[72] Auch die Dienstboten wird man in einer gebildeten Familie anständig und menschenwürdig behandeln. Längst sind – und wir können das nur freudig als Fortschritt der Civilisation begrüßen! die Zeiten vorbei, da man in ihnen Leibeigene sah, mit denen man nach Belieben schalten und walten konnte. Leider aber nähern wir uns, besonders in der Großstadt, mit unheimlich schnellen Schritten einem Umschwung in dieser Beziehung, der weit über das Ziel hinausschießt und Zustände herbeiführen muß, ja, zum Teil schon herbeigeführt hat, die völlig unhaltbar sind. Noch ein Jahrzehnt weiter auf dem eingeschlagenen Wege und unsere Dienstboten werden die Geißel, welche unsere Vorfahren vielleicht in schweren Fällen zu körperlicher Züchtigung in Anwendung brachten, moralisch über uns schwingen und uns im Bann des eigenen Hauses mehr knechten als es einst ihnen geschah. Der Geist der Auflehnung und Zersetzung,[72] der die Welt zu Ende des Jahrhunderts durchbraust, hat mit seinem giftigen Atem auch – und vielleicht diese zumeist! – die niederen Klassen und die Dienstboten angehaucht. Des Denkens ungewohnt und nicht im stande, klar zu erwägen und prüfend zu vergleichen, beten sie nur zu gern die verführerische Weise nach, laut welcher sie bemitleidenswerte Sklaven und die Herrschaften ohne Ausnahme tyrannische Unterdrücker, in jedem Fall aber ungerecht Bevorzugte sind, welche es sich auf Kosten der niederen Stände, und natürlich auch des eigenen Gesindes, wohl sein lassen. Daß in neunundneunzig von hundert Fällen auch ihr Brotherr – vielleicht sogar auch die Frau – arbeiten muß, schwerer und aufreibender als seine Dienstboten, weil auf ihm außer der Arbeit an sich noch Verantwortung und Sorge lastet, wird selten ein Dienender bedenken, von dem doch nur körperliche Anstrengung verlangt wird. Auch damit wird bei heutigen Verhältnissen das Gesinde nicht allzusehr belastet und ließe sich auch gar nicht über seine Kraft belasten. Wie sehr sich selbst starke und kräftige Menschen vor jeder Arbeit scheuen, die Kraftaufwand verlangt, beweist am besten der immer steigende Arbeitsmangel auf dem Lande. Die Feldarbeit freilich, vom frühen Tagesanbruch bis zum späten Abend hin geleistet, kostet Kraft und Schweiß. Was aber vom Hausgesinde und namentlich im städtischen Haushalt verlangt wird, kann jeder gesunde Dienstbote leisten und wenn er selbst nicht der stärksten einer ist. Wir verlangen von unserem Gesinde treue[73] Pflichterfüllung, Ordnung und Pünktlichkeit und können dies mit Fug und Recht verlangen, als unsere Gegenleistung, bestehend in Lohn, Lebensunterhalt und alles, was dem Dienstboten zukommt, von uns ebenso prompt geleistet werden muß. Und wenn es uns zuweilen hart erscheinen will, daß unsere Leute im ewigen Nacheinander täglich dieselbe Arbeit verrichten, täglich dasselbe Maschinenwerk in der Tretmühle häuslicher Obliegenheiten aufziehen müssen, so sollten wir nicht vergessen, daß dies auch alles ist, was von ihnen verlangt wird und sie ihre ganze Körper- und Denkkraft dieser Arbeit widmen können. Denn keine materielle Not und Sorge bedrückt sie und für alles, was sie zum Leben brauchen, sorgt die Herrschaft; auch mit Denken und Grübeln brauchen sie sich nicht zu beschweren, da in einem geordneten Haushalt die Hausfrau das denkende Haupt und sie nur die ausführenden Glieder sind. Gewiß, diese mechanischen Arbeiten sind geisttötend – aber doch nur für Menschen mit entwickeltem Geist; die dienende Klasse kennt eben keine andere Thätigkeit, könnte keine andere leisten und wäre unglücklich, wollten wir sie dazu anlernen, Arbeiten zu verrichten, welche Denkkraft und geistige Regsamkeit erfordern.
