Die Uebergabe von Stettin, Küstrin, Magdeburg und Hameln

[34] 1806.


Trompeter, komm' uns nicht zu nah!

Die Wälle möchten fallen,

Was auch bei Jericho geschah,

Erst glaubt man's nicht, dann ist es da,

Wenn die Trompeten schallen.


Du Gouverneur der Stadt Stettin

Machst gar sehr schwache Mienen,

Du bist sonst grob, sei einmal kühn,

Wenn sie an unsr Wälle ziehn,

Mit Kugeln sie bedienen.


Er füllet mit gewalt'ger Eil'

Die eingestürzten Wälle,

Geschieht das nur zur Kurzeweil,

Da tausend Mann mit Axt und Beil

Die schönen Bäume fällen.[34]


Sie fordern auf, und meinen nicht,

Daß du dich würdest geben;

Doch du verträgst kein solch Gericht,

Der Tag sich auch schon wieder bricht,

Du mußt dich übergeben.


Wie das erhört ein altes Weib,

Sie ging mit dem Pantoffel

Dem Kommandanten sehr zu Leib,

Es war ihr gar kein Zeitvertreib,

Er schrie, der arme Teufel.


Die Garnison hat kurz und klein

All ihr Gewehr' zerbrochen,

Zerrissen muß der Rock auch sein,

Wir alle schwören Stein und Bein.

Daß sie sich gern gerochen.


Ihr Gouverneurs, denkt diesem nach,

Nichts müßt ihr halb beginnen,

Und brennt das Schnupftuch auch zu Asch'

In eurer weiten alten Tasch',

Ihr müßt euch nicht besinnen.


Für Zaubereien hütet euch,

Küstrin ist so gefallen,

Der Kommandante kam sogleich

Mit den Franzosen in Vergleich,

Wie er hört Geld erschallen.


In Magdeburg, da baten drum

Elftausend der Jungfrauen,

Sind so viel drin, so sei es drum!

Der Kommandante war so dumm,

Kaum will der Feind ihm trauen.[35]


In Hameln pfiff den Kommandant

Der alte Rattenfänger,

Es kräht der Hahn zu seiner Schand',

Er hat verrathen Leut' und Land

Und hielt sich auch nicht länger.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 34-36.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Philotas. Ein Trauerspiel

Philotas. Ein Trauerspiel

Der junge Königssohn Philotas gerät während seines ersten militärischen Einsatzes in Gefangenschaft und befürchtet, dass er als Geisel seinen Vater erpressbar machen wird und der Krieg damit verloren wäre. Als er erfährt, dass umgekehrt auch Polytimet, der Sohn des feindlichen Königs Aridäus, gefangen genommen wurde, nimmt Philotas sich das Leben, um einen Austausch zu verhindern und seinem Vater den Kriegsgewinn zu ermöglichen. Lessing veröffentlichte das Trauerspiel um den unreifen Helden 1759 anonym.

32 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon