Ueber die Erziehung für das Haus

[15] Edel heißt jede Form, welche dem, was seiner Natur nach bloß dient, (bloßes Mittel ist) das Gepräge der Selbstständigkeit aufdrückt. Ein edler Geist begnügt sich nicht damit, selbst frei zu sein; er muß Alles um sich her, auch das Leblose, in Freiheit setzen. –

Schiller.


Wenn wir nun die von der Pflicht gebotene Thätigkeit der Frau betrachten, so kommen wir gleich bei jenem Punkte an, der, wie oft auch schon von den vielfachsten Seiten besprochen, doch nie völlig festgestellt wurde, während er gewiß eine der wichtigsten Seiten des Lebens überhaupt, nicht allein des weiblichen, berührt.

Es liegt in der Natur der Sache, und wir finden es fast bei allen Völkern wieder, auf welcher Kulturstufe sie nun stehen oder stehen mochten, daß die kleinen, täglich wiederkehrenden Sorgen um den Haushalt dem weiblichen, als dem schwächeren Theile der Bevölkerung, zufallen, während sich der Mann den schwereren Arbeiten unterzieht. Dieß Verhältniß ist zu natürlich, um sich jemals ändern zu können, und alle schon aufgestellten Theorien von der Emancipation des Weibes, werden es nicht dahin bringen, daß der Mann zu Hause koche oder nähe,[15] während die Frau draußen auf der Bank des Richters Recht spricht oder die Kanzel besteigt. Es fehlt zwar nicht und besonders heute nicht an Leuten, die ungemein geistreich zu sein glauben, wenn sie derartige Folgerungen aus den legitimen Bestrebungen, das Loos der Frauen zu verbessern, abstrahiren. Ganz gewiß giebt es Männer, die besser zum Koch als zum Richter taugten und ebenso gewiß gibt es Frauen – man denke nur an die Methodistenpredigerinnen – die von der Kanzel herab nicht minder beweglich und zündend zu den Herzen ihrer Hörer sprechen könnten, als manch berühmter Kanzelredner, aber eine solche Frau würde sicherlich keinen Mann heirathen, der nur Talent zum Schneider besäße. – So lange die Ehe besteht, wird innerhalb derselben die Arbeitstheilung in der oben geschilderten Weise auch bestehen und es ist die erste Pflicht der Ehefrau, den ihr davon gebührenden Antheil auf sich zu nehmen. Es ist darum eine totale Verkennung unserer Zeit, wenn man glaubt, die Frau, wenn auch nur die gebildete Frau, von den Pflichten der Häuslichkeit frei sprechen zu dürfen. Man entzöge ihr, wie überhaupt dem weiblichen Kinde, mit der Häuslichkeit den eigentlichen Boden ihrer Kraft. Ganz gewiß kann das tüchtige Weib auch noch auf andern Gebieten wirksam sein, die außerhalb dessen liegen, was man früher ihre »Sphäre« nannte, die Mehrzahl aber wird immer, soweit wir heute die menschlichen Verhältnisse zu übersehen vermögen, ihren Hauptwirkungskreis im Hause finden, und jedenfalls werden die tüchtigen Frauen, welche in weiteren Kreisen etwas leisten sollen, vorzugsweise aus dem Hause hervorgehen. In seiner stillen Umgränzung, bei seinen wechselnden Pflichten, entfaltet die weibliche Seele sich am wohlthätigsten, und wer ihr Wesen richtig erkennt, läßt sie ihren[16] punkt nehmen, von dem stillen Herd, auf welchem die heilige Flamme des Hauses, von dem Bewußtsein der Pflicht entzündet, von der Freude an der Arbeit genährt, emporlodert. Aber dann müssen Mütter und Töchter wieder im Mittelpunkt der häuslichen Beschäftigungen stehen, dann dürfen diese nicht, wie es jetzt so häufig geschieht, nur den Dienstboten überlassen bleiben.