Und wird es ihnen selbst zuweilen schwer, das Verlangte zu leisten und bestätigt sich das alte Bibelwort, daß man im Schweiß des Angesichts sein Brot essen müsse – ja, wem bis zum höchsten Würdenträger hinauf ist denn die Berufsarbeit ein Spiel?[74] Müssen nicht alle ihre ganze Kraft daran setzen und es sich herzlich sauer werden lassen, die Ansprüche zu erfüllen, welche Amt oder Berufsthätigkeit an sie stellen? Je höher hinauf auf der Stufenleiter irdischen Ansehens, und je schwerer, anstrengender und verantlicher ist gewiß die täglich zu bewältigende Arbeit. Und doch wird sie immer nur ein Teil dessen sein, was an Ansprüchen an den Vielgeplagten herantritt, denn es kommen dazu Familienpflichten, gesellschaftliche Anforderungen und, wenn vielleicht nicht materielle Sorgen, obgleich auch die den Wenigsten erspart bleiben, so doch gewiß weise und oft sehr erschwerte Berechnung, um Einnahmen und Ausgaben im Gleichklang zu erhalten.
All diese Sorgen bleiben den Dienstboten fern und das sollten doch die am ehesten bedenken, welche das Loos derselben als ein hartes und ungerechtes beklagen. Wer sein täglich Arbeitsteil mit klarem Kopf und leichtem Herzen erledigen kann, scheint uns eher beneidenswert, immer vorausgesetzt, daß, wie schon anfangs betont wurde, dem Gesinde menschenwürdige Behandlung zu teil wird und man ihnen auch etwas Freiheit und Genuß am Leben gönnt.
Man begegne ihnen ruhig und freundlich, ohne jedoch ernste Rüge zu unterlassen, wo sie solche verdienten. Nur geschehe dies nie in Gegenwart Fremder oder der Kinder – es ist jedenfalls besser ihr Ehrgefühl zu schonen und zu entwickeln, als es abzustumpfen. Ebensowenig dulde man aber übertriebene Empfindlichkeit[75] und trotziges Schmollen; wir dürfen von unseren Dienstboten verlangen, daß sie uns jederzeit freundlich und bescheiden entgegentreten, auf unsere Fragen ebenso antworten. Gehorsam ohne Widerspruch ist ihnen Pflicht.
Genau wie bei der Kindererziehung ist auch im Verkehr mit Dienstboten Geduld erste und höchste Bedingung. Wenn ein neues Mädchen, ein neuer Diener nicht gleich alles nach unseren Wünschen macht wenn wir mancherlei Mängel und Schwächen entdecken und uns auch die persönliche Besonderheit – die ja doch dem Dienstboten anhaftet wie jedem anderen Menschen – uns nicht zusagt; nur nicht gleich ungeduldig werden oder an Wechsel denken! Wir wissen ja nicht, ob wir uns bei solchem verbessern würden und bei freundlicher Belehrung gelingt es doch vielleicht, die Leistungen unseren Wünschen gemäß heranzubilden. An äußere Mängel und Eigentümlichkeiten, die im Persönlichen liegen, gewöhne man sich wie sich die Dienstboten ja auch unseren Besonderheiten zu gewöhnen haben. Erkennt man aber – und das wird bald geschehen – daß aller Liebe Müh' vergeblich und wir den oder die Betreffende doch nie so heranbilden werden, wie wir eben die Dienstboten in unserm Haushalt brauchen, so ändere man bald, bevor wiederholte vergebliche Anlernungsversuche auf bei den Seiten gereizte Stimmung hervorbringen und den Verkehr erschweren. Vierzehntägige Kündigung gilt ja, wenigstens in großen Städten, auch in Deutschland jetzt überall und wo sie noch[76] nicht eingeführt, sollte man sie vorsichtigerweise beim Mieten vereinbaren. Nichts kann den Haushalt so stören und das Leben so unbehaglich machen, als ein völlig untauglicher Dienstbote.
