Der Kaiser

[150] Der Kaiser flieht vertrieben,

Flieht das eigne Land;

Das Heer ist aufgerieben

Fliehend seine Schand.

Nur Die sind ihm geblieben,

Die er oft verkannt,

Denn streng sind, die uns lieben,

Noth hat Lieb erkannt.[150]

Er grüßt die alten Tage

Seiner Jugendzeit,

Vergißt der Zeiten Plage

In Vertraulichkeit.


Zum Fluß ist er gekommen,

Findet keine Brück,

Da wird sein Herz beklommen,

Er kann nicht zurück.

Da kommt ein Schiff mit Netzen:

»Schiffer nimm zum Lohn,

Willst du uns übersetzen,

Meine goldne Kron.«

Der Schiffer hat genommen

Seine goldne Kron

Doch eh er über kommen,

War der Feind dort schon.


»So lieb dir ist dein Leben,

Fahr zurück ans Land,

Den Schifflohn will ich geben

Mit der eignen Hand.«

Der Kaiser droht zu schlagen

Mit dem goldnen Stab,

Doch schnell zurückgetragen,

Ihn dem Schiffer gab.

Jetzt sah er wie die Feinde

Ihn am Ufer sehn,

An Freundes Busen weinte,

Wollte schier vergehn.


»Ich hab nichts mehr zu geben,

Als den Mantel mein,

Der giebt mir Noth im Leben,

Bald auch Todespein:

War meiner Noth Beglücken

Eurer Tage Preis,

Den Purpur reißt in Stücken,

Geb ihn allen preis!«[151]

Er faßt soviel er konnte,

Jeder riß sein Stück,

Es auf dem Herzen sonnte,

Wie ein Stern im Glück.


Die Stücke heften Alle

Auf die Kleider fest,

Und vor dem Feind mit Schalle

Halten Ordensfest.

Dann stellen sie sich Alle

Rings zum Kaiser treu,

Daß er von einem Walle

Rings geschützet sey.

Der Purpurstern kann blitzen,

Wärmt auch wohl das Herz,

Kann nicht als Harnisch schützen

Vor der Pfeile Erz.


»Jetzt flieht!« befiehlt der Kaiser,

»Flieht, ich sterb allein!«

Sie rufen all zum Kaiser:

»Das soll nimmer seyn,

Der Purpur ist zerrissen,

Aus ist nun Dein Reich,

Vor Gott wir stehen müssen

Bald mit Dir zugleich.

Wir wollen hier vergehen,

Froh des ewgen Muths;

Aus unserm Blut erstehen

Rächer Deines Bluts.«


Die Feinde sehn sie blicken,

Sehn die Sterne hell,

Und ihre Pfeile drücken

In die Herzen schnell.

Nach aller Edlen Falle,

Fällt der Kaiser auch,

Sein Segen über alle

Ist sein letzter Hauch.[152]

Die blutgen Purpurstücke

Halten frisch die Farb,

Der Feind ist groß im Glücke,

Nicht den Schmuck verdarb.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 23: Gedichte, Teil 2, Tübingen und Berlin 1976, S. 150-153.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon