Heldenlauf

[153] Frisch zu! das ist mein erster Ruf,

Will rasch die Welt beschau'n:

Wie sie der frische Morgen schuf,

Und mich daran erbau'n.

Ich schwing' mich auf mein Ritterpferd

Und werfe weg den Zaum,

So rennt und gras't es auf der Erd'

Bei meinem Morgentraum.


Geht auch mein Pferdchen mit mir durch,

Es geht nicht zu geschwind,

Denn unten dröhnt noch feste Burg

Und oben saust der Wind;

Der Wind, der durch die Haare saust,

Der singt mein Morgenlied:

Vom Adler, der sich kaum gemaust

Und schon zur Sonne zieht.


Gern dräng' ich in den Morgenglanz,

Doch steh ich schon am Meer;

O wie so golden eins und ganz

Scheint Meer und Himmel her;

Wie einer Muschel offnes Haus

Ist Meer und Luft vereint

Und eine Perle steigt heraus:

Ein Schifflein so erscheint.


Vom Schiffe treten auf den Strand

Zwei Frau'n von edlem Blick,

Als wären sie von heil'gem Stand,

Und Zeichen vom Geschick.[153]

Die Eine stets voraus gesehn,

Tritt erst in meinen Lauf;

Es mißt ihr Schritt den Weg im Gehn,

Sie schreibt sich Alles auf.


Der tret' ich neckend ins Geheg,

Sie reizt den Eigensinn;

Ach, wäre ich nur wieder weg,

Sonst bin ich wahrlich hin.

Vom Pferde zieht sie mich herab,

Die Schleppe trag' ich ihr;

Ihr Auge tief, so wie ein Grab,

Blickt selten nur nach mir.


Sie nennet sich die Wissenschaft,

Sie nimmt mich in die Lehr',

Und giebt nichts meiner Leidenschaft,

In der ich mich verzehr'.

Ich schleiche sanft von ihr mich fort

Zur andern, die mir singt:

»Für jeden Sinn ist nur ein Ort,

Ein Klang nur, der ihn zwingt.


Wer dieses Wort im Herzen hält,

Und singt es nicht heraus,

Der ist wohl unstät auf der Welt

Und Qual ist ihm sein Haus.

Du armes Herz, sag mir dein Wort,

Zu meinem hellen Klang,

Ein gutes Wort hat seinen Ort

Unsterblich im Gesang.«


Wie wird mir da auf einmal leicht

Im Herzen, im Verstand;

Ein heller Strahl zum Himmel steigt:

Ich gab ihr Wort und Hand.

Die Sängerin nennt sich die Kunst,

Ach, wie gefällt sie mir!

Doch Wissenschaft verlangt auch Gunst,

Weil ich zuerst bei ihr.[154]


Und sagen möcht' ich aller Welt,

Was ich gefühlt, gelernt,

Da hat sich Niemand mir gesellt,

Mein Ernst die Welt entfernt.

Ich klag: »Ihr seid mir Beide nichts,

Wenn ich mit euch allein,

Wenn sich kein Volk des innern Lichts

In Unschuld will erfreu'n.


Schafft mir ein Volk, das mit mir fühlt,

Und gern die Lehre faßt,

Daß dieser Strahl in mir nicht kühlt

Und nicht mit mir erblaßt.«

Sie weisen mich nun zur Geduld,

Die uns als Magd gedient,

Doch ich verschmähe ihre Huld,

Mein Muth hat sich erkühnt.


»Noch habe ich mein Ritterpferd,

Noch kann ich euch entfliehn,

Eh Abend löscht den Feuerheerd,

Will ich mit Vielen glühn.

Es blinkt die Welt von neuer Sonn':

Es ist der Waffen Licht;

Gehabt euch wohl ich reit davon,

Dort fehlt das Volk mir nicht!«


Es zieht der Krieg zu uns heran,

Ein Jüngling mit der Fahn'

Theilt Waffen aus an Jedermann

Und löst mir jeden Wahn.

Er spricht: »Ich hab' dich lang' belauscht

Und auch die beiden Frau'n,

Sie haben dich schier ausgetauscht,

Darfst ihnen nicht vertrau'n.


Mach' keine Langeweil der Welt,

So bist du tugendhaft,

Nur That und Tod ihr jetzt gefällt,

Gott's Lob ist deine Kraft.[155]

Er giebt ins Herz Zerstörungslust,

Wo Schöpfungskraft gehemmt,

Du zwingst die Welt dir unbewußt,

Wenn nichts dein Herz beklemmt.


Wie Schwerd am Schwerdte wiederklingt,

Klingt Herz am Herzen auch;

Gemeinsam ist, was uns verjüngt,

Zur Flamme wird der Rauch.«

Und ein Vertrauen wunderbar

Ergreift mich bei dem Wort,

Verbrüdert mich der Heldenschaar

Und zieht mich freudig fort.


Ja ich ersah der Waffen Ziel,

Versteh der Fahnen Flug,

Und Wissenschaft erscheint als Spiel

Und Kunst als ein Betrug.

Frisch drauf! das ist mein letzter Ruf,

Die weite Welt ist mein:

So weit noch meines Rosses Huf

Haut Funken aus dem Stein.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 23: Gedichte, Teil 2, Tübingen und Berlin 1976, S. 153-156.
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