Es kann Niemand leugnen, daß in der Gegenwart das Innere des Familienlebens sich immer unerquicklicher gestaltet, – wo hört man nicht die gerechte Klage darüber? – und bei den gesteigerten Ansprüchen und Bedürfnissen der Frauenwelt ist es für viele Männer fast nicht mehr möglich, sich eine eigene Häuslichkeit zu gründen. Man fühlt es recht wohl, wo der Mangel liegt; wer zweifelt noch daran, daß die Untüchtigkeit der Frau in ihrem häuslichen Beruf, ihr Drang nach äußeren Zerstreuungen die hauptsächlichste Quelle so vieler Unzufriedenheit und Mißstimmung ist? Man streitet darum hin und her, was der eigentliche Beruf der Frau sei, ob geistige Ausbildung oder nur häusliche Arbeit. Dieser Streit ist ein müßiger; nur die Vereinigung dieser beiden Elemente entspricht dem Wesen der Frau, wie unsere Zeit sie verlangt, ja entspricht der weiblichen Natur überhaupt, die weniger auf Tiefe angewiesen ist, als darauf, die ideale Seite des Lebens zu entwickeln, und leibliches und geistiges Wohlbehagen zugleich in dem Kreise, den sie als alleinige Gebieterin beherrscht, gedeihen zu lassen. Zur ersten Stufe dieser Herrschaft gelangt sie nur durch praktische Ausbildung, und diese ist ihr von Vernunft und Pflicht zunächst geboten. Es wird manche Frau hier ausrufen: Es ist nicht unsere erste Pflicht zu kochen, zu nähen und zu bügeln! Wir wollen mehr sein, wollen Theil haben an den geistigen[17] Gütern des Lebens, wollen uns gleich dem Manne an Wissenschaft und Kunst erfreuen! Dies Verlangen ist, einseitig gestellt, thöricht und gewissenlos. Unser feststehender Standpunkt ist auch hierin wieder der, daß die Frau, ebenso wie der Mann, einen bestimmten Kreis von Pflichten, einen ernsten Beruf zu erfüllen hat, über welchen hinaus erst ihre Berechtigung anfängt, sich an den höheren Genüssen des Lebens zu erfreuen! – Aber auch jene Frauen, die voraussichtlich später keinen eigenen Haushalt begründen und auf wissenschaftliche oder künstlerische Gebiete übergehen werden, sie sollten sich dem niemals ganz entziehen wollen, denn die geübte praktische Thätigkeit ist auch für die ganze geistige Entwickelung von wesentlichem entscheidendem Nutzen. –

Ihr sollt ja dem Manne völlig gleichberechtigt zur Seite gestellt werden! Gleichberechtigt an jedem allgemeinen geistigen Gut, aber auch gleich verpflichtet zur täglichen Arbeit! Wo gibt es denn überhaupt wirklich geistiges Schaffen, welches sich nicht erst durch einen Berg von materiellen Schwierigkeiten, von formellem Wust hindurch arbeiten muß? Welche Aeußerlichkeiten hat der Künstler nicht täglich zu beseitigen, während er seine Gestalten bildet, sei es nun mit Pinsel, Meißel oder Feder? welche kleinlich-langweiligen Anhängsel führt der Beruf des Arztes, des Lehrers, des Richters mit jeder neuen Sonne ihm herauf! Wird nicht damit die scheinbar rein mechanische Mühe, welche der Frau zufällt, vollständig aufgewogen, da ein Theil des Geistigen ja hier auch bis zum Mechanischen herabsinkt? Ist nicht unser ganzes Leben ein Kampf mit der Materie, und will die Frau sich dem allein entziehen? Warum will sie nicht ihr bescheidenes Theil an der Erfüllung der handwerksmäßigen Pflichten tragen, welche ihr die Befriedigung[18] der körperlichen Bedürfnisse des Menschen auferlegt? Der Weise nimmt die Welt wie sie ist, unterwirft sich ihren physischen Gesetzen und macht sich dadurch allein geistig frei; der Thor beklagt den Materialismus, verwirft ihn und verfällt ihm damit nur immer tiefer. – Die Materie hat noch Niemand ungestraft verachtet; sie rächt sich furchtbar, unerbittlich! Aber man kann sie überwinden, zähmen, indem man ihre unabweisbaren Bedürfnisse erforscht, ihren Voraussetzungen entspricht. Dann beginnt der wahre, dauernde Sieg des Geistes, und goldene Früchte lohnen dem Ueberwinder. Wenn die Frau ihre täglichen Pflichten in diesem Lichte betrachtet, können sie ihr nicht mehr unerträglich sein. Aber die Erziehung muß Rücksicht darauf nehmen und ihr die Mittel zur Ueberwindung jener in die Hand geben. Und welche andere könnten diese sein, als vollständige Kenntniß dessen, was von der Frau mit Recht in jedem Lebensverhältniß gefordert werden kann? Es fällt uns schwer niederzuschreiben, und doch muß es offen zugestanden werden: wenn wir durchaus wählen müßten zwischen geistiger und praktischer Ausbildung der Frau, und es hinge von dieser Frau, wie es so oft der Fall ist, das Wohl und Wehe einer Familie ab, wir wählten unbedingt das Letztere, denn der Geist muß ja doch vergehen unter dem Schmutz und Drangsal der Alltäglichkeit, wenn eine weise, ordnende Hand diese nicht ferne halten kann, während ein reinlicher, freundlicher Haushalt wenigstens das Eindringen des Geistes von Außen her zuläßt. Nur dem materiellen Wohlsein kann das geistige Behagen entspringen. Es wird also für das junge Mädchen des Mittelstandes, von rein praktischer Seite aus betrachtet, viel nothwendiger sein, daß sie die ganze Stufenleiter der häuslichen Beschäftigungen[19] gründlicher erlerne als die Scala auf dem Piano, daß sie eher zu kochen als in fremden Zungen zu reden wisse, besser ein Hemde zu nähen, als eine feine Stickerei zu fertigen verstehe.

