Glückwunschschreiben

Geburtstagsbriefe und Glückwunschschreiben

[499] sind diejenigen, welche von den meisten Menschen als arge Unbequemlichkeit empfunden werden. So aufrichtig man dem Freunde, Verwandten, Gönner u.s.w. auch alles Gute zum Geburtstage und jeder anderen besonderen Gelegenheit wünscht, kostet es doch vielen Kopfzerbrechen, diese Wünsche Schwarz auf[499] Weiß niederzuschreiben. Und doch ist auch das garnicht schwer. Man muß sich nur der althergebrachten Vorstellung entwöhnen, daß Glückwunschschreiben im feierlichen Kanzelstil gehalten sein und darin viel blumenreiche Bilder und Vergleiche, gedrechselte Wendungen und wiederholtes Anrufen des Allmächtigen und seiner Gnade vorkommen müßten. Wie manchen anderen Schwulst, hat die moderne Zeit auch die phrasenhaften Geburtstagswünsche über Bord geworfen und verlangt, daß dieselben klar und einfach, herzlich und natürlich gehalten sein sollen. Selbst das so unvermeidlich erscheinende »Gesundheit und ein langes Leben« gilt heut nicht mehr, denn wozu braucht besonders ausgesprochen zu werden, was doch selbstverständlich? Oder wäre es denkbar, daß wir jemand, den wir überhaupt beglückwünschen, Krankheit und baldigen Tod wünschen sollten?

Auch hier ist es genau wie mit den Freundschaftsbriefen. Man stelle sich vor, der zu Beglückwünschende stände uns persönlich gegenüber, und was man ihm da etwa sagen würde, mag man ruhig, nur in die korrektere Form der Schriftsprache gefaßt, auch schreiben. Und wird sich da bei einem lieben Freunde nicht etwa von selber ergeben: »Gott grüß dich, liebes Geburtstagskind! Mag dir heut ein gesegneter Tag und danach ein glückliches Lebensjahr beschieden sein, voll Glück und Sonnenschein, voll frischer Arbeitskraft und erfolgreichem Gelingen;«

In diesem Ton wird jeder seitenlang schreiben[500] können, denn die verschiedenen Geburtstagskinder werden sicherlich auch jedes für sich die verschiedensten Wünsche im Herzen tragen, deren Erfüllung man ihnen wünschen mag. Da aber ein Geburtstagsbrief nicht einmal lang zu sein braucht, sondern sich auf wenige Zeilen beschränken kann, ohne an Herzlichkeit zu verlieren, dürfte bei einigem Nachdenken niemand in Verlegenheit beim Schreiben eines solchen kommen.

Freilich, auch hier schickt sich eines aber nicht für alle. Was wir fröhlich übersprudelnd dem guten Freunde schreiben dürfen, wäre wenig angemessen für eine Respektsperson, Gönner und andere fernstehende Persönlichkeiten. Da heißt's, eine formellere und gemessenere Sprache führen und vielleicht schreiben:


Hochgeehrter Herr!


Gestatten Sie auch mir, Ihnen zum heutigen Tage die ehrerbietigen Glückwünsche auszusprechen, welche ein Ausdruck meiner dankbaren Verehrung sind und von Ihnen freundlich entgegen genommen werden mögen. Dem aufrichtigen Wunsche, daß Ihr Leben auch fernerhin reich an Glück, Ehren und Erfolgen dahinfließe, eint sich allerdings die selbstsüchtige Bitte, mir auch in Zukunft Ihre freundliche Geneigtheit erhalten zu wollen.

In Hochachtung und Ergebenheit


Ihr dankbarer

H. H.
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Ähnlich in den verschiedenen Abstufungen, immer der Sachlage und der Persönlichkeit des Empfängers angemessen, dürfte ein formelles Glückwunschschreiben abzufassen sein. Bei anderen als zum Geburtstag ist natürlich der besondere Anlaß zu berücksichtigen und wird sich danach der Inhalt von selber ergeben. Über Glückawünsche zum Jahreswechsel, zu Verlobungen, Geburten und anderen Familienereignissen wurde bereits bei den betreffenden Abschnitten das Erforderliche gesagt, ebenso über


Quelle:
York, B. von: Lebenskunst. Leipzig [1893], S. 499-502.
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