Freilich käme man nie in die Lage, einen solchen ins Haus zu bekommen, wenn sich alle Herrschaften der ernsten Pflicht bewußt wären, nur ein wahrheitsgetreues Zeugnis ins Gesindebuch zu schreiben. Gutmütige Schonung in solchen Fällen nützt dem Dienstboten nichts – denn seine Unfähigkeit oder sonstige Untugenden werden sich ja doch bald herausstellen und zur Entlassung führen, – schadet aber der Herrschaft empfindlich, denn diese kann bei so unzuverlässigem Zeugnisgeben anderer in die unangenehme Lage kommen, so und so oft hintereinander wechseln zu müssen, bevor sie endlich einen passenden Dienstboten erhält. Wir möchten den allzu gutmütigen Hausfrauen, welche aus falscher Schonung ein unwahres Zeugnis einschreiben, den betreffenden Gesetzesparagraphen hierhersetzen, welcher (§ 171) lautet: »Bei dem Abzuge ist die Herrschaft dem Gesinde einen schriftlichen Abschied und ein der Wahrheit gemäßes Zeugnis über geleistete Dienste zu erteilen schuldig.« Und weiter besagt § 174: »Hat die Herrschaft einem Gesinde, welches sich grober Laster und Veruntreuungen schuldig gemacht, das Gegenteil wider besseres Wissen bezeugt, so muß sie für allen, einem Dritten daraus entstehenden Schaden haften.«
Man kann also unter Umständen zur Verantwortung[77] gezogen werden eines falschen Zeugnisses wegen und dies somit teuer bezahlen. Aber auch den Dienstboten kann ein wahrheitsgetreues Zeugnis, selbst wenn es Tadel enthält, nur zum Vorteil gereichen, indem es in den meisten Fällen erziehlich und bessernd auf sie wirken wird. Jede Untugend oder Ungehörigkeit, die schwarz auf weiß gerügt wurde und also mahnend vor Augen steht, wird von ihnen gewiß fortan ernstlich bekämpft werden, schon um nicht zum zweitenmal ein ähnliches Zeugnis zu veranlassen, was ihnen in Zukunft bei Erlangung guter Stellen doch hinderlich sein würde.
Wir möchten auch bei dieser Gelegenheit dringend zur Anschaffung einer Gesindeordnung raten, die in keinem Haushalt fehlen sollte und für wenige Groschen zu haben ist. Ebenso ist jeder Herrschaft zu empfehlen, die Dienstboten in eine Krankenkasse einzukaufen. Der jährliche Beitrag ist ein ganz geringer und bringt sich schon beim kleinsten Krankheitsfalle reichlich ein, abgesehen davon, daß jede Störung dem Haushalt fern bleibt und für den Erkrankten bestens gesorgt wird.
