Sesostris

Im Triumph, nach mühevollen Tagen,

Kehrt Sesostris heim aus blut'ger Schlacht.

Könige, die seine Fesseln tragen,

Mehren seines Zuges stolze Pracht;

Denn gespannt an hohen Siegeswagen,

Hat sie ihres Überwinders Macht.

Unvermögend, seinem Trotz zu fliehen,

Müssen sie ihn statt der Rosse ziehen.


Tiefgebeugt, und in sich selbst gekehret,

Wanken sie dahin im finstern Gram.

Ach, dass er ihr Leben, so entehret,

Nicht zugleich mit Thron und Scepter nahm!

Seiner Diener Hohn, den niemand wehret,

Schärfet noch der Unterjochten Scham,

Und sie senken die ergrimmten Blicke,

Fluchend ihrem feindlichen Geschicke.
[5]

Einer wendet nur sein Haupt zur Seite,

Lächelt still mit wehmuthsvoller Lust.

Ihm verletzt das schmähliche Geleite

Frecher Spötter nicht die Felsenbrust.

Nimmer mit sich selbst im bangen Streite,

Bleibt er seiner Würde sich bewusst,

Und des Rades ewig gleicher Schwung

Füllt sein Auge mit Beruhigung.


Und man hört Sesostris stolz ihn fragen:

Warum bleibt Dein Muth stets gleich und gross?

– Schmachvoll zieh ich Deinen Siegeswagen,

Spricht der König – Schande ist mein Loos.

Doch dies Rad hilft mir mein Elend tragen

Und erhält mich in der Hoffnung Schoos.

Gleich dem Glück hat mich sein Gang belehret,

Dass sich oben schnell nach unten kehret.


Da ergriffen schreckende Gewalten

Rauh den Sieger, der so trotzig war;

Und er lässt den Zug des Wagens halten

Und steigt ab. – Vor seiner Völkerschaar[6]

Reichet er dem tiefgekränkten Alten

Seine Rechte zur Versöhnung dar.

Wohl vergänglich, spricht er, ist das Glück –

Darum nimm die Krone nun zurück!
[7]

Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Gedichte von Natalie. Berlin 1808, S. 5-8.
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