich weiß nicht, ob ich so abergläubisch oder so ein guter Religioniste bin; so oft ich in meinem Leben aus frivolen und leichtsinnigen Ursachen dies heilige Werk ausgesetzt, und die voraus bestimmte Zeit übergangen, so bin ich allemal durch seltsame, und unglückliche Begebenheiten, und Zufälle auf das empfindlichste davor gezüchtiget worden. Es ahnte mir dieses mal. Ich redete mir selber zu; du weißt, sprach ich, wie dir es allemal gegangen, wenn du ohne dringende Not eine solche wichtige Sache aufgeschoben. Doch hielt ich es damals mit einigen Theologis für ein bequemes Mittel, mich von dem scrupulirenden Gewissen, welches öfters eine pure Bigotterie ist, zu heilen, wenn ich contra illam, und wider dasselbe recht zum Trotz, und zur Bravade täte. Allein es bekam mir gar übel. Das Jubilæum war vorbei, und die Lust hatte ein Ende. Und nun gieng erst meine Plage recht an. Es schmeckte mir weder Essen noch Trinken. Ich goß anderthalb Kannen Thée-Wasser zur Vesper-Zeit in Leib, es wollte nichts helfen. Ich besann mich, daß ich ehedessen einmal, da es mir stets aufgestoßen, und ich von Ructibus incommodiret gewesen, Krebs-Augen eingenommen, und darauf geschwitzet. Ich tat es; weil ich aber die Dosin zu stark mochte zu mir genommen haben, so schwitzte ich die Nacht darauf entsetzlich. Allein da ich meinte, es sollte dadurch besser werden, so schwitzte ich die folgende Nacht wieder, und noch stärker, als die vorige. Ich war noch nicht so klug, daß ich gewußt hätte, daß man die Schweiße abwarten, und sich dabei in acht nehmen müsse, daß man nicht zu schnelle in die Kälte wieder gehe; sondern[253] wenn ich des Nachts am ärgsten schwitzte, und vor Schweiß nicht bleiben kunte, so stund ich auf, und gieng in der kalten Kammer so lange herum, bis mich anfieng zu frieren, zu einer Zeit, da es schon stark Eis gefroren hatte; wodurch dann die Schweiß-Löcher wieder verstopft worden, und der Leib in solche Unordnung geriet, daß ich alle Nächte die stärksten Sudores [Schweißausbrüche] hatte, und also in das Schweiß-Bad hinein kam, in welchem ich bis gegen Ostern fast alle Säfte und Kräfte weggeschwitzt.

Ich führe diese Dinge weitläuftig an, um zu zeigen, wie leicht man aus einer Torheit in die andere falle, wenn diejenigen Plagen über uns kommen sollen, die von Gott längst beschlossen worden, daß sie zu unserer Prüfung, und zu unserm Besten, und unserer Züchtigung und Strafe über uns kommen sollen. Von derselben Zeit an weiß ich nicht mehr, wie einem recht gesunden Menschen zu Mute, und ist mein Leib dadurch in solche desordres, Unordnung, und kränklichen, und schwächlichen Zustand geraten, mit welchen ich bis diese Stunde noch zu luctiren, und zu streiten habe. Ich nahm damals D. Nabothen zum Medico an, der mir in Weihnachten zu purgiren [abführen] gab, es wollte aber nichts helfen. Die Nacht-Schweiße blieben, wie sie angefangen hatten. Er sollte mir sagen, woher es käme, daß ich so entsetzlich schwitzte, er tat mir aber mit seiner Demonstration [Erklärung] kein Genügen, oder ich war nicht geschickt genug, sie zu fassen. Als seine Arznei nicht anschlagen wollte, so sahe ich mich nach einem andern Medico um; ja ich lief das ganze Viertel-Jahr von einem Arzte