Nach dieser Abschweifung kehren wir wieder zu den allgemeinen Verhaltungsregeln im Verkehr mit Dienstboten zurück. Der Geduld, die wir da, besonders bei neu eingetretenem Gesinde, empfehlen, vereine sich die Nachsicht mit eingelernten und erprobten Dienstboten. Nicht jeden Tag geht die Arbeit gleich leicht und glücklich von der Hand, nicht jeden Tag sind sie[78] gestimmt, heiter zu erscheinen – sie sind eben Menschen und es geht ihnen darin genau so wie uns selber. Bis zur Ungezogenheit darf sich das natürlich nicht steigern und wird auch nie so weit kommen, wenn das Gesinde von ehrlicher Achtung vor der Herrschaft erfüllt ist. Es ist damit dasselbe wie mit der Ehrerbietung der Kinder den Eltern gegenüber. Da diese aber in den Herzen der letzteren den fruchtbarsten Boden, den die Liebe bereitet, vorfindet, ist ihr Gedeihen nicht allzuschwer zu erzielen. Wie aber ist den Untergebenen, die uns fremd und gewöhnlich mißtrauisch entgegentreten, dies Gefühl einzuflößen? Zuerst wohl durch das Beispiel, das wir ihnen an freundlich ruhigem Wesen, gerechtem Urteil und treuer Pflichterfüllung geben; ferner aber durch das strenge Ausschließen jeder Vertraulichkeit, welche geeignet wäre, die Grenze, die nun einmal zwischen Herrschaft und Gesinde bestehen muß, zu verwischen. Stets halte man darauf, daß die Anrede an erstere in üblicher Form – sei es nun durch Titels- oder einfache Namensnennung – geschehe, falls nicht Adelsstand oder besonders hoher Rang die entsprechende Anrede bestimmen. Auch die bürgerliche Hausfrau der guten Gesellschaftskreise wird jetzt, wie in der Gesellschaft, ebenso von ihren Leuten mit »gnädige Frau« angeredet, falls ein anderer Titel nicht vorhanden. Desgleichen hat das Gesinde im Gespräch mit der Herrschaft in der dritten Person zu sprechen, also »gnädige Frau wünschen« u.s.w. Kinder sind vom zehnten, mindestens zwölften Jahre[79] ab mit Sie, später mit Fräulein oder junger Herr anzureden und auch gesprächsweise stets so zu bezeichnen. Auch wenn Eltern dem Gesinde gegenüber die Kinder erwähnen, sind diese nie mit Namen, sondern in der den Dienstboten vorgeschriebenen Anredeform zu bezeichnen. Ebenso spreche man von Verwandten oder Freunden des Hauses stets mit voller Namens oder Titelsnennung zu den Leuten.
Nie erörtere man in Gegenwart desselben Familienangelegenheiten oder sonstige vertrauliche Sachen und achte auch darauf, daß derartige Gespräche nicht aus vielleicht entfernteren Zimmern an ihre Ohren dringen können. Es soll ja vorkommen, daß es Hausfrauen giebt, die in überquellendem Mitteilungsdrang dem Mädchen oder dem Zöfchen vertrauliche Offenbarungen zu teil werden lassen – zu den gebildeten Frauen wird man diese nicht rechnen können und schwer genug wird solche Würdelosigkeit sich rächen. Nicht nur, daß aufblickende Achtung von dem Tage an von Seiten des Untergebenen verschwunden und angenehme Gleichheitsgefühle seine Brust durchziehen werden, auch weitere, bösere Folgen wird solche tadelnswerte Vertraulichkeit mit sich ziehen, nämlich das Herausdringen verschwiegener Angelegenheit in alle Welt. Im Hause wird damit angefangen, denn welch' interessanteren Gesprächsstoff gäbe es wohl für die Dienstboten unter einander als über Dinge und Zustände zu verhandeln, welche die Familie der Herrschaft betreffen? Hat gar die Herrin selber die vertraulichen Mitteilungen gemacht,[80] so kommt dazu auch die Prahlerei mit der gleichstellenden Vertraulichkeit, durch welche der Dienstbote ausgezeichnet wurde – so genau letztere auch zu unterscheiden vermögen und wissen, daß bei einer auf ihre Würde haltenden Herrschaft solche Vertraulichkeiten streng ausgeschlossen sind.
Und aus dem eigenen Hause geht es weiter. Man trifft sich beim Kaufmann und an anderen Orten mit den Dienstboten der Nachbarhäuser und plauscht interessante Neuigkeiten aus, dort findet sich wieder die eine oder andere Herrschaft, die es nicht verschmäht, sich von ihrem Gesinde derlei Klatsch wiedererzählen zu lassen und im Handumdrehen kann so ein Name und guter Leumund verunglimpft sein, ohne daß der Betreffende Ahnung davon hat. Und das Letztere ist das Schlimmste dabei, denn es nimmt die Möglichkeit, eine Verleumdung widerlegen oder im ernsten Falle gerichtlich verfolgen zu können.
Ist die Herrschaft Schuld an Verbreitung solcher Gerüchte oder Thatsachen, da die vertraulichen Mitteilungen an die Dienstboten von ihr selber ausgingen, so hat sie eben nur die gerechte Strafe für würdeloses Betragen zu erdulden, wenn verleumderischer Klatsch entsteht. Anders aber, wo Mißstände in der Familie – und wo gäbe es dergleichen nicht? – von dieser selbst schwer empfunden und der Außenwelt gegenüber ängstlich verdeckt werden, um nicht bösen Zungen und unverständigen, herzlosen Menschen Gelegenheit zu geben, darüber herzufallen und sie[81] breit zu treten oder sie gar noch mit Gift und Galle aufbauschend zu umkleiden. Was aber vielleicht mit Müh und Not der Welt zu verheimlichen geht, können wir den Zugehörigen des Hausstandes, also in erster Linie den Dienstboten, nicht verbergen, wenigstens nicht, soweit es in die äußere Erscheinung tritt. Wie schützt man sich nun dagegen, daß ein solches, vielleicht mit Herzblut genährtes und streng behütetes Geheimnis gehässigerweise durch das Gesinde bekannt gegeben und, wie es in den meisten Fällen geschieht, entstellt, vergrößert, mit allerlei unzutreffenden Begründungen und Schlußfolgerungen versehen, benutzt wird, unser Ansehen zu schädigen und unsern guten Namen zu besudeln?
Traurig genug, daß es dagegen trotz aller Gesetze keinen Schutz giebt! Bosheit, niedere Gesinnung und Verleumdungssucht sind eben nicht aus der Welt zu schaffen und darum muß man sich gewöhnen, sie zu ertragen. Alles aber, was geschehen kann, sie unmöglich zu machen oder doch in ihren Folgen abzuschwächen, sollte nie versäumt werden. Nur treue Anhänglichkeit und Ergebenheit des Hausgesindes kann vor boshaftem Klatsch schützen, selten aber sind solche Tugenden bei demselben zu finden und wo sie selbst vorhanden, werden sie doch verflogen sein, sobald dasselbe die alte Herrschaft verläßt. Es bleibt also nur: strengstes Geheimhalten aller inneren Familienangelegenheiten und als zweites: unnachsichtliche Kennzeichnung des Charakters des betreffenden Dienstboten im Abgangszeugnis,[82] sobald uns irgendwo bekannt geworden, daß derselbe sich boshaften Klatsch über die Herrschaft zu schulden kommen ließ.
Viel können auch diese selbst zur Unterdrückung und Ahndung derartiger Mißstände beitragen, indem sie streng vermeiden, sich vom Gesinde irgendwelchen Klatsch zutragen zu lassen oder, wenn sie doch auf irgend eine Weise davon erfahren, dies der betreffenden Herrschaft sofort mitteilen, damit diese ihre Maßnahmen danach ergreifen und den klatschsüchtigen Dienstboten entlassen kann.
Es schien uns nicht überflüssig, Vorstehendem eine ausführliche Besprechung zu widmen, da durch derartige Gewissenlosigkeit der Dienstboten oft schweres Unheil über eine Familie gebracht worden ist.
Nach diesen allgemeinen Winken über Behandlung des Hausgesindes möchten wir nun zu dessen Obliegenheiten übergehen. Dieselben werden je nach der Zahl der Dienstboten, welche ein Haushalt aufzuweisen hat, auf die einzelnen verteilt sein. Man ist bei uns in Deutschland, besonders in großen Städten, sparsam in dieser Beziehung und oft muß auch für einen ausgedehnten Hausstand das bekannte Mädchen für Alles ausreichen. Und es geht – freilich bei weiser Arbeitsregelung und thätiger Mithilfe der Hausfrau. In solchen Fällen ist streng darauf zu sehen, daß früh aufgestanden und sogleich mit der Zimmerreinigung begonnen wird; zwei Zimmer können gut – natürlich ohne Staubsäuberung, in Ordnung gebracht[83] sein, bevor das Mädchen daran geht, das Frühmahl zu besorgen und die Kleider und Schuhwerk für tägliche Benutzung zu reinigen. Nie gilt mehr als hier das alte Sprichwort, daß Morgenstunde Gold im Munde habe, denn werden die ersten Tagesstunden vertrödelt, kommt sicher der Haushalt den ganzen Vormittag nicht in Ordnung. Während nach dem Frühstück die Hausfrau ans Abstäuben geht, kann das Mädchen die Schlafzimmer aufräumen und sich dann der Küchenarbeit und Zubereitung des Mittagessens widmen.
Ob nun aber ein Mädchen viel oder wenig, leichte oder schwere Arbeit zu verrichten hat, können wir doch verlangen, daß es stets im sauberen, ordentlichen Anzug erscheint, wie auch gründliche Waschung und Ordnen des Haares das erste Geschäft nach dem Aufstehen sein muß Aber auch auf angemessene Kleidung des Hausgesindes ist zu achten; ebensowenig als unordentlich und unreinlich, dürfen unsere Mädchen damenhaft gekleidet sein und darin vielleicht mit unseren Töchtern wetteifern. Die Überkultur unserer Zeit mit ihren gesteigerten Lebens- und Luxusansprüchen hat natürlich auch auf die Dienstboten Einfluß geübt und sie der Einfachheit der Kleidung entwöhnt. Mögen sie sich aber nun bei ihren Ausgängen kleiden wie sie wollen – im Haus bei der Arbeit sollen sie sich auch äußerlich als Gesinde kennzeichnen. Am besten für Mädchen ist da derbes, nicht zu langes Kleid, bequeme Jacke oder Taille, die kräftige Bewegung nicht hindert, haltbares Schuhwerk (Pantoffeln[84] seien ebensowenig gestattet als knarrende Absatzstiefeln) und große bunte Schürze, über die mittags beim Aufwarten oder Offnen der Thür, wenn Besuche kommen, schnell eine weiße gebunden werden sollte. Auch beim Ordnen der Betten muß eine solche getragen werden.
Nicht dringlich genug kann auch den Mädchen – Diener werden in diesen Dingen ja die nötige Erfahrung und Gewandtheit besitzen – das höfliche Begrüßen und zuvorkommende Einführen von Besuchern zur Pflicht gemacht werden. Beim Öffnen der Eingangsthür ist der Gruß des Gastes, der in seltenen Fällen unterbleiben wird, sehr höflich seitens des Dienstboten zu erwidern, wie auf alle Fragen in bescheiden freundlicher Form Bescheid gegeben werden muß. Da es in gebildeten Familien ausnahmelos Regel, Besucher nicht ohne weiteres einzulassen, sondern vorher dem Hausherrn oder der Hausfrau, je nachdem der eine oder andere zu sprechen gewünscht wird, Meldung zu machen, hat das Mädchen höflich um Karte oder Namen zu bitten – am besten wird dieser Wortlaut genau vorgeschrieben und lautet meist: »Wen darf ich die Ehre haben zu melden?« oder auch kürzer: »Wen darf ich melden?« Ist diesem Wunsche durch Abgabe der Karte oder Namensnennung Genüge geschehen, erbittet der betreffende dienstbare Geist für wenige Minuten Verzug Verzeihung, schließt die Thür nicht, sondern lehnt sie nur an und überbringt der Herrschaft die Meldung. Wird es abgelehnt, den Gast[85] zu empfangen, ist wiederum dem Mädchen die höflichste Form und möglichst der Wortlaut, in denen der Bescheid kund zu thun, einzuschärfen. Auch darf die Thür nie kurz hinter dem sich wendenden Besucher, noch weniger aber geräuschvoll geschlossen werden, sondern es muß damit gewartet werden, bis derselbe sich ein Stück auf der Treppe oder im Gange entfernt hat; dann erst klinke man möglichst leise zu. Das »Thür vor der Nase zuwerfen« hat von altersher eine schwerwiegende Bedeutung gehabt!
