Flußfahrt im Frühling

[264] Welch ein Ziehen! Welch ein Gleiten!

Zwischen Schilf und alten Weiden,

Die sich beugen, die sich neigen,

Fahren wir, – wohin? ... wohin?

Laßt das Fragen! Laßt uns schweigen!

Welle mag den Weg uns zeigen,

Führerin und Trägerin.
[264]

Wie im Leben, hingetrieben,

Schwankend, schwebend fortgezogen,

Wollen wir des Flusses Bogen

Träumend folgen und ihn lieben,

Der uns so ins Weite trägt.

– Wird es helle sein am Ziele?

Dunkel? – Wehe dem, der frägt!

Fragen gibt es allzuviele,

Antwort eine nur. – Es regt

Hohl sich unter unserm Kiele.


Laßt um unsere heißen Hände

Diese kühlen Fluten streichen.

Nixenseelchen, nehmts als Zeichen

Unserer stillen Liebe an!

– Ach, wen eure Liebe fände:

Tiefstes wüßte wohl der Mann ...

Doch er schwiege bis ans Ende.


Aber wir ... nein! –: Laßt uns sagen,

Was durch unsre Seele geht!

Wind und Wasser sollens tragen,

Daß es durch den Frühling weht:

Frisches, fröhliches Behagen,

Lust am Nachten und am Tagen,

Leben, das in Blüten steht.

Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Gesammelte Werke. Band 1: Gedichte, München 1921, S. 264-265.
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