Aber diese ausschließende Wahl zwischen dem Einen und dem Andern sollte nicht mehr nöthig sein; die beiden Elemente, welche sich scheinbar feindlich in die Welt theilen, sollen sich in der Frau friedlich vereinigen und dem täglichen Leben die Krone der Schönheit erobern. Die Möglichkeit hierzu kann nicht bestritten werden, es gibt und gab weibliche Wesen, die eine solche Stufe erstiegen haben, und was für Einzelne möglich war, ist es auch für Viele, ja bis zu einem gewissen Grade für Alle. –

Gebe dem Mädchen eine tüchtige Mutter oder Erzieherin, die das, was sie lehren soll, auch selbst gründlich versteht – mit gutem Beispiel vorangeht; lehrt es Pflichten kennen, wo es bis jetzt nur Tändelei erblickte, gebt ihm einige ruhige Jahre der Entwickelung mehr, macht das Kind nicht schon mit 15 oder 16 Jahren zur jungen Dame, laßt ihm Zeit, sich äußerlich und innerlich auf eine gewisse Stufe des Könnens und Leistens zu stellen – und es ist Alles er reicht.

»Die Welt findet man fertig, wie sie ist, aber die Wege muß man suchen«, sagt Rahel, und mehr soll ja die Erziehung überhaupt nicht thun wollen. Zeigt dem Kinde den Weg, gebt seiner Natur den richtigen Anstoß, seinem Geiste das sichere Fundament, und es geht seinen Pfad so ruhig und so sicher, wie die Natur in ihrer ganzen organischen Entwickelung überhaupt. – Jedes Mädchen wisse von früher Kindheit an, daß es die häuslichen Arbeiten erlernen muß, wie sein ABC, und daß es nicht freigesprochen wird zum mündigen[20] Menschen, ehe es die Pflichten kennen gelernt hat, welche die Natur ihm bestimmt, und es wird gerne und freudig dem sich unterziehen, was Alle lernen und leisten müssen.

Damit ist noch lange nicht gesagt, daß alle weiblichen Wesen sich ganz einerlei entwickeln müßten. Anlagen, Talente, Verhältnisse werden in der späteren Entwickelung ihr Recht geltend machen, es wird nach wie vor Frauen geben, welche mit größerer Liebhaberei sich den häuslichen Pflichten unterziehen, während Andere mehr nach geistigen Beschäftigungen streben, aber die Lehrzeit muß darum doch für eine Jede dagewesen sein, die praktische ebenso wohl, wie die geistige. Die Verschiedenheit des Resultats darf uns nicht irren. Der Zweck, welcher erreicht werden soll, ist die innere und äußere Freiheit der Frau, die nur durch richtige Erkenntniß und Erfüllung ihres Berufes gewonnen wird. Ist diese erreicht, ihr klar gemacht, dann wird die poetische, geistreiche Frau nie der Prosa zur Beute werden, weil sie die Mittel in der Hand hat, sie zu bekämpfen, und die Frau, welche sich mehr zum Praktischen neigt, wird, im genauen Bewußtsein der geistigen Forderungen, welche ihre Familie an sie stellen darf, und durch eine Erziehung, die sie befähigt, denselben gerecht zu werden, nie jener einseitig praktischen Richtung verfallen, welche ein Fluch für Alle ist, die in ihrer Atmosphäre athmen müssen.