Wird der Besuch aber angenommen, muß das Mädchen, die Thür weit öffnend, zum Eintreten bitten, im Vorraum dem Gast beim Ablegen behilflich sein, dann halb voranschreitend mit geschickter Bewegung von seitwärts, um nicht dem Gast vorzutreten, die Thür des Empfangzimmers öffnen und mit einem »Bitte ergebenst« zur Seite stehn bleiben, bis der Eintritt erfolgt; dann ist die Thür leise zu schließen.
Entfernt sich der Besucher, wird ein Klingelzeichen der Herrschaft das Mädchen rechtzeitig herbeirufen, damit es beim Anlegen des Überrocks behilflich sei, Hut und Schirm reiche, und mit höflichem Gruß die Thür öffne und in oben angedeuteter Weise wieder schließe. Wenn ein Diener vorhanden, der den Gästen entgegentreten und die vorgeschriebenen Dienstleistungen erweisen kann, wird das dem ganzen Haushalt natürlich von vornherein einen viel vornehmeren Anstrich geben.
Werden Dienstboten bei Anwesenheit von Gästen[86] ins Zimmer gerufen, so haben sie nicht zu grüßen – es würde dies eine Vertraulichkeit bekunden, die ihnen nicht zusteht. Ob die Herrschaft einen Morgen-oder Abendgruß des Gesindes wünscht, ist in jedem einzelnen Falle festzustellen. Manche empfinden es als Unhöflichkeit, wenn es unterbleibt, andern ist es einfach eine Unbequemlichkeit, den Gruß ihres Dienstpersonals zu erwidern; Gewohnheit und Hausordnung haben also hier die Entscheidung.
Sind im Haushalt Köchin und Hausmädchen vorhanden, so teilt sich natürlich die Arbeit und erstere wird Zubereitung der Mahlzeiten und die Küchenarbeit übernehmen, letztere Zimmer- und Kleiderreinigung, Öffnen der Thür und Empfang der Gäste, Tischdecken und Bedienen bei den Mahlzeiten, auch, wenn Zeit bleibt, allerlei Näharbeit übernehmen. Kommt ein Diener als dritter hinzu, wird er dem Hausmädchen den größten Teil dieser Arbeiten abnehmen oder sie teilen. Auch Silberputzen und Heizen der Ofen ist gewöhnlich seine Sache.
Bei der Tischbedienung wird der Diener meist, auch wenn Gäste nicht da sind, weiße Handschuhe tragen müssen – Hausgebrauch ist auch hier bestimmend. Beim Mädchen genügen sauber gehaltene Hände ohne Bekleidung für dieses Amt. Auf Einzelheiten dieser wichtigen Obliegenheit unserer Dienstboten werden wir bei Besprechung der Mahlzeiten zurückkommen.
Diener erhalten gewöhnlich je nach Geschmack der[87] Herrschaft dunkel gehaltene Livree, falls nicht, wie in hochadligen Häusern, herkömmliche, oft sehr reiche Bediententracht eingeführt ist.
In großen Haushaltungen, in denen mehrere Mädchen und Diener, Kutscher und Gärtner und mancherlei anderes höheres Hauspersonal vorhanden, ergeben sich die Pflichten eines jeden Bediensteten von selber oder sind doch durch die Hausordnung vorgeschrieben. Wir haben uns damit deshalb nicht weiter zu beschäftigen und möchten den Herrschaften raten, auch bei so erweitertem Dienstbotenkreis darauf zu halten, daß die Leute untereinander in höflicher und freundlicher Art verkehren und sich in jeder Weise der guten Haltung befleißigen, die man von Zugehörigen eines großen und vornehmen Haushalts in erhöhtem Maße verlangen kann.[88]
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