Der Muthwille

[281] Wißt ihr, wie ich möchte ziehen

In die Stadt, wo Liebchen wohnt,

Ach, wohin ich oft geschrieen

In den Wind, ganz unbelohnt:

Wie weit ist die Zeit!


Nicht als Pilger, nicht als Sänger,

Nicht wie Geister unsichtbar,

Nicht wie Vögel, nein viel länger

Blieb' ich da, weit über's Jahr:

Wie weit ist die Zeit!


Nicht mit Blumen, nicht mit Bändern

Schlich ich hin vor Liebchens Thür,

Sehnsucht opfern alle Länder,

Singen blühend hin zu ihr:

Wie weit ist die Zeit![281]


Nein, als Sieger möcht' ich ziehen,

Sprengen auf die Thür zum Scherz,

Wie die Bombe springend glühen,

Durch den Mund ihr in das Herz:

Wie weit ist die Zeit!


Um von unten auf zu dienen,

Meint ihr, wär' ich nun zu alt,

Obenein möcht' ich verdienen

So die himmlische Gestalt:

Wie weit ist die Zeit!


Wenn ich mit dem Säbel klopfe,

Liebchen macht die Thüre auf,

Und sie kniet, hat Angst im Kopfe,

Sie als Krone höb' ich auf:

Wie weit ist die Zeit!


Setzte sie auf meinen Scheitel,

Trüg' wie Atlas meine Welt,

Alle Welt schien mir dann eitel,

Und ich wär' der einz'ge Held:

Wie weit ist die Zeit!


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 281-282.
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