Dabei muß nun noch ganz besonders betont werden, wie heute die häuslichen Pflichten bei Weitem nicht mehr in dem Maße ausgedehnt und zeitraubend sind, als dies früher der Fall gewesen. Noch vor zwanzig bis dreißig Jahren ging eine vielbeschäftigte Frau in der That fast ganz in ihrem Haushalt auf, weil sie eine Menge von[21] Dingen selbst zubereiten mußte, welche ihr heutigen Tages durch die gesteigerte Industrie fix und fertig in das Haus gebracht werden, und es wirklich eine nutzlose Zeitverschwendung wäre, wollte sie sich, wie in früheren Zeiten persönlich damit plagen. Allerdings sind auch die häuslichen Bedürfnisse gestiegen, aber trotzdem ist es heute unendlich viel leichter, und, man möchte fast sagen, amüsanter, einen Haushalt zu lenken, als dies früher der Fall gewesen. Ueberdies liegt es nur an den Frauen selbst; oder sagen wir lieber, an einer vernünftigen Erziehung derselben, sich die häuslichen Geschäfte noch mehr zu vereinfachen durch Benutzung der wirklich zweckentsprechenden Haushaltungsmaschinen, die man jetzt so vielfach erfindet, und die verhältnißmäßig noch so wenig benutzt werden, weil sich im Durchschnitt die weibliche Natur nur außerordentlich schwer von gewohnten Dingen, wir möchten es fast Schlendrian nennen, lossagt. Doch werden wir uns über diese Haushaltungsmaschinen an einem andern Orte noch ausführlicher verbreiten. –

Nun meinen freilich Viele, nach der Verheirathung ließen sich die häuslichen Geschäfte noch lange erlernen. Dem ist nicht so. Wir wollen ganz davon absehen, wie nöthig und wünschenswerth es oft wäre, daß das Mädchen auch schon bei seinen Eltern hierin etwas leisten könnte, wir wollen uns nur einen solchen Haushalt vergegenwärtigen, in welchen die junge Frau einzieht mit allen Illusionen einer poetischen Zukunft, mit Träumen vom schönsten Glück, und in welcher die rauhe Hand der Wirklichkeit in kürzester Frist das bunte Gewebe der Phantasie schonungslos zerreißt. Jedes Ding, auch das Kleinste, will gelernt und geübt sein. So lange dies nicht der Fall ist, beherrscht es uns, und die geringsten Verrichtungen werden, wenn vernachlässigt, zu den[22] schmerzlichsten Dornen, die in jeder Minute da und dort eine Wunde reißen. Wie aber kann eine ungeübte Hand, welche höchstens gelernt hat, einen Theetisch mit Anstand herzurichten, im Stande sein, nun im eignen Hause den Boden zu bereiten, auf welchem Wohlsein, Behaglichkeit, Schönheit im innigsten Vereine erwachsen sollen? Es ist trostlos, in welchem Zustande man oft nach einigen Jahren der Ehe die feinsten, zierlichsten Mädchen wiederfindet. Unschön, verwahrlost in allen häuslichen Beziehungen, offenbaren sie überall den Mangel an praktischer Gewandtheit, an richtiger Eintheilung, an Sachkenntniß, und selbst der beste Wille, das hingebendste Bestreben reichen oft nicht aus, schon in den ersten Jahren der Ehe, welche ja gerade die schönsten, poetischsten sein sollen, jenes Wohlbehagen, jenen Frieden hervorzurufen, die in einer wohlgeordneten Häuslichkeit so zauberhaft wirken.

Möchte doch jedes Mädchen wissen, daß selbst die noch so praktisch Ausgebildete ihre rechte Noth hat, wenn sie ihren eigenen Haushalt allein übernimmt; wie muß es erst werden, wenn die junge Frau zum erstenmal, mit dem Kochbuch in der Hand, in der Küche erscheint und ihre Experimente beginnt! Ein Kochbuch ist ein treffliches Ding für Solche, die zu kochen verstehen, aber allein daraus lernen kann es Niemand, ebensowenig wie derjenige Oeconom eine Ernte erzielt, der seinen Acker nur nach Büchern bestellt. Wehe darum dem Gatten und den Kindern, welche jahrelang die verunglückten Resultate einer zu spät erlernten Weisheit verzehren müssen!

Man wird entgegnen, es gibt tüchtige Mägde genug, welche diesem Mangel abhelfen. Aber welche Bewandtniß es mit einer Haushaltung hat, die allein von den[23] Fähigkeiten der Dienstboten abhängt, ist hinlänglich bekannt, und wie viele Haushaltungen gibt es im Mittelstande, in denen man nur über ein einziges Dienstmädchen zu verfügen im Stande ist, welches dann unmöglich alle Obliegenheiten des Hauswesens allein zu erfüllen vermag. Und wie steht es denn meist mit diesen armen Geschöpfen selbst. Wie selten findet sich Eine, die außer der Kenntniß der gröberen Arbeiten, noch die Fähigkeit besitzt, ein Hauswesen so zu besorgen, wie es nothwendig ist. Wie sollte es denn auch in ihren dürftigen, beschränkten Verhältnissen für sie möglich gewesen sein, sich die Einsicht und den Ordnungssinn anzueignen, welche der eignen Gebieterin mangeln und deren Erziehung ihr doch so viel leichter diese hätte verleihen können.

Eine Haushaltung, welche auf die Talente der Dienstboten angewiesen ist, erscheint uns immer wie ein Schiff auf sturmbewegter See. Wenn das Dienstmädchen zufälligerweise gut kochen kann, so ißt man gut, ist sie von selbst reinlich und ordnungsliebend, dann zeigt es sich auch im Haushalt u.s.w. Aber wenn dies nun nicht der Fall, und er ist es so häufig, wie dann? Wo ist die feste Hand des Steuermanns, der unbekümmert um seine Gehülfen das Ruder lenkt und das Schiff seinen sichern, ruhigen Gang vorwärts führt? Dies muß die Stelle der Hausfrau sein, dort muß sie stehen, unverrückt, unerschrocken und stark. Es ist dabei nicht nöthig, daß sie Alles selbst thue, ihre Hand in Alles mische – im Gegentheil, sie wird Jedem sein Geschäft, Jedem seinen Weg anweisen und nur darauf achten, daß das Rechte zur rechten Zeit geschehe. Aber dazu muß sie das Verständniß davon haben, muß jede Arbeit selbst kennen, muß genau wissen, wie das Räderwerk des Haushalts[24] in einander zu greifen hat, und nicht erst in der Noth und dem Drang des Moments wird dies gut und richtig erlernt. Jedes Mädchen trage die Basis dazu in sich, und es wird ihr ein Leichtes sein, darauf den Tempel der häuslichen Zufriedenheit aufzubauen. Dessen Säulen sind: Ordnung, Reinlichkeit, Sparsamkeit und richtige Eintheilung! Wo eine dieser Säulen fehlt, da mangelt eine wichtige Stütze im häuslichen Gebäude, wo sie aufgerichtet stehen, da wölbt ein festes Dach sich darüber hin, sei es nun von Stroh oder glänze es von Gold, und die Frau, welche darunter waltet, ist nicht Magd, sondern Priesterin! –

Manche Pädagogen wollen behaupten, es sei gewagt, das gebildete Mädchen mit häuslichen Dingen zu beschäftigen, weil dadurch ihr Sinn leicht roh und gemein werde. Wir fragen: warum? und können darin wieder nur jenen krankhaften Begriff von der Bestimmung des Weibes erblicken, welcher will, daß es nur blühen, nur glänzen, nur Staffage im Leben sein soll, kein lebendiges wirksames Glied desselben. Besteht nicht die höchste, wahrste Lebenskunst darin, auch das Unreinste berühren zu können, ohne sich selbst zu besudeln? Davon jedoch ist hier nicht einmal die Rede, und wir behaupten, daß eine Küche so wenig gemein und unästhetisch ist, als ein Gesellschaftssalon, ja, daß sie in vieler Hinsicht oft reiner und würdiger sein kann als dieser.

Es kommt ja nicht auf die Dinge selbst an, sondern nur auf den Gedanken, welchen wir damit verbinden. Eine verständige, würdige Mutter, welche ihre Töchter selbst in den häuslichen Arbeiten zu unterrichten im Stande ist, hält schon durch ihre bloße Gegenwart und ihr Beispiel jeden Gedanken an Gemeines oder Untergeordnetes fern, und was den dabei unvermeidlichen[25] Verkehr mit den Dienstboten betrifft, so sind des Mädchens geistige Bildung und der dadurch geweckte feinere Sinn schon allein genügend, es vor jeder zu weit getriebenen Vertraulichkeit zu behüten; und außerdem wird sie jenen Umgang eben so wohl erlernen müssen, wie alles Uebrige.

Wie kann übrigens auch eine Beschäftigung gemein sein, welche zu dem schönsten Resultate führt, und ja eigentlich nur getrieben wird, um dieses Resultat herbeizuführen? Wir verlangen keineswegs, daß das Mädchen alle die groben Arbeiten selbst thun soll, für welche es eine Gehülfin sich verschaffen kann. Leider gibt es eine große Anzahl von Frauen und Müttern, die den Hauptnachdruck auf diese Arbeiten bei der Erziehung legen. Man läßt die jungen Mädchen Morgens die Betten machen, die Böden aufwaschen u. dgl. Nachher machen sie Toilette und rühren den ganzen Tag nichts mehr an, was unendlich verkehrt ist. Für die grobe Arbeit, welche man in einer Woche gelernt hat, finden sich immer Hände genug, aber die feineren und mithin schwierigsten Geschäfte des Haushalts auszuführen, dies brauchen selbst die zartesten Finger nicht als eine gemeine oder herabziehende Beschäftigung zu scheuen. Ist die Arbeit des Bildhauers gemein, der erst durch unsäglich mühsame, mechanische Vorbereitungen den Marmorblock zubereiten muß, daraus er später die Gestalt eines Gottes formt? ist es die des Malers, der erst seine Farben mischen, seine Leinwand richten muß, ehe der schaffende Genius an's Werk geht? Dasselbe Gesetz, welches Ueberwindung des rein Technischen verlangt, ehe die Arbeit des poetischen Geistes beginnt, wiederholt sich bei jeder Beschäftigung des Menschen, der kleinsten, wie der größten – warum nicht auch bei der Erfüllung der[26] häuslichen Pflichten? Und wir nennen einen wohlgeordneten, vollkommnen Haushalt ebenso gut ein Kunstwerk, als eine Marmorstatue, ein Gemälde oder eine Symphonie, und die Frau, welche es herstellt, steht an Verdienst keinem Künstler nach. Was dem kurzsichtigen Blick als eine gemeine Beschäftigung erscheint, hebt uns grade über die Niedrigkeit und Prosa hinaus. Aber es muß Jedermann einleuchten, daß ein solches Kunstwerk nicht aus einem Nichts entsteht, daß eine tüchtige Vorschule dazu gehört, eigner guter Wille, eigne Erkenntniß dessen, was Noth thut. Die bloße Gesellschaftstournure ist ohne jeden Nutzen in Küche und Haus. Die graziöseste Tänzerin bewegt sich plump und schwerfällig um den Kochherd, wenn sie zum erstenmal davor steht und er ihr fremder ist, als die verwickelten Touren einer Quadrille; die gewandtesten Finger auf dem Piano bringen ohne Uebung kaum die kleinste mechanische Hülfeleistung in der Küche, oder am Nähtisch, oder im Bügelzimmer zu Wege. Der Schönheitssinn, welcher in der Gesellschaft sich offenbarte, wird erstickt im Schmutz des Alltaglebens, und selten von diesen weiblichen Adepten wiedergewonnen, die zu spät das Gold der Arbeit suchen lernen, durch die dringende Nothwendigkeit dazu angetrieben, nicht durch die milde leitende Hand einer vernünftigen Erziehung. – Wie anders ist es mit dem Mädchen, welches schon in die Ehe die Kenntniß dessen mitbringt, was von ihr gefordert wird. Fast jede Jungfrau, sei sie auch noch so flatterhaft, wird dieses Band mit gesteigerten Gefühlen, mit einer Ahnung wenigstens, davon schließen, daß ihr nun höhere Pflichten bevorstehen. Nie ist für ein weibliches Wesen der Moment günstiger, sich auf eine höhere Stufe aufzuschwingen, eine ernstere Einkehr in sich selbst zu halten, und wie häufig gehen die besten[27] Vorsätze einzig und allein an der Tüchtigkeit der jungen Frau zu Grunde, wie sich denn überhaupt hier, ein, auch in jeder andern Beziehung zutreffendes Wort Gutzkow's anwenden läßt: »Dringen in der ersten Zeit der Ehe, einer so entscheidenden für die Zukunft, nur die Schmeicheleien des Gatten, nur die Erfahrungen einer künstlich festgehaltenen, sich nur idyllisch gebenden Welt, nichts als Illusionen auf die junge Frau ein, so kann etwas im Keime verfehlt werden, wovon sich die schlimme Ernte später zeigt!« –

Vorerst flieht die Grazie von einem Herde, wo alle Bedingnisse zu ihrer Pflege fehlen. Aber wie gerne weilt sie da, wo die geübte, verständige Hand der Hausfrau ihr eine wohnliche Stätte bereitet. Wer hat noch nie in ein solches Haus geblickt, ohne den stillen Zauber des Wohlbehagens zu empfinden, welcher dort alle Gegenstände umfließt? Wir treten ein, wir fragen nicht darnach, welcher Art sind die Geräthe, die es schmücken, ob sie einfach oder prächtig sind, dies gilt Alles gleich, wir fühlen nur mit innerer Freude: Es glänzt die Wand, es schimmert das Gemach! und freundliche, zufriedene Gesichter schauen uns an, Harmonie weht selbst aus dem Kleinsten uns entgegen, und wir wissen, daß ächtes Schönheitsgefühl und dessen Basis, praktische Tüchtigkeit, dort ihren Wohnsitz erbaut hat.

Aber noch einen Punkt müssen wir grade hier in Betrachtung ziehen, nämlich den immer mehr überhand nehmenden geistigen Hochmuth der Frau. Gar Viele unter uns dünken sich zu gut für jede praktische Beschäftigung, und doch wird das Leben immer schwieriger, immer complicirter, und nur durch Sparsamkeit und Ordnung ist noch die Existenz von tausend und aber tausend gebildeten Familien möglich. Sicherlich gibt es[28] viele Frauen, deren Intelligenz sie allerdings dazu befähigt, ihre Zeit besser anzuwenden, als mit Kochen und Nähen, wenn man die Sache nur so oberflächlich betrachtet. Aber warum soll ihre größere Intelligenz sie von der Verpflichtung einer Lehrzeit freisprechen? Wenn in späteren Jahren sich die Verhältnisse eines weiblichen Wesens in einer oder der andern Weise festgestellt haben; wenn sie keine näheren Pflichten dadurch verletzt und sich dann einer nur geistigen Beschäftigung oder einer Kunst zuwendet, so hat sie gewiß das größte Recht dazu. Aber es ist Thatsache, daß die intelligenten Frauen sich ebenso gern verheirathen wollen, wie die dummen, und dann liegt ihnen die häusliche Pflicht unbedingt am nächsten. Eines folgt hier aus dem Andern, und grade die intelligente, die mit höherem Schönheitsgefühl begabte Frau muß hier ein Beispiel geben. Ihr Geist kann sie vom Praktischen unmöglich freisprechen, denn es steht geschrieben: Wo viel gegeben ist, da wird auch viel gefordert! Die begabten Frauen, welche in der Alltäglichkeit untergehen, sind meist durch ihre eigene Untüchtigkeit selbst daran Schuld.

Wir dürfen hier an Hölderlin's Worte im Hyperion erinnern: »Tausendmal habe ich in meiner Herzensfreude gelacht über die Menschen, die sich einbilden, ein erhabener Geist könne unmöglich wissen, wie man ein Gemüse zubereitet. Diotima konnte wohl zur rechten Zeit recht herzlich von dem Feuerherde sprechen, und es ist gewiß nichts edler als ein edles Mädchen, das die wohlthätige Flamme besorgt und, ähnlich der Natur, die herzerfreuende Speise bereitet!« O, gewiß keine geistig noch so hochstehende Frau braucht sich der mechanischen Arbeit zu schämen, welche ihrem Geschlecht[29] im großen Haushalt des Lebens zugetheilt ist, und grade ihre gesteigerte Intelligenz wird sie dazu befähigen, die äußeren Dinge ganz anders aufzufassen, als die arme Magd, welcher in ihrer dürftigen Heimath nie die Mittel geboten waren, Reinlichkeit und Ordnung in unserem Sinne zu erlernen. Die Talente einer begabten Frau werden uns erst dann recht anerkennenswerth, wenn sie es nicht verschmäht, dieselben auch im Interesse des täglichen Lebens nutzbar zu machen. Die Welt kann am Ende bestehen ohne Gedichte, ohne Musik und Tanz, wenn es schon eine traurige Welt so wäre, aber sie kann nicht bestehen ohne die Befriedigung der täglichen Bedürfnisse, und es ist nicht möglich und wird nicht möglich werden, die materielle Arbeit in der Weise von der geistigen zu trennen, daß Erstere nur den Unbefähigten, Letztere nur den Intelligenten zufällt. Darum stehe jede Frau an ihrem Platze, und gewiß wird die geistreichste, die gebildetste Frau auch den schönsten Haushalt organisiren, sobald sie die nöthigen Vorkenntnisse dazu besitzt und sich klar über ihre Pflicht ist. Dem Genie wollen wir hiermit keinen Weg vorschreiben, aber man vergesse nicht, daß es gleich der Aloe nur alle hundert Jahre einmal blüht, und daß nicht jede Frau, welcher einmal ein geistiges Product gelungen, sich nun berechtigt glauben darf, jener praktischen Pflicht ungestraft aus dem Wege zu gehen.