zum andern, nach Art der Leute, welche Morbos chronicos [chronische Krankheiten] haben, und doch aus Unverstand meinen, sie müßten ihre Krankheit augenblicklich wieder los werden. Ich darf mich dessen nicht schämen. D. Ittig war ein größerer Mann, als ich; und doch, da er im Alter mit Stein-Schmerzen so heftig geplaget war, so war kein Quacksalber, und Pfuscher so geringe, daß er sich nicht hätte bereden lassen, seine Medicamente zu versuchen. Bei mir war es also noch viel weniger wunder. Ich war in besten Jahren, des Lebens war ich noch nicht überdrüssig, die Nacht-Schweiße machten mich höchst matt, der Schwindel setzte mir bei Tage dermaßen zu, daß ich gerade vor mich hingehen, und weder zur Seiten, noch über mich sehen durfte, wenn ich nicht vor Schwindel zur Erde fallen wollte. Wenn mir jemand im Umgange nicht trauen wollte, so sagte ich noch dazu im Scherz: Ihr habt mit einem Menschen zu tun, der nun in allem gerade zugehet, ob mir[254] wohl im Herzen gar anders, und wegen meines Zustandes öfters bange genug war. Der Motus tonicus [Muskeltonus] war in allen Gliedern weg, Beine, und Arme, und alles wurde am Leibe schlapp; und was mich am meisten bekümmerte, war das zusehende Abnehmen am Leibe. Es kamen Adern herfür, wo ich in meinem Leibe noch keine gesehen hatte. Von denen Adern, welche jetzt auf meinen Händen unzählig sind, war noch keine einzige zu spüren. Ich war vorhin fett, völlig im Gesichte, in Armen, und im ganzen Leibe gewesen, und nun fieng ich an täglich zu sterben, und bei lebendigem Leibe zu verwesen. Mein Geld, so ich durch die Collegia gesammlet, kriegte auch die Schwindsucht, und nahm zusehends ab, weil ich alle Collegia aufgeben mußte. Die Lunge war so schwach, und das Reden wurde mir so sauer, so daß, wenn ich nur einen von ferne kommen sahe, der mit mir reden wollte, mir die Lunge schon wehe zu tun anfieng: beinahe wie die Gichtbrüchigen, die schon zu schreien anfangen, ehe man sie noch anrühret, so oft sie vorher sehen, daß man sie anrühren werde. Die Viscera [Eingeweide] und Organa von Lunge und Leber waren wohl noch unverletzt; doch zeigte der Dolor gravativus insonderheit auf der rechten Seite, daß sie sehr schwach, und ziemlich verstopft, oder mit incarcerirten Flatibus [eingeschlossenen Blähungen] belästiget sein müßten.

Ich kam zu D. Lothen, ihn um Rat zu fragen. Er mochte wohl von der Notwendigkeit des Aderlassens bei meinem Zufalle [Krankheit] überzeugt sein; weil er aber viel zu gelassen redete, und nicht stark genung solches urgirte [aufdrängte], so war sein Rat und Gutachten viel zu schwach, mich zum Aderlassen zu bewegen, als welches ohnedem noch niemals geschehen war. D. Uhlau würde anders mit mir herum gesprungen sein, wenn er damals in Leipzig gewesen, oder ich auf ihn gefallen wäre. Wenn dieser bei einem Patienten die Section einer Ader vor nötig, und vor ein Haupt-Mittel hielt, dem Kranken wieder zu seiner Gesundheit zu verhelfen, und er bei dem Kranken merkte, daß er dazu keine Lust, sondern vielmehr Bedenken und Furcht zum Aderlassen hätte, so holte er zuweilen den Barbier selbst, und brachte ihn mit zu dem Patienten, und tat, als ob er aus der Haut fahren wollte, wo der Patiente noch lange sich widersetzen wollte, redete ihm einen Mut, und Herze zu, so daß der Kranke willig gemacht wurde, die Section zuzulassen. Wie die geistlichen Ärzte, die Prediger, selten bei den geistlich Kranken was ausrichten, wenn sie zu ihnen so gelinde, wie der Priester Eli[255] zu seinen Söhnen, reden [1. Sam 2,2225], sondern öfters mehr erhalten, wenn sie zornig sich anstellen, drohen, schelten, oder schmälen, wie es die Leute zu nennen pflegen: So sollten meines Erachtens auch die leiblichen Ärzte zuweilen mehr Schärfe brauchen, insonderheit wenn sie furchtsame und verzagte Patienten haben, welche entweder nicht gerne die vorgeschriebene Arznei einnehmen, noch die Beobachtung der verordneten Diæt bei gewissen Fällen vor höchst nötig achten. Vor einigen Jahren salivirte ein gewisser Medicus ein Mägdlein allhier, ohngefähr von 13 Jahren. Er sagte ihr kaltsinnig und gelassen, sie sollte nicht ausgehen, und auch keine harten Speisen, sondern nur etwan Zugemüsen und Suppen genießen. Sie observiret [beachtet] keines von beiden, und war der Tod eine unausbleibliche Folge. Was hat das arme einfältige Kind doch wissen sollen, wie höchst nötig die Beobachtung solcher Diæt sei bei dergleichen gefährlichen Kuren, wenn es ihr nicht mit Angst, Furcht, und Schrecken vorgesaget, und sie nicht mit großem Ernste bedrohet worden!

M. Gehr recommendirte mir den Herrn Licentiat Friderici, einen berühmten Practicum, so in Tauche wohnhaft, aber alle Markt-Tage nach Leipzig kam, und in einem Hause, auf dem Neuen Kirchhofe Medicamente ausgab. Der Mann war schon grau vor Alter, und doch traf man ihn in einer kalten Stube an, wenn auch schon die Fenster gefroren waren; ja er trank zuweilen aus einem Glase kalt Wasser noch vor der Mittags-Mahlzeit. So viel Vertrauen ich zu ihm hatte, und so viele Satisfaction er mir tat durch seine medicinischen Discourse, die er führte, so war es mir doch eine beschwerliche Sache, daß, wenn ich die ganze Nacht geschwitzet hatte, und vom Schweiß noch naß war, ich bei kaltem Wetter zu ihm gehen, eine halbe Stunde im Vor-Saal warten, und mit ihm noch dazu in einer kalten Stube mich unterreden sollte. Er begehrte von mir, ich sollte ihm mein Vitæ curriculum kurz aufsetzen, damit er aus meinem Leben, so ich geführet, einen desto sicherern Schluß von meiner Krankheit, und von meiner Natur fällen könnte; allein das war mir ungelegen, ihm solche Sachen zu entdecken, die ich noch keinem Beicht-Vater eröffnet, und die freilich nicht einen geringen Einfluß zu meiner damals habenden Krankheit haben mochten. Wenn ich gerne wünschte, in kurzem von ihm abgefertiget zu sein, weil mir öfters die Zähne zu klappern anfiengen, so parlirte er mit mir lateinisch, und probirte auf allerhand Art, und Weise, was ich gelernet, und wie hoch sich meine Erudition erstreckte. Ich wußte anfangs nicht, was er damit wollte, bis ich hernach vernahm,[256] daß er gesonnen wäre, seinen Sohn die Philosophie bei mir hören zu lassen, welches aber doch hernach unterblieb. Das was mir am meisten von ihm gefiel, war, daß er von meiner Krankheit gleiche Sentiments [Ansichten] mit mir hatte. Denn er hielt es vor einen Anfang, und vor den ersten Grad der Hectica, wovor ich es auch ansahe.

