Hippolita

[147] Sie

(singt in der Kammer).


Nur einen Tag mir dauert

Der Ehrenblume Pracht,

Das hab' ich lang betrauert,

Sie haben mich verlacht.

Warum so kurz die Freude,

Warum so lang das Leid?

Bey meinem Hochzeitkleide

Liegt jetzt mein Trauerkleid.


Hier war ein herrlich Wesen

Von Reitern schön und kühn,

Und der mich hat erlesen

Vor allen thäte ziehn;[147]

Sie folgten ihm doch alle,

Wenn er vor ihnen ritt,

Bey dem Trompetenschalle

Lief auch mein Blut so mit.


Ich fuhr in hohem Wagen,

Mein Herr, der führte ihn,

Die Rappen wiehernd jagten,

So hell die Sonne schien,

Ich sah noch fern die Hütte,

Zum Himmel stieg ihr Rauch;

Aus ihrer stillen Mitte

Ich zog, verflog nun auch.


Die Kirche frisch gestreuet

Mit buntem, krausen Sand,

Vom leisen Tritte schreiet,

Ich reiche ihm die Hand.

»Nicht Mutter weint gebeuget,

Der Ring ist golden ganz.«

Doch sie den Goldschaum zeiget,

Auf manchem Sterbekranz.


Der Priester trat zurücke,

Mein Mann mich hielt so lieb,

Mich grüßten alle Blicke,

Das Blut zur Wange trieb;

Mein Glück, wer kann es fassen,

Es faßte mich so fest,

Und hat mich doch verlassen,

Mich so verlassen läßt.


Ich träumte keine Sorgen,

Mein Aug' der Sonne lacht;

Wo bliebst du Lieber im Morgen,

Eh ich noch war erwacht?

Wo bliebst du Lieber im Morgen,

Es hat dich keiner gesehn;

Mein Kind blieb mir verborgen,

Ich sah es nicht in den Wehn.[148]


Ich sitze zwischen Seen

In meiner Eltern Haus,

Muß dienen und muß gehen

Mit Pilgern ein und aus;

Viel Knaben Mitleid haben

Mit meiner Traurigkeit,

Ihr Trost könnt mich wohl laben,

Ach, blieben sie nur heut!


Muß selber ihnen reichen

Den Pilgerstab und Huth,

Die Hand ich möchte reichen,

Dem, der so traurig thut.

Doch könnte er wohl meinen

Ich liebte ihn wohl gar,

So aber muß ich weinen

Das ganze, ganze Jahr.


Ein Pilger.


Die Pilgersleut vergaßen

Den Rosenkranz im Haus.

Sie kamen wieder, saßen,

Bey diesem Ohrenschmaus;

So schön sie hörten singen

Der Wirthin Töchterlein,

Ganz heimlich zu ihr gingen

Wohl in das Kämmerlein.


Sie gaben ihr die Hände,

Und nahmen sie auch mit,

Daß sie zur Wallfahrt wende

Den hohen, edeln Schritt,

Zu jenen heil'gen Gipfeln,

Die Gottes Lieb' erbaut,

Wo in der Bäume Wipfeln

Ihr Schmerzensbilder schaut.[149]


Da fand sie leer ihr Leiden,

Sie fand ihr Herz so voll,

Sang da zu aller Freuden,

Daß hoch die Kirch erscholl;

Viel Knaben knieten nieder,

Die Noten halten ihr,

Sie dienen ihr wie Brüder,

Und wie die Engel schier.


Darum viel Pilger glauben,

Cäcilien zu sehn,

Mit Ros' und blauen Trauben

Sie da umwinden schön;

Ein Lämmlein zu ihr führen

An einem rothen Band,

Mit hohen Kerzen zieren

Der Kirche dunkle Wand.


Da fühlet sie ein Wehen,

Die Taube fliegt zu ihr,

Mit tiefster Ehrfurcht sehen

Die Lästrer auf zu ihr;

Mit hellen Blicken schauet

Der Muttergottes Bild,

Wer sich ihr ganz vertrauet,

Dem zeiget sie sich mild.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 23: Gedichte, Teil 2, Tübingen und Berlin 1976, S. 147-150.
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