Im höchsten Grade aber hat sich dieses, hier schon viel früher Ausgesprochne, während der beiden Kriege, die unser Vaterland betrafen, bewährt und bewahrheitet. Als es galt, die höchste menschliche Pflicht zu üben, die Wunden wieder zu heilen, die die Schlachten geschlagen, die Leidenden zu erquicken und zu pflegen, da traten[30] alle Talente und schönen Künste in den Hintergrund, da war nur eine Art von Frauen am Platz, und wurden sie im wahren Sinne des Wortes zu Engeln der Menschheit, die mit praktischem Sinn, praktische Tüchtigkeit verbanden. Da that es der gute Wille nicht allein; Hunderte drängten sich herbei zur Hülfe, aber nur Wenige waren auserwählt, denn eigentlich brauchbar konnten doch nur diejenigen sein, welche die feineren, häuslichen Pflichten in der Weise geübt, wie wir es oben geschildert; oder Solche, die sich im Geschäftsleben Gewandtheit und organisatorische Thätigkeit angeeignet hatten, während organisatorisches Talent sich grade häufig bei Jenen zeigte, die geistig hoch entwickelt und künstlerisch thätig, doch früher einmal die praktische Schule durchgemacht hatten. – Aber nicht im Kriege allein, auch im Frieden, namentlich bei unsern heutigen Frauenbestrebungen brauchen wir weibliche Kräfte, die zu organisiren verstehen, die das Kleine nicht gering achten, weil sie wissen, daß das Höhere aus ihm erwächst, und nur aus dem Hause, sowie wir es verstehen, können solche Frauen hervorgehen. Wie man aber schon längst mit der Vorstellung gebrochen hat, daß der Dichter, ohne zu lernen und zu studiren, ohne an sich zu arbeiten, nur durch eine höhere Intuition, durch einen »göttlichen Wahnsinn«, zu seinen Werken befähigt werde, so muß man auch endlich die Annahme beseitigen, daß der häusliche Sinn und die häusliche Fertigkeit eine dem weiblichen Geschlecht »angeborne Idee« sei und über sie komme, wie der heilige Geist in der Nacht. –

Und hat nicht selbst die geistreichste Frau oft Momente innerer Muthlosigkeit, ist ihr Herz denn immer[31] befriedigt von den Erfolgen, welche dem Ehrgeiz, der Eitelkeit schmeicheln? O nein, es gibt gewiß im Leben fast jeder gebildeten Frau Augenblicke, wo die kleinste praktische Hülfe, die sie Andern zu leisten vermag, ihr mehr werth ist, als irgend ein geistiger Erfolg. In den Stunden des Zweifels, der Schwäche ist es oft ein unschätzbarer Trost, nach mechanischen Dingen greifen, ein augenblickliches Resultat seiner Thätigkeit vor Augen haben und sich selbst sagen zu können: Wenn auch mein bestes und höchstes Streben unerreicht bleibt, kann ich doch noch Wohlsein und Behagen um mich her verbreiten, kann die mir Nächststehenden beglücken und erfreuen; was braucht es der Welt, was braucht es äußerer Anerkennung, um zufrieden und mit sich selbst in Ordnung zu sein. –

Ja, ihr Frauen, in den häuslichen Pflichten besitzt ihr eine Anregung, eine Quelle der Kraft, deren der so häufig von euch beneidete Mann gewöhnlich entbehrt. Scheitern seine Bestrebungen, wie trostlos und verlassen steht er da; denn sie enthalten die Summe seines Wissens und Könnens. Aber euch bleibt im Hause ein stilles, friedliches Feld, auf das ihr euch selbst nach den härtesten Täuschungen zurückziehen, auf dem ihr wirken und schaffen und etwas Tüchtiges sein könnt. Im Ausruhen des Geistes bei den häuslichen Geschäften findet dieser zugleich seine Frische, seine Spannkraft wieder, und das was ihr für herabziehend oder entwürdigend haltet, gibt euch im Gegentheil die verbrauchte Kraft zurück, gleich jenem Riesen, dem die heilige Berührung der Muttererde immer wieder neue Stärke verlieh.

Also Ueberwindung der Prosa, damit das wirkliche Reich der Poesie beginne! Und so schließen wir diese[32] Betrachtung mit Gellert's wahren und innigen Worten:


Das Publikum als Autor unterrichten

Mit Geist und Anmuth ist zwar schwer;

Jedoch sein Haus von allen seinen Pflichten

Als Mutter und als Frau und täglich unterrichten

Durch Wort und Beispiel, das ist mehr![33]


Quelle:
Luise Büchner: Die Frauen und ihr Beruf. Leipzig 41872, S. XV15-XXXIV34.
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