Die andern Doctores die ich manchmal consulirte [konsultierte], wollten davon nichts wissen, aus Ursachen, weil ich noch mit keinem Husten incommodiret wäre, und noch kein Geschwür auf der Lunge hätte. Ich ärgerte mich nicht wenig, da ich auf solche Weise wahrnahm, daß die Medici in Benennung der Krankheiten nicht eines Sinnes wären, und nicht einerlei Namen führten, und Hecticam, Schwindsucht, oder ein schwindsüchtiges Fieber mit der Lungensucht und Phthisi vermengten. Wenn einer in meinem Vater-Lande die Lunge von sich hustet und wegspeiet, so spricht man, er hat die Lungensucht; und wenn ihm hingegen in der Lunge nichts fehlet, aber doch wohl 6 Viertel-Jahr da lieget, und wie ein Gerüppe verdorret, so sagt man, er hat die Schwindsucht, oder ein schwindsüchtiges Fieber. Den Sommer zuvor, starb allhier ein Uhrmacher, der, so viel ich weiß, seine Lunge ganz gesund, und unverletzt unter die Erde brachte, aber wie ein pures Sceleton auf dem Sterbe-Bette lag, und die Zähne nicht mehr mit den Lippen bedecken kunte, auch nicht ein halb Pfund Fleisch mehr am Leibe hatte. Das glaube ich wohl, daß zur Phthisi und Lungensucht manchmal ein febris hectica [hektisches Fieber] zuschlagen, oder daß die Hectica die Phthisin nach sich ziehen kann; Die Erfahrung aber hat mich in unterschiedenen Subjectis gelehret, daß eine Krankheit ohne die andere, die Hectica ohne die Phthisi, und die Phthisis ohne die Hectica sein könne. Eben so ärgerte ich mich, wenn mir alte Weiber, so man mir vorgeschlagen, helfen, und sie mit Lungen-Tränken aufgezogen und anmarchiret kamen. Ihr Narren, sprach ich, es fehlet mir ja in der Lunge nichts, ich huste nicht, ich werfe ja nichts aus, einige Schwäche und Drücken fühle ich auf derselben, und das ist alles. Lic. Friderici warnete mich auch vor solchen Arzneien; denn er sagte, es geschähe nicht selten, daß, wenn die Leute so viel vor die Lungensucht brauchten, welche sie doch nicht hätten, sie hernach die Lungensucht erst bekämen: Recht so, als wie wenn man einem Stein-treibende Arzneien reiche, der doch am Stein und Calculo nicht laboriret, man dadurch erst den Grieß zusammen treibe, und in die Blase bringe.[257]

Am curieusten gieng mir es mit D. Drechslern, dem ältern. Ich schwitzte noch ganze Nächte, und kunte kaum die Beine mehr auf der Gassen fortschleppen. Das Herze klopfte mir vor Mattigkeit auf eine ungewöhnliche starke Weise, dergleichen ich bei 6 Jahren nicht empfunden hatte, und ich hatte so abgenommen, daß ich hätte schweren wollen, D. Drechslers Daumen wäre dikker, als die Röhren von meinen Armen, vor welchen ein jeder erschrak, der sie sahe: Und doch war der Mann so dreiste, daß er mich bereden wollte, ich bildete mir bloß ein, daß ich krank wäre. Er schwur einst so gar leichtsinnig darzu: Der T ... hole mich, sprach er, dem Herrn Magister fehlt nichts, sondern es ist die pure Einbildung. Er hatte dazumal, so oft ich wegen meiner Krankheit zu ihm kam, einen Menschen um sich, den er wegen seines lustigen und aufgereimten Humeurs [Charakters] überaus wohl leiden kunte, und der auch in meiner Gegenwart mit ihm manchmal zu scherzen pflegte. Ob dieser den Herrn Doctor, oder ob D. Drechsler ihn beredet, daß ich mir nur krank zu sein einbildete, weiß ich nicht; so viel weiß ich, daß alle beide in dieser Meinung stunden, und auch andere Leute damit einnahmen, mich folgentlich bei denselben ridicül machten, und vor einen malade imaginaire ausgaben. Mit diesem irrigen Wahn hatten sie so viel andere Leute eingenommen, daß auch nach der Zeit, als ich schon im Predigt-Amt war, und öfters mit allerhand