Die Adresse.

[509] Dieselbe ist mit deutlicher, klarer Schrift, voller Namensangabe und Beifügung des Geburtsranges[509] oder sonst zustehender Titel zu schreiben. Krumme und schiefe Linien wirken auf einer Adresse besonders störend und sind deshalb streng zu meiden. Der Name des Empfängers wird etwa in die Mitte des Briefumschlags gesetzt – nicht zu sehr oben – Ort- und Wohnungsangabe rechts unten, der Vermerk der Portozahlung links. Die Marke ist oben rechts aufzukleben – dies irgendwo an beliebiger Stelle zu thun, sieht unordentlich aus, obgleich manche Absender es sich geflissentlich angelegen sein lassen, um dadurch eine Art – freilich sonderbarer – Genialität zu bekunden.

Das »Wohlgeboren« auf Briefen gilt längst als altmodisch und nicht sein. Man giebt es nur noch Personen geringeren Standes, wenn man sie besonders zu ehren wünscht. Auch das »Hochwohlgeboren« ist eigentlich entbehrlich, doch werden nicht alle, die es für sich in Anspruch nehmen, darauf verzichten wollen. Dem Adel steht es zu, ebenso dem hohen Beamtentum und allen Militärpersonen vom jüngsten Lieutenant an. Da es aber bekanntlich nicht nur eine Geburts-, sondern auch Geistes- und Finanzaristokratie giebt, haben alle zu letzterer Gehörigen dasselbe Recht auf das Hochwohlgeboren, obgleich es ihnen meist sehr überflüssig erscheinen wird, es auf ihren Briefen zu finden. Wird es ihnen jedoch versagt, wo sie es gegeben, so ist das eine Rücksichtslosigkeit, welche einer Nichtachtung gleichkommt und deren sich wirklich gebildete Menschen nicht schuldig machen werden. Bildung und Talent, also Wissen und Können, wiegen durchaus[510] Stand und Rang auf, ja, stehen manchem höher. Und da könnte es auch wohl einem her vorragenden Industriellen, der freiwillig auf kommerzielle Titel verzichtete, oder einen Geistesgewaltigen auf wissenschaftlichem oder künstlerischem Gebiet geschehen, daß ein unbedeutender Herr von Soundso oder der eben zum Lieutenant beförderte Kadett die Einladung, die ersterer »Sr. Hochwohlgeboren« freundlich sandte dem nur »wohlgeborenen« Gastgeber annehmend bestätigt. Derartige Verstöße kommen öfter vor, als man glaubt und namentlich sind es häufig Damen, welche, obgleich gesellschaftlich durchaus gleichstehend, so verletzende Unterschiede machen und ein »Hoch-, wohlgeboren« auf der Adresse unverfroren mit einem »Wohlgeboren« erwiedern. Es ist überhaupt merkwürdig, wie versessen gerade Menschen, denen das Hochwohlgeboren eigentlich nicht zukommt, auf dasselbe sind; Adlige, welchen es doch von vornherein durch Geburtsrang zusteht, geben oft sehr wenig auf diesen überflüssigen Vermerk auf Briefen. Es genügt da für jeden Unterthanen die einfache Aufschrift: »Sr. Majestät dem König von Preußen, Kaiser von Deutschland« mit einfacher Bezeichnung des Ortes, an dem sich der hohe Herr gerade aufhält oder auch einfür allemal: »Berlin, Kaiserliches Hausministerium.« Selbst ohne letzteren Zusatz kann man sicher sein, daß alle Briefe an die hohe Adresse gelangen.

Personen, welche den Titel Excellenz führen, ist derselbe auf der Adresse zu geben, und zwar dem[511] sonstigen Range vorauszusetzen. Man hätte demnach zu schreiben:


»Sr. Excellenz

dem Herrn Staatsminister Grafen von M.«

»Hoch- und Wohlgeboren«

Berlin.


Bei hohem Adel genügt eben das Hochwohlgeboren nicht und tritt je nach vornehmerem Geburtsrang das »Hochgeboren« oder »Hoch- und Wohlgeboren« an seine Stelle. Einer Gräfin schreibt man demnach:


»Ihrer Hochgeboren

Frau Gräfin von S.«


Das »Gräfliche Gnaden« auf der Adresse gilt nur für Untergebene. Reichsgrafen gebührt das »Erlaucht.« Um auf der Adresse an einen Freiherrn das Herrn nicht zu wiederholen, läßt man es fort und schreibt einfach:


»Freiherrn Wolf von Bülow.«

»Hochwohlgeboren«


falls man letzteres nicht vorsetzt, was besonders bei Damen dieses Geburtsranges zu empfehlen wäre, also:


»Ihrer Hochwohlgeboren

Freifrau Elise von Bülow«


oder


An

das Freifräulein u.s.w.
[512]

Es klingt ja besser, Freifräulein durch Baronesse zu ersetzen. Da ersteres aber höheren Adelsrang einschließt, muß man vorsichtig mit dergleichen Abänderungen sein.

Geistlichen setzt man das »S. Hochwürden« oder »Sr. Hochehrwürden« auf der Adresse voran. Behörden erhalten das »Wohllöblich« oder »Hochwohllöblich.« Im übrigen sei hier noch einmal auf den Abschnitt über mündliche Anreden und Titulaturen verwiesen.

Bei bürgerlichen und titellosen Persönlichkeiten genügt im privaten Briefwechsel die einfache Adresse, bei geschäftlichen Aufträgen wird man des bessern Auffindens wegen, auch um Verwechslungen zu vermeiden, Stand oder Gewerbe hinzufügen. Bei Damen klingt es besser, den Vornamen mit auf die Adresse zu setzen. Am besten und sicherlich die Empfänger befriedigend ist, den Brief genau nach dem Wortlaut der Besuchskarte zu überschreiben, welche die Betreffenden führen, da auf dieser Titel und Rang stets so verzeichnet sind, wie die Eigentümer ihn betont zu sehen wünschen. –

Diese Winke für den brieflichen Verkehr im allgemeinen und das Briefschreiben im besondern dürften genügen.[513]

Quelle:
York, B. von: Lebenskunst. Leipzig [1893], S. 509-514.
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