2.

Trinkst du Wein, so giess' ein wenig

Hefe auf den Boden hin!

Ist die Sünde wohl zu fürchten

Die da Ander'n bringt Gewinn?

Geh', und was du hast geniesse

Ohne Scheu' und ohne Reu':

Denn das Schwert des Schicksals tödtet

Ohne Reu' und ohne Scheu.

Ich beschwör' bei deinem Fussstaub,

Weichliche Zipresse, dich,

Zieh' den Fuss von meinem Staube

Nicht zurück, wenn ich erblich.

Höllengeist und Himmelsbürger,

Mensch und Engel, wer's auch sei,

Die Enthaltsamkeit gilt Allen

Nur für Ordensketzerei;

Und des Himmels Geometer

Schloss gar streng die Wege ab

Dieses würfelart'gen Klosters,

Und kein Weg läuft unter'm Grab.

Es vertritt die Rebentochter

Dem Verstand die Wege schlau;

Bis zur Auferstehung währe

Unzerstört des Weinstock's Bau!

Auf der Schenke Pfaden ging'st du

Schön, Hafis, aus dieser Welt:

Deinem reinen Herzen werde

Der Beherzten Wunsch gesellt!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 175-177.
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