Krankheiten incommodiret, und überhaupt krank und schwächlich war, (weil ich, wie oben gesaget, von derselben Zeit an, niemals in meinem Leben zur völligen Gesundheit wiederum gelanget,) einige so gar von meinen Patronis es gleichsam als eine gewisse Wahrheit ansahen, daß ich mir nur einbildete, als ob ich krank wäre. Ich wollte mich einstens gegen Herr Superintend Dornfeld mit meiner Maladie und Schwachheit entschuldigen, er berufte sich aber gleich darauf, daß eine gemeine Rede sei, und die Leute sprächen, der Prediger in der Peters-Kirchen bilde sich ein, er sei krank; und dies sagte er mir noch dazu auf eine solche Weise, daß er selbst darüber mußte lachen, ja daß ich schließen kunte, daß er mich selbst im Herzen, als einen Narren, auslachte, und von solchen Leuten mit diesem Wahn mußte sein eingenommen worden, die es ihm cum sale [mit Salz, Witz], und auf eine lächerliche Manier beigebracht: ganz so, wie nach der Zeit ein gewisser Doctor, der mich curiren sollte, mich immer gleichfalls bei diesem, und jenem Umstand, den ich ihm erzählte, lächlende bereden wollte: es sei wohl nur meine Einbildung, und wäre schon vor vielen Jahren mit dieser Einbildung eingenommen gewesen,[258] und daß ihn solches der obgedachte Mensch in einer Compagnie versichert hätte; da ich denn ebenfalls aus seiner Erzählung, weil er sich dabei eines höhnischen und verächtlichen Lachens nicht enthalten kunte, urteilen mußte, daß ihm dieser Wahn gleichfalls etwan in einer Gesellschaft von demselben lächerlich, und cum acumine [mit Witz] müsse sein beigebracht worden.

So ein geringer Fehler es zu sein scheinet, daß einige Menschen sich angewöhnet, niemals ernsthaftig zu sein, sondern, gleich dem Comœdianten Plauto, im Umgange mit dem Nächsten alles in Scherz verwandeln, und überall Possen machen wollen: so hat es doch öfters übele Würkungen. Denn ich will nicht sagen, daß dergleichen Leute meistenteils in Grund-Puncten der Religion, wie mich die Erfahrung gelehret, höchst zweifelhaft sind; (denn die Glaubens-Articul sind ernsthafte Sachen, sollten sie denselben Beifall geben, so macht es keinen Possen, und gäbe dabei nichts zu lachen, und müßten von ihrer Gewohnheit einmal abstehen, die sie haben, diejenigen, welche die Grund-Puncte vortragen, ja die Sätze der Religion selbst verächtlich zu machen, welches zu tun wegen ihrer eingewurzelten Gewohnheit sie höchst schwer ankommt;) sondern sie tun auch dem Nächsten öfters dadurch einen unverantwortlichen Schaden. In so gutem Credit derselbe etwan noch stehet bei andern Leuten, wegen seiner Erudition und andern Gaben, so ihm die Natur verliehen, so muß er um eines solchen lustigen Menschens willen vor der ganzen Welt, und vor allen ehrlichen Leuten zum Narren werden, und die Zeit seines Lebens ein närrisch Beispiel anderer Leute sein. Ich will nicht gedenken, wie eines solchen Mannes Amt, insonderheit wenn er ein Prediger ist, und wie alle seine Erbauung geschwächet werde, wenn seine Zuhörer mit diesem Vorurteil wider ihn eingenommen, und ihn vor einen närrischen Kerl ansehen müssen, daß er sich einbildet, er sei krank, da er es doch nicht ist. Nun die bisher erzählten Zufälle [Krankheiten], und weitere Fortsetzung meines Lebens, und viele andere Leibes- und Gemüts-Krankheiten, die mir zugestoßen, werdens verständigern Lesern weisen, ob ich ein solcher Narr gewesen; oder ob vielmehr diejenigen unweislich und unverantwortlich an mir gehandelt, die mich zuerst vor einen solchen Tor ausgeschrien, als ob ich mir krank zu sein nur einbildete, es mögen dieselben nun gewesen sein, wer sie wollen.

