Drittes Kapitel

Vom Grüßen.

[24] Beim Grüßen kann man viel Anstand und guten Ton an den Tag legen.

Ein Herr hat eine Dame seiner Bekanntschaft stets in achtungsvollster, ehrerbietigster Weise zu grüßen. Er muß dabei den Hut möglichst tief ziehen. Wird ein Herr einer Dame auf der Straße vorgestellt, so hat er den Hut zu lüften.

Ein flüchtiges Berühren der Kopfbedeckung, ohne diese zu lüften, hat er sich höchstens gegen einen sehr intimen Bekannten oder einen Untergebenen zu gestatten. Ein Herr hat eine junge Dame seiner Bekanntschaft, wenn er nicht gerade auf sehr intimem Fuß mit ihr steht, auf der Straße nur zu grüßen, nicht anzusprechen.

Wird eine junge Dame auf der Straße von einem bekannten Herrn gegrüßt, so hat sie höflich, aber kurz zu danken.

Ein Lächeln oder eine vertrauliche Bewegung wäre gegen den guten Ton.[24]

Eine junge Dame hat eine ältere zuerst zu grüßen.

Betritt ein Herr einen Salon, in welchem bereits mehrere Damen anwesend sind, so hat er sich nach allen Seiten grüßend zu verneigen.

Eine junge Dame hat sich in gleicher Weise zu benehmen, wenn bereits ältere Damen im Salon anwesend sind. Grüßt ein Herr eine Dame seiner Bekanntschaft, so hat ein ihn begleitender Herr ebenfalls zu grüßen.

Ein Sohn hat seine Mutter, seinen Vater, ein Bruder seine Schwester auf der Straße ebenfalls mit gezogenem Hut zu begrüßen.

Es ist Sitte, daß ein Herr einer verheirateten sowie der unverheirateten älteren Dame zum Gruß die Hand küßt.

Begegnet ein Herr einer Dame in einem Privathause auf der Treppe, so hat er die Dame zu grüßen, selbst wenn sie ihm unbekannt ist. Eine Dame hat einen Herrn nie zuerst zu grüßen, wenn dieser nicht für die Betreffende eine ganz besondere Respektsperson ist. Es ist höchst ungezogen, Leute, denen man vorgestellt wurde, nicht zu grüßen, wenn man sie wieder trifft. Eine Entschuldigung hierfür wäre nur, wenn man die Betreffenden nicht erkennt.[25]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 24-26.
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