Und gesetzt, es wäre nur eine bloße Einbildung bei mir gewesen; so ist es ja eine recht unvernünftige und unchristliche Sache,[259] einen solchen armen Menschen, der an bloßer Einbildung krank ist, als einen Narren auszulachen, und ihn zum Gaukel-Spiel vor den Leuten darzustellen. Willst du ein Medicus, oder ein Philosophus sein, so curire doch lieber einen solchen armen Menschen von seiner Gemüts-Krankheit. Wer sich einbildet, daß er krank ist, der statuiret und schließet, daß er krank sei. Da er aber keine Bestie, sondern ein vernünftiger Mensch ist, so kann er solches unmöglich anders schließen, als er muß medios terminos und rationes [Mittelbegriffe und Symptome] zum Grunde haben, aus welchen er die Conclusion [Schluß] ziehet, daß er krank sei. Wohlan! so zeige ihm denn, daß seine Rationes null und nichtig sind, und gar nicht beweisen, was sie beweisen sollen. Denn damit ist einem solchen armen Menschen nicht geholfen, daß du zu ihm sagest, er bilde sich nur ein, er wäre krank: und wenn du tausend Eide dazu schwürest, dadurch würdest du ihn nicht von seinem irrigen Wahn curiren. Ich will dir sagen, was ich vor medios terminos damals hatte, die mich bewegten, daß ich statuirte, daß ich nicht gesund, sondern eines Arztes bedürftig wäre. Ich war 1) verstopft im Leibe, 2) hatte keinen Appetit zum Essen und Trinken, 3) stieß es mir den ganzen Tag auf, 4) der Ober-Teil des Magens war geschwollen, 5) es drückte mich auf der rechten Brust, und fieng mich es auch an zuweilen auf derselben zu stechen, so gar, daß ich des Nachts nicht auf der rechten Seite liegen kunte, 6) wenn ich mich kaum des Abends ins Bette geleget hatte, so brach der Schweiß Haufen-Weise heraus, und währte bis an Morgen. 7) Ich kunte vor Schwindel auf der Gasse nicht mehr gehen, 8) öfters spürte ich starkes Herz-Klopfen, 9) das Fleisch fiel zusehende vom Leibe, und kamen alle Adern hervor, 10) in vola und in der Fläche der Hände und der Füße hatte ich solche Hitze, daß, wo ich nur einen Stuhl, Tisch, oder nur was Kühlendes antraf, ich die flache Hand drauf legte, um die Hitze nicht so sehr zu empfinden, 11) nach der Mahlzeit war der rechte Backe, und das rechte Ohr- Läpgen Feuer-rot, und die linke Seite hingegen blaß, so daß die, so um mich waren, sich recht darüber verwunderten; andere Dinge zu geschweigen, die mir jetzt nicht mehr alle einfallen. Nun so will ich alle verständige Medicos auf Erden gefraget haben, ob ein solcher Mensch seine rechte Gesundheit habe, bei dem dergleichen Merkmale sich finden, und ob es vor eine närrische bloße Einbildung zu halten, wenn derselbe einen solchen Zustand dem Medico entdecket, wie ich denselben meinen Medicis zulänglich entdeckt habe.[260]

Ich kann also nicht begreifen, was sowohl den Herrn D. Drechsler, als den, der um ihn war, müsse bewogen haben, zu schließen, daß ich mir krank zu sein nur einbildete. Vielleicht hat es der D. nicht böse gemeint, und mir nur einen Mut dadurch machen wollen, so überzeugt er auch von meiner würklichen Krankheit gewesen. Doch, noch vielweniger kann ich begreifen, wie ein gewisser berühmter Doctor in Halle, dessen ich bald Meldung tun werde [S. 264], schier auf gleiche Gedanken geraten, und mich vor einen malade imaginaire ansehen wollen. Wenn dazumal nicht schon von Anno 1704 6 Jahre verstrichen gewesen wären, so hätte ich gemeinet, ich müßte etwan noch ängstlich und melancholisch im Gesichte ausgesehen haben, wie ich zur Zeit der damaligen großen Anfechtung aussahe, welche ich oben beschrieben; so aber war mein Gemüte wiederum längst aufgekläret, und wiederum fröhlich worden; wiewohl endlich bekannt genug, daß große Seelen-Nöte, und Versuchungen, insonderheit, wenn sie eine lange Zeit währen, im Angesichte des Menschen traurige Merkmale hinter sich lassen, wenn er gleich schon wieder zur ersten Freude des Geistes gelanget ist. Die Furcht vor dem Tode, und daß ich mir einbildete, ich würde sterben, (denn diese Einbildung gebe ich gerne zu,) kann mich auch nicht so verunstaltet haben, daß ich dadurch zu solchen verkehrten Urteilen Gelegenheit hätte geben sollen. Denn meine Furcht vor dem Tode war in Wahrheit nur mäßig, oder währte um Weihnachten herum kaum etliche Tage, und giengen wohl hernach 6 Wochen hin, ehe ich den obgedachten Medicum um Rat fragte, und Arznei von ihm begehrte. Durch Gebet habe ich alle Furcht in meinem Leben, so sehr ich auch zu derselben geneigt bin, vielfältigmal in Freude und Herzhaftigkeit, verwandelt. Eine Weile hatte ich einen kleinen Kummer und Skrupel wegen der Seelen nach dem Tode, ob sie alsbald zu Gott kämen, und in einen glückseligen Zustand gesetzt würden. Ich las, mich in dieser Sache zu beruhigen, Mosis Amyraldi Tractat davon, und zwar nicht ohne mein Vergnügen. Und so ja eine heimliche Angst und Furcht noch übrig war, so sich manchmal auf eine kleine Zeit noch regte; so wurde solche doch gänzlich, wie der Nebel von der Sonnen, und die Spreu von dem Winde vertrieben, als ich am Sonntage Oculi [3. Fastensonntag] in der Vesper-Predigt in der Neuen-Kirche Herr Lic. Wernern hörte. Ich weiß nicht mehr, was er vor ein Stück aus der Passions-Historie zu erklären hatte; nur das weiß ich, daß er zuletzt und zum Beschluß der Predigt so kräftige Trost-Gründe wider das Schrecken des[261] Todes anführte, worüber mein Herz in innerlich Jauchzen und Jubiliren gesetzt wurde, daß ich durch die Gassen, und über den Markt, wie ein trunkener Mensch, voll Freude, und fröhlichen Mut und Wonne nach Hause gieng, und diesen Tag stets mit dem Trinitatis-Tag An. 1704, da ich, wie oben gemeldet [S. 142 bis 144] von dem Abendmahl zurücke kam, verglichen habe.

So bereitwillig ich durch diese Predigt zum Sterben war gemacht worden, so feste hielt ich doch noch davor, daß ich das Jahr nicht überleben würde. Der Magd aber bei der Frau Schultzin im roten Collegio, die uns bei Tische aufwartete, war es unglaublich, daß ich sterben sollte. Ach! Herr Magister, sprach sie einst in Gegenwart anderer, sie sterben noch nicht: was soll ich haben, wenn sie übers Jahr noch leben? Ich antwortete: Jetzt gebe ich ihr einen Gulden vor die Aufwartung; lebe ich über das Jahr noch, so soll sie 2 Fl. haben, und so viel Jahr ich noch lebe, allemal in Weihnachten einen Gulden mehr. Was geschieht? sie kriegt mich bei der Hand, und ruft die andern zu Zeugen an. 22 Jahre habe ich meine Zusage gehalten, so daß ich An. 1731 ihr schon 23 Fl. auszahlen müssen, und auch würklich ausgezahlt. Und ich wüßte mirs jetzt nicht auszustehen, wenn sie nicht vor 7 Jahren aus gutem und freiwilligem Gemüte, da ich ihr meinen jetzt sehr geänderten Zustand vorstellte, mich von meiner Obligation befreiet hätte.

Doch so gerne ich nun dazumal gestorben wäre; so kunte es mir doch so gut nicht werden. Ich meinte, ich wollte nach angehörter, und obangeführter Predigt heimgehen, mich hinlegen und sterben: und das, was ich empfunden hätte, würde ein Schlaf-Trunk gewesen sein von Gott mir eingeschenkt die Bitterkeit des Todes zu versüßen. Aber unsere Gedanken sind nicht allemal Gottes Gedanken [vgl. Jes. 55,8], und wir sind nicht fähig allemal sein Werk zu treffen. Umgekehrt, weil ich meinte, ich würde ohne dem sterben, so fieng ich denselben Abend wiederum, wie sonst, an, bei vielem Mut und Vergnügen, und mit Verwunderung meiner Tisch-Compagnons, die um mich waren, meine 2 Pfeifen Tabak des Abends zu rauchen, wie vor diesem, und das ordentliche Maß wieder zu trinken; und siehe, da war die folgende Nacht, von Weihnachten an, die erste, da ich ohne Schweiß bis an hellen Morgen schlief, worauf bald viel andere gute Nächte folgeten. Völlig gesund wurde ich zwar nicht, doch kunte ich mit mähligem wieder anfangen zu studiren, und meinen Verrichtungen obzuliegen. Das Feuer, und den Brand spürte ich noch im Leibe, und in Gliedern, wie auch die Hitze in vola[262] manuum und pedum [Hand- und Fußflächen], welche auch noch viel Jahre hernach gewähret, ja so gar noch jetzt um ein leichtes wiederum erreget wird, so oft ich zu viel hitzige Dinge, Wein, und Branntewein, zu mir nehme, welche ich deshalben schier gänzlich meiden muß, aber doch auch nicht ganz unterlassen. Denn wo ich zu lange dieselben aussetze, und zu viel kühlende Dinge brauche, so verderbe ich den Magen, bekomme Durchfälle, oder kann mich kaum eines kalten Fiebers erwehren: ganz so, wie die beiden alten Medici Galenus und Hypocrates das habituelle [chronische] Fieber beschrieben, daß es eben deswegen so hartnäckig, und übel zu heilen sei, wenn auch nur der erste, und andere Grad davon vorhanden, daß, wo man hitzige Dinge brauche, man den Brand und das Feuer dadurch vermehre, und hingegen, wo man durch zu viel kühlende Dinge das hectische Feuer zu löschen suche, den Magen verderbe, und dadurch den Grund zu Fiebern, und anderen Krankheiten lege. Ich habe aus der Erfahrung gelernet, was ein gewisser anderer Medicus, wo mir recht ist, D. Richter, schreibet, daß einer das habituelle oder hectische Fieber in dem ersten und andern Grade wohl zwanzig Jahr an seinem Leibe mit sich herum tragen könne, ohne daß es zum Actu und zum würklichen Ausbruch käme: und daß er in dieser Zeit nach und nach abnähme, und lento igne, oder durch ein langsames Feuer heimlich immer je mehr und mehr ausgezehret werde. Glaube mir, ich wollte dir an meinem Leibe zeigen, wie ich von An. 1709 an, bis hieher je mehr und mehr vom Fleische gekommen, und wie in dem einem Jahre hier, und in dem folgenden, oder in einem andern Jahre an einem andern Orte das Fleisch vom Leibe successive und augenscheinlich weggefallen, als der ich in meinem Leben auf nichts so sehr, als auf das, was in meinem Leibe, und in meiner Seele vorgehet, Achtung zu geben, bin gewohnet gewesen